Hochwasserschutz, Nutzungsformen und Revitalisierungsbemühungen. Der Alpenrhein von Reichenau bis Buchs 1790 – 2020

AutorIn Name
Luca
Locher
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2020/2021
Abstract
Mit Ausnahme der Internationalen Alpenrheinregulierung und der Hochwasserereignisse von 1868 und 1927 sind umwelthistorische Aspekte des Alpenrheins nur spärlich erforscht. Wissenschaftliche Arbeiten, welche sich spezifisch mit dem Hochwasserschutz, den Nutzungsformen und den Revitalisierungsbemühungen auf dem Flussabschnitt von Reichenau bis Buchs auseinandersetzen, fehlen bisher gänzlich. Diese Forschungslücke soll durch die Masterarbeit geschlossen werden. Das primäre Ziel bestand darin die Entwicklung der Hochwasserschutzmassnahmen und Nutzungsformen in einer Längsschnittstudie aufzuzeigen. Dabei wurde der erkenntnisleitenden Fragestellung nachgegangen, inwiefern sich der Hochwasserschutz und die Nutzungsformen am Alpenrhein auf dem Flussabschnitt von Reichenau bis Buchs im Verlauf der letzten zweihundert Jahre verändert haben. Ebenfalls wurden ökologische Missstände, die durch die Alpenrheinkorrektion und die gegenwärtigen Nutzungsformen hervorgerufen wurden, aus einer umwelthistorischen Perspektive aufgearbeitet. Als Untersuchungszeitraum wurde die Periode von 1790 bis 2020 analysiert. Die Quellenlage ist umfangreich und vielschichtig: Um Informationen über den Uferschutz im 18. und 19. Jahrhundert zu erhalten, erwiesen sich Berichte und Denkschriften von Wasserbauingenieuren als aufschlussreich. Neben schriftlichen Quellen eigneten sich insbesondere Malereien, Karten und Fotografien, um Veränderungen am Flusslauf und an der ufernahen Landschaft in Erfahrung zu bringen. Die Entwicklung der Nutzungsformen am Alpenrhein konnte mit Hilfe ungedruckter Archivquellen rekonstruiert werden. Methodisch gesehen wurde eine historisch- hermeneutische Herangehensweise gewählt. Bevor der Mensch durch die Anlegung von Uferverbauungen Einfluss auf den Flusslauf nahm, hatte der Alpenrhein die Gestalt eines verzweigten Fliessgewässers mit mehreren Seitenarmen. Die Landschaft war von weitläufigen Auenwäldern und Sumpfgebieten geprägt. Die meisten Dörfer im Alpenrheintal wurden in erhöhter Lage errichtet, sodass die Wohngebäude im Hochwasserfall nicht von den Überschwemmungen betroffen waren. Der durch das regionale Bevölkerungswachstum verursachte Siedlungsausbau führte die Wohn- und Bauernhäuser im Spätmittelalter jedoch immer näher an den Fluss heran. Damals war der Hochwasserschutz in erster Linie Aufgabe der Gemeinden. Der unkoordinierte und unfachmännische Wuhrbau schützte die Siedlungs- und Landwirtschaftsflächen nur unzureichend von den Hochwasserfolgen. Aus kostentechnischen Gründen waren ausschliesslich die Uferzonen in Häusernähe und die Anlegestationen der Fährstellen verbaut. Im Untersuchungsgebiet wurden Streich- und Schupfwuhre eingesetzt. Im Jahr 1790 kam mit dem Wuhrvertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Herrschaft Werdenberg die historisch erste Vereinbarung zwischen zwei Herrschaftsgebieten bezüglich Hochwasserschutzbauten am Alpenrhein zustande. Die beiden Parteien legten gemeinsam die Flussbreite fest und erklärten die Anlegung von Schupfwuhren fortan für rechtswidrig. Zwischen 1850 und 1900 wurde der Hochwasserschutz am Alpenrhein aufgrund zahlreicher Hochwasserereignisse verschärft. Die bestehenden Wuhre wurden im Zeitraum von 1862 bis 1880 – im Rahmen der Ausführung der Alpenrheinkorrektion – durch Hochwasserschutzdämme ersetzt. Die Flussbegradigung verbesserte die Hochwassersicherheit um ein Vielfaches, ermöglichte den Brückenbau und legte Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung frei. Gleichzeitig bedeutete die Fertigstellung der Hochwuhre auch den Niedergang für mehrere Nutzungsformen am Alpenrhein. Sowohl die Flösserei als auch der Fährbetrieb wurden nach Vollendung der Uferdämme aufgegeben. Andererseits wurden die Kies- und Sandausbeutung sowie die Wasserkraftnutzung für die Stromerzeugung durch die Alpenrheinkorrektion erst ermöglicht respektive notwendig. In der Gegenwart wirkt der Flusslauf ausgestorben und sein Erscheinungsbild ist von Monotonie geprägt. Mit Ausnahme der alternierenden Kiesbänke auf dem Abschnitt von der Tardisbrücke bis Buchs besitzt der Alpenrhein keine strukturgebenden Elemente. Von den ursprünglich 30 Fischarten sind im 21. Jahrhundert lediglich noch neun Arten im Untersuchungsgebiet nachweisbar. Seit den 1970er Jahren wuchs in der Bevölkerung und der Politik das Bewusstsein, dass die Begradigung des Alpenrheins und dessen Nutzung für die Stromgewinnung weitreichende ökologische Konsequenzen nach sich gezogen haben. Als Reaktion auf diesen Umstand veröffentlichte die Internationale Regierungskommission Alpenrhein im Jahr 2005 unter dem Titel Entwicklungskonzept Alpenrhein einen Massnahmenkatalog zur Gesamtrevitalisierung des Alpenrheins. Das Konzept umfasst verschiedene flussbauliche Massnahmen, welche dazu beitragen sollen, dass der Fluss seine gewässertypischen ökologischen Funktionen wiedererlangen kann. Die von menschlichen Eingriffen unberührten Mastrilser Rheinauen dienen dabei als Modell.

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