Das Historikerinnennetzwerk Schweiz organisierte in Zusammenarbeit mit infoclio.ch und der Gosteli Stiftung am 7.-8. Juni 2024 in Bern die partizipative Historiker*innen-Unconference, um aus intersektional-feministischen Perspektiven den Stand der Geschichtswissenschaften, Wissensformen und die Berufspraxis von Historiker*innen zu diskutieren und zu reflektieren.
Auf dieser Seite finden Sie eine Aufzeichnung einer der beiden Plenumsveranstaltungen, den Bericht zur Unconference, Fotos sowie Hinweise zu Pressebeiträgen.
Inputs zum Auftakt: Von den Historikerinnentagungen bis zur Historiker*innen-Unconference
Vernetzung, feministisch Geschichte schreiben, prekäre Arbeitsbedingungen, Aktivismus – anhand dieser Schlagworte diskutierten die Podiumsteilnehmerinnen Anliegen, die Historiker*innen verschiedener Berufsfelder seit vielen Jahren beschäftigen:
- SteuerwaldNoemidoctoral studentUniversity of Bern
- ZieglerBéatriceprofessor emeritus and participant in the first “Schweizerische Historikerinnentagungen” in 1983
- MilaniPaulineco-editor of the lexicon on the history of women in Switzerland and lecturerUniversity of Fribourg
- RettenmundBarbaratheatre-creating historian, teacher and co-organiser of the 7th “Schweizerische Historikerinnentagungen” in 1993
- Moderation:de QuervainAnnamember of the Grand Council of the canton of Bern and former board member of the Swiss Network of Female Historians
Sich an den Historikerinnentagungen der 1980er und 1990er Jahre orientierend, organisierte das 2019 gegründete Historikerinnennetzwerk Schweiz am 7. und 8. Juni 2024 in Bern eine partizipative Unconference mit rund 100 Teilnehmenden. Im Vordergrund standen Austausch, Netzwerken und der kritische Blick auf das eigene Fach zwischen Forschung, Archiv und Vermittlung.1
Es war morgens kurz vor neun Uhr an einem kühlen Freitag Anfang Juni, als ich den blauen Plakaten mit der weissen Schrift im Berner PROGR folgte: «Unconference des historien*nes», «Historians´ Unconference», «Unconference delle*degli storiche*storici», «Historiker*innen-Unconference» las ich. Bereits die Plakate wiesen auf den Anspruch der Konferenz hin, die meisten Schweizer Sprachen und Englisch miteinzubeziehen. Am Infopoint herrschte eine munter aufgeregte Stimmung. Nachdem ich meinen Namensbadge und eine Programmübersicht erhalten hatte, holte ich mir einen Kaffee und ein Gipfeli, wobei ich auf andere Teilnehmende aller Altersstufen vom Studium bis zur Emeritierung stiess. Sie waren von überall her angereist, aus Basel, Fribourg, Zürich, ja sogar aus Heidelberg und Wien. Ihnen allen ging es ähnlich wie mir: etwas verschlafen, aber sehr gespannt ob der beiden kommenden Tage dieser Unconference, die nach über einem Jahr Vorbereitung durch das Historikerinnennetzwerk Schweiz in Zusammenarbeit mit infoclio.ch und der Gosteli-Stiftung nun endlich stattfand.
Die Anspannung und die Erwartungen waren nicht nur bei den Teilnehmenden, sondern besonders beim Organistationsteam zu spüren. Schliesslich ist eine «Unconference» keine gewöhnliche Tagung: Eine Unconference ist eine offene, partizipative Veranstaltung, an der die Teilnehmenden gemeinsam das Programm gestalten. Vorschläge für insgesamt 16 Sessions konnten im Voraus und am Morgen des ersten Tages eingereicht werden, anschliessend wurde abgestimmt, welche Sessions durchgeführt werden. Die Sessionformate konnten vielfältig sein, von freien Austauschrunden, über Hands-on-Workshops bis hin zur Präsentation neuer Initiativen. So sollten die Hierarchien herkömmlicher Konferenzen vermieden und eine offenere Atmosphäre geschaffen werden – schliesslich standen das Netzwerken, unvoreingenommene Diskussionen und die möglichst aktive Teilnahme im Vordergrund. Das Ziel dieses unkonventionellen Rahmens war es, die etablierten Strukturen der Geschichtswissenschaften und des Historiker*innen-Berufs aus intersektional-feministischen Perspektiven zu hinterfragen und zu diskutieren.
Auch inhaltlich war der Anspruch der Unconference hoch: Es sollten Brücken geschlagen werden zwischen den Schweizer Landesteilen und ihren Sprachen, zwischen akademischen und nicht-akademischen Historiker*innen, zwischen Forschung, Archiv und Vermittlung und zu den Historikerinnentagungen der 1980er und 1990er Jahre. Um den Schweizer Sprachen gerecht zu werden, wurden die Teilnehmenden zunächst auf Französisch begrüsst, dann auf Deutsch und Englisch. Über die Tagung hinweg wurden verschiedene Tools angewandt, um die Mehrsprachigkeit umzusetzen. So dienten Online-Pads als Übersetzungshilfe und Teilnehmende, die beider Sprachen mächtig sind, übersetzten fortlaufend, etwa simultan in kollaborativen Online-Dokumenten oder beschränkt auf eine Kurzzusammenfassung. Um die Brücke von den vor Jahrzehnten durchgeführten «Historikerinnentagungen zur Historiker*innen-Unconference» zu schlagen, gab die erste Plenumsveranstaltung am Freitagmorgen, einer der wenigen im Voraus bekannten Programmpunkte, «Inputs zum Auftakt». Einer der vielleicht grössten Unterschiede zu diesen Vorgängertagungen ist das diversere Publikum. Dies spiegelt die Entwicklungen hin zu einem intersektionalen Feminismus wider, bei dem neben strukturell bedingten, als frauenspezifisch verstandenen Anliegen insbesondere auch Perspektiven weiterer Geschlechter mit einbezogen werden.
Im Plenum erfuhren einige der Themen der Historikerinnentagungen eine Wiederauflage. Unter der Moderation von ANNA DE QUERVAIN (Bern) diskutierten NOEMI STEUERWALD (Bern), BÉATRICE ZIEGLER (Aarau), PAULINE MILANI (Fribourg) und BARBARA RETTENMUND (Basel) vier grosse Themenblöcke: Vernetzung, prekäre Arbeitsbedingungen, feministische Geschichte sowie Aktivismus. Diese Themenfelder waren als Inspiration für weiterführende Fragen und potentielle Sessions gedacht. Die Podiumsdiskussion offenbarte, dass sich zwar einige Strukturen gebessert haben, etwa durch Professuren, die nun dezidiert einen geschlechtshistorischen Schwerpunkt aufweisen. Dennoch kristallisierten sich anhaltende Problematiken heraus, die strukturell bedingt sind. So gebe es eine zu grosse «Bringschuld» von Forschenden mit geschlechtsspezifischen Themen und in der universitären Lehre. An Schulen hätten feministisch-intersektionale Perspektiven noch keinen Eingang gefunden, was unter anderem dadurch bedingt sei, dass diese Themen oftmals als «aktivistisch» abgetan würden. Besonders erhalten hätten sich die prekären Arbeitsbedingungen und schwierige Finanzierungsmodelle, vor allem in der Forschung und Lehre, aber auch im freien Markt, die meistens strukturell bedingt sind.
So viele Problematiken benannt wurden, so wurden auch einige Lösungsansätze betont. Die Tagungen der 1980er und 1990er Jahre waren Vernetzungsveranstaltungen, die Frauen mit ähnlichen Themen zusammenführten und fehlende Universitätsstrukturen ausglichen. Dabei seien Netzwerke sowohl inner- wie ausserhalb von Academia essentiell, da sie unterstützend wirken: feministische Geschichtsgruppen oder anderes feministisches Empowerment schafften echte Chancen und Freiräume. Besonders wurde auf die Rolle von Frauen in oberen Hierarchiepositionen verwiesen: Sie spielten eine wichtige Rolle in grundlegenden Veränderungen, da sie ihre Privilegien teilen könnten. Auch helfe eine generelle Systemänderung hin zu flacheren Hierarchien. Um dies zu erreichen, seien Quoten sinnvoll: Sie seien zwar kein Allheilmittel, doch seien sie ein konkretes Zeichen «von oben». Von den Podiumsteilnehmerinnen wurde schliesslich gefordert: Trotz oder gerade wegen dieser strukturellen Probleme der schweizerischen Geschichtslandschaft solle man sich an diesen zwei Tagen der Unconference die «Närr*innenfreiheit» zurückholen.
Ob die Forderung nach «Närr*innenfreiheit» und die angeschnittenen Themen des Podiums aufgehen würden, um die insgesamt 16 Sessions zu vergeben? Die Anspannung war dem Organisationsteam anzumerken, schliesslich hing davon der Grossteil des Programms ab. Die Erleichterung war gross, als alle vier Blöcke mit jeweils vier parallellaufenden Sessions gefüllt werden konnten. Feministische Solidarität, wie sie leibt und lebt.
Als Besonderheit der Unconference führte die Gosteli-Stiftung – Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung – ihre jährlich stattfindenden Gosteli-Gespräche innerhalb dieser Veranstaltung durch und bespielte zwei der Sessions am Freitag. Die Rolle des Archivs und des Archivierens als historische Praxis für feministische Geschichte sollte in diesem Rahmen in den Blick genommen werden. Die zwei Sessions und das Podium am Samstag bildeten den zweiten bereits im Voraus bekannten Pfeiler der Unconference. In der ersten Gosteli-Session ging es unter der Leitung von LINA GAFNER und SIMONA ISLER um «Feministische Archivpraxis». Dabei beleuchteten Archivmitarbeitende gemeinsam mit Forschenden die Herausforderungen und Missverständnisse der Archivarbeit. Sie diskutierten, was «feministische Archivpraxis» bedeutet: für das Archivgut, für die Wissenschaft, das Archiv und insbesondere für die Forschenden.
In der zweiten Session diskutieren die Teilnehmenden über «Pionierinnen, Freundinnen, Kollektive: Wie Geschichte(n) von Frauen erzählen?». Zentral war dabei, ob und wie Frauengeschichte sich von männlicher Heroengeschichte unterscheidet. Nach einem kurzen Input von Lina Gafner debattierten Kleingruppen diese Fragen bezüglich Forschung, Archiv und Vermittlung. So wurde vorgeschlagen, dass im Archiv Nachlässe einzelner Personen als Netzwerk, also mit Bezügen zu anderen Personen und Institutionen, hinterlegt werden könnten. Hinterfragt wurde auch, ob es noch «Pionierinnen» braucht oder ob Frauen stattdessen als Teil von Netzwerken dargestellt werden sollten: Die Teilnehmenden waren sich uneins. So brauche es zwar immer noch das Alleinstellungsmerkmal einer «besonders herausragenden Leistung», zugleich seien alle Menschen viel komplexer und immer auch Teil von Netzwerken. Auf «Pionierinnen» folgten teilweise ebenso spannende Persönlichkeiten, deren Sichtbarkeit ebenfalls gestärkt werden sollte.
Parallel dazu fanden jeweils drei weitere Sessions statt. Im ersten Block ging es um «Berufliche Selbstständigkeit» (MARISA BIRRI), «Art and the Artist?» (ASHOKA VARDHAN MANCHALA) und «Queer(ing) history» (ELIOT GISEL). Die Session zu beruflicher Selbstständigkeit war ein Hands-On-Workshop, bei dem zwei freischaffende Historikerinnen von ihren individuellen Berufswegen sowie den Vor- und Nachteilen der Selbstständigkeit berichteten. Es gäbe nicht den einen Weg, so der Konsens. Auch hier seien Netzwerke und Grundkenntnisse des Unternehmer*innentums von Vorteil, ebenso eine Prise Mut und Zuversicht. Die Sessions von Gisel und Vardhan Manchala waren geschichtstheoretischer Natur: Sie hinterfragten die bisherigen historischen Erzählungen sowie den vorherrschenden Kanon und beleuchteten Ansätze der Queering und decolonizing history.
Im zweiten Sessionblock ging es um «Kollaborative Oral History im akademischen Kontext» (JULIAN STOFFEL), «Wie Methoden und Perspektiven mit Student:innen besprechen» (JOSÉPHINE MÉTRAUX) und «Meistererzählungen in der Schule verändern» (EVA HUG). In den drei Sessions offenbarten sich fehlende best practices, etwa dabei, wie das Forschungssubjekt ernster genommen (Oral History), die Forschung weniger hierarchisch gestaltet und Geschichte insbesondere in der Schule jenseits der bisherigen Meistererzählungen vermittelt werden kann. Als inhaltlicher Abschluss des Tages stellten die Teilnehmenden im Plenum die jeweiligen Ergebnisse und Fragen der insgesamt acht Sessions vor, ehe der Tag bei regem Austausch und einem gemeinsamen Apéro den Ausklang fand.
Der zweite Tag wurde mit dem zweiten Podiumsgespräch «Feministisch archivieren – feministisch erzählen» eröffnet, das gleichzeitig als Abschluss der Gosteli-Gespräche fungierte. Lina Gafner und Simona Isler stellten JUDITH GROSSE (St. Gallen), SONJA MATTER (Bern), MATTHIAS RUOSS (Fribourg) sowie BETTINA STEHLI (Bern) Fragen nach feministischer Forschung, Vermittlung und feministischem Archivieren. Besonders das Archiv solle mehr sein als «Kisten in einer Kiste» und dem Anspruch von Allianzen, Freundschaften und Beziehungen gerecht werden. Nach einem Input der Podiumsteilnehmenden, bei der diese je eine These präsentierten, wurde unter ihrer Leitung in World-Cafés diskutiert. Die These von Sonja Matter beschäftigte sich mit der Sichtbarmachung von Frauen im Historischen Lexikon der Schweiz, dem sie vorsteht, etwa durch lokal genutztes Wissen und Diversifizierung, was sowohl eine Würdigung wie eine Kenntlichmachung bedeuten könne. Judith Grosse fragte, wie die «dirty groundwork of history» zu einer feministischen Archivpraxis der Archivarinnen als «leisen Aktivistinnen» werden könne. Auch vonseiten der «Erzählenden» wurden die Quellen in den Mittelpunkt gerückt. So soll Matthias Rouss zufolge mit feministischer Geschichtsschreibung jenseits der Zeitgeschichte ein «Schock des Neuen» provoziert werden. Laut Bettina Stehlis These sind Quellen mehr als totes Archivmaterial – vielmehr könne Oral History dazu beitragen, dass eine differente Subjektwerdung möglich werde, indem Quellen ernst genommen würden. Die Schwierigkeiten des feministischen Archivierens wurden durch den Einwurf bekräftigt, dass die Archivierungspflicht in der Schweiz nur für Behörden und staatliche Akteur*innen gilt, nicht aber für Privatpersonen und -körperschaften – weshalb Historiker*innen immer noch auf die «dirty groundwork» der ihnen zur Verfügung gestellten Quellen angewiesen sind.2
Nach einer kurzen Kaffee- und Austauschpause begann der dritte Sessionteil. Es wurde über «Aktivismus und Forschung» (MILO PROBST), ein «Frauenmuseum in der Schweiz» (MARTHA BEÉRY-ARTHO), «Multilingualism in Swiss research and working world» (LUCIA LEONI) sowie «Wissenschaftskommunikation/Forschung und ‹sensible› Materialien» (LISA GOTTSCHALL) diskutiert. Gegenstand der «Aktivismus-Session» war dessen Grenze: Wann fängt Aktivismus an? Die Teilnehmenden vertraten unterschiedliche Ansätze und Vorbehalte. Deutlich wurde jedoch, dass es den Aktivismus nicht gibt und es nicht immer in den eigenen Händen liegt, wenn unbequeme Forschung als «Aktivismus» abgetan wird, um so ihren Wert zu schmälern. Einig waren sich die Teilnehmenden darüber, dass auch «aktivistisch» motivierte Forschung die Regeln des guten wissenschaftlichen Arbeitens einhalten müsse. Ein bestimmtes Narrativ darf also nicht durch das Zurechtkonstruieren von Quellen bedient werden. In der Session zum «Frauenmuseum» wurde es hingegen sehr konkret: Die Teilnehmenden überlegten, wie Frauengeschichte etwa als schweizerisches Online-Museum zugänglich werden könne – so könnten wichtige Orte und damit verknüpfte Ereignisse und Personen auf einer Karte der ganzen Schweiz hinterlegt und so das Museum und Frauengeschichte an verschiedenen Orten sichtbar gemacht werden.
Nach der kurzen Mittagspause begann die letzte einstündige Sessionseinheit mit den Themen «Frauengeschichte / Feminismus als Freiheitspraxis» (BETTINA STEHLI) und «Temps et travail» (ANNE-VALÉRIE ZUBER), die kurzerhand zu einer fusionierten, sowie «Solidarität vs. Wettbewerb / Inclusion communautés historiennes» (SALOME BERTSCHI, ZOÉ KERGOMARD) und «The Public Historian» (SARAH SCHEIDMANTEL). Während die Teilnehmenden der ersten beiden Sessions darüber reflektierten, wie feministische Arbeit auch aktiv im Beruf gelebt werden kann und dabei Lösungen wie Netzwerke, Safe(r) Spaces oder Arbeits- und strategische Allianzen aufgezeigt wurden, ging es in der dritten Session um die Positionierung als Historiker*in im öffentlichen Diskurs. Dabei wurden Strategien erarbeitet, die den Schritt in die Öffentlichkeit erleichtern. Hilfreich ist es etwa, die eigene Forschung anschlussfähig an öffentliche Debatten zu machen oder bei Interviewanfragen drei Kernpunkte zu definieren, die vorrangig vermittelt werden sollen. So gibt es nicht die richtige Kommunikation. Es lohne sich, mutig zu sein und die Bühne einzunehmen, so das Plädoyer.
Im Abschlussplenum kamen die Teilnehmenden zuerst über die auf Flipcharts festgehaltenen Sessionergebnisse ins Gespräch und artikulierten mithilfe von Post-Is Kommentare. Anschliessend wurde in Kleingruppen das Erlebte der vergangenen zwei Tage reflektiert und verschiedene Gedanken, Wünsche und Ideen für die Zukunft formuliert. Besonders wurden weitere Vernetzungsmöglichkeiten genannt, etwa Epochendialoge oder Mentoring, ebenso die Forderung, die Museen stärker mit einzubeziehen – und vor allem: die Organisation weiterer (ähnlicher) Unconferences.
Zum Abschluss bestand die Möglichkeit, Bern beim Stadtrundgang «Queer durch Bern – Eine Zeitreise gegen den Strom» mit MARCELLE HUGENTOBLER und THERESE STUBER-BACHOFNER besser kennenzulernen und die Unconference ausklingen zu lassen.
Die intensiven zwei Unconference-Tage waren auf vielfältige Weise besonders, was vor allem am partizipativen Format und am Ernstnehmen der Schweizer Vielsprachigkeit lag. Bereits die Zusammensetzung der Teilnehmenden aus Forschung, Vermittlung und Archiv schaffte ein fruchtbares Fundament, auf dem kritischer Austausch über die Geschichtswissenschaften und ihren aktuellen Status als Teil der Akademie, aber auch als Teil der Gesellschaft möglich wurde. Die Forderung nach zwei Tagen «Närr*innenfreiheit» hatten die Teilnehmenden gemeinsam umgesetzt: Die partizipative Ausrichtung der wechselnden Sessions, die immer wieder neue Konstellationen hervorbrachte, verstärkte den Netzwerkcharakter, weil die Teilnehmenden in kurzer Zeit durch das gemeinsame Arbeiten an den Sessionthemen die anderen Gruppenmitglieder besser kennenlernten. Dies wurde durch die räumlichen Wechsel und die Pausen weiter verstärkt. So vielfältig die Themen waren, so zeigten sie alle, dass viele der Thematiken der vergangenen Historikerinnentagungen nach wie vor hochaktuell sind. Inhaltliche Fragestellungen entwickelten sich teilweise weiter, doch strukturelle Probleme existieren immer noch in allen Feldern der Geschichtswissenschaften, über die es zu sprechen hilft und für die Netzwerke eine Lösung schaffen können.
Anmerkungen
1 Dieser Bericht entstand im Auftrag des Organisationsteams und infoclio.ch.
2 Dieser Bericht wurde am 17.9.2024 an dieser Passage geändert. Die erste Version des Berichts wurde am 11.7.2024 publiziert. Wortlaut der Version vom 11.7.2024: Die Schwierigkeiten des feministischen Archivierens wurden durch den Einwurf bekräftigt, dass es in der Schweiz kein Gesetz zur Archivabgabe gibt – weshalb Historiker*innen immer noch auf die «dirty groundwork» der ihnen zur Verfügung gestellten Quellen angewiesen sind.
Programm
Welcome und erste Plenumsveranstaltung «Inputs zum Auftakt: Von den Historikerinnentagungen bis zur Historiker*innen-Unconference»
Einstiegsrunde: Sammeln der Sessionvorschläge
Sessionblock 1
• Feministische Archivpraxis (Gosteli-Stiftung)
• Berufliche Selbstständigkeit (Marisa Birri)
• Art and the Artist? (Ashoka Vardhan Manchala)
• Queer(ing) history (Eliot Gisel)
Sessionblock 2
• Pionierinnen, Freundinnen, Kollektiv: Wie Geschichte(n) von Frauen erzählen? (Gosteli-Stiftung)
• Kollaborative Oral History im akademischen Kontext (Julian Stoffel)
• Wie Methoden und Perspektiven mit Student:innen besprechen (Joséphine Métraux)
• Meistererzählungen in der Schule verändern (Eva Hug)
Abschluss im Plenum
Welcome und zweite Plenumsveranstaltung «Feministisch archivieren – feministisch erzählen»
Sessionblock 3
• Aktivismus und Forschung? (Milo Probst)
• Frauenmuseum in der Schweiz (Martha Beéry-Artho)
• Multilingualism in Swiss research and working world (Lucia Leoni)
• Wissenschaftskommunikation und «sensible» Materialien (Lisa Gottschall)
Sessionblock 4
• The Public Historian (Sarah Scheidmantel)
• Frauengeschichte / Feminismus als Freiheitspraxis (Bettina Stehli)
• Solidarität vs. Wettbewerb / Inclusion communautés historiennes (Salome Bertschi / Zoé Kergomard)
• Temps et travail (Anne-Valérie Zuber)
Abschluss im Plenum
Stadtrundgang «Queer durch Bern – Eine Zeitreise gegen den Strom»