Hinter Mauern – Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen von 1880 bis 193

2. Oktober 2022 bis 16. April 2023
Ausstellung

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts eigneten sich Psychiater und Psychiaterinnen das neue Bildmedium der Fotografie an, denn es versprach, naturgetreu abzubilden, was sich vor dem Objektiv befand. Daher haben sich in vielen Kliniken Bestände von Glasdiapositiven, Fotoabzügen und Fotoalben erhalten, die bisher noch nie untersucht wurden. Die Diapositive wurden bei Lichtbildvorträgen vor Kollegen oder dem Pflegepersonal eingesetzt, manche Bilder in der Fachliteratur veröffentlicht.
Aber was sollte anhand der Porträts der Betroffenen erkennbar werden? Über die Vermutung, eine "Geisteskrankheit" zeige sich an äusseren Merkmalen wurde an der Schwelle zum 20. Jahrhundert viel diskutiert. Heute wird vielmehr die Aufnahmesituation erkenntlich und die Rolle, wie die Fotografie damals in der Diagnostik eingesetzt wurde. Es waren "gestohlene" Bilder.
Andere Aufnahmen liessen die Kliniken von professionellen Studios aufnehmen. Sie sollten der Öffentlichkeit ein Vertrauen erweckendes Bild vom Leben in einer Anstalt vermitteln, das ja weitestgehend "hinter Mauern", unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Auf diesen Bildern sind saubere, helle Innenräume, gepflegte Parkanlagen und arbeitende Patientinnen oder Patienten zu sehen.
Eine dritte Gruppe zeigt die bescheidenen Abwechslungen wie Tanzanlässe, Jahrmärkte, Zirkus oder Theateraufführungen, die das monotone Leben in der Anstalt auflockerten. Mit Feuereifer organisierte beispielsweise Hermann Rorschach in Münsterlingen und Herisau solche Anlässe. Die Psychiaterin Marie von Ries-Imchanitzky, eine Assistenzärztin in der Waldau bei Bern, fotografiert selbstbewusst sich und ihre Abteilung und auch künstlerische Aktivitäten der Patienten wie den zeichnenden Adolf Wölfli.
Die Bildkonvolute zeigen eine Verhandlung über die Grenzen der Normalität. Es ist wichtig, sie zu erhalten und zu zeigen, denn sie stellen einen Fundus an Wissen dar: über die Psychiatrie jener Zeit, darüber, wie sich die Wissenschaft des neuen visuellen Mediums bediente – und wie prekär dieses Wissen war und heute noch ist. Die Bestände visualisieren Mechanismen des Ein­ und Ausschliessens. Die Ausstellung gibt Gelegenheit, sich mit diesen Mechanismen auseinanderzusetzen.
Ein Ausstellungsprojekt von der Kunsthistorikerin Prof. Dr. Katrin Luchsinger und dem Kunstmuseum Thurgau.

Organisiert von
Kunstmuseum Thurgau

Veranstaltungsort

Kunstmuseum Thurgau
Kartause Ittingen
8532 
Warth

Zusätzliche Informationen

Kosten

CHF 0.00