Harz, Holzkohle, Pottasche im Raum Schweiz. Gewerbliche und hauswirtschaftliche Waldprodukte im Übergang zur „Industriegesellschaft“

AutorIn Name
Daniel
Plüss
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2022/2023
Abstract

 

Aus produktorientierter Perspektive wird der Wald vorwiegend als Holzlieferant aufgefasst, was das Nutzungspotential allerdings nur unzulänglich abbildet. In der Vergangenheit existierten zahlreiche weitere Waldprodukte, die je nach Region eine gleichwertige Bedeutung wie Bau- und Brennholz einnahmen, etwa Harz, Holzkohle und Pottasche. Diese drei Waldnutzungsformen erfuhren im Übergang zur „Industriegesellschaft“ nicht einen linearen Rückgang, sondern waren uneinheitlich und mit regionalen Unterschieden von Phasen des Auf- und Abschwungs geprägt und überdauerten in unterschiedlicher Intensität bis ins 20. Jahrhundert. Gegenwärtig scheint besonders das Harz wieder an Bedeutung zu gewinnen und findet in einigen Kleinbetrieben bei der Herstellung von Naturkosmetik Verwendung. Neben der Rekonstruktion der Bedeutung und Entwicklung der genannten Waldnutzungsformen fokussiert die Masterarbeit besonders auf den Diskurs zu Harz, Holzkohle und Pottasche in drei ausgewählten Zeitschriften. Zwei davon fanden ihren Ursprung in der Ökonomischen Aufklärung als Hauptpublikationsorgane der Oekonomischen Gesellschaft Bern respektive der Gesellschaft landwirthschaftlicher Freunde in Bündten. Eine dritte Schrift kann der frühen Phase der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft zugeordnet werden und erschien vorwiegend unter dem Titel Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen. Die untersuchten Artikel fallen in einen Zeitraum von 1760-1912 und zeichnen sich durch ihren anweisenden Charakter aus.

In den beiden Zeitschriften der ökonomischen Sozietäten von Bern bzw. Chur konnte übergreifend eine hohe Wertung der drei nicht-hölzernen Produkte festgestellt werden, was sich an Zuschreibungen wie „vorzüglich“, „unentbehrlich“, „dem Land notwendig“ oder „von vielfältigem Nutzen“ zeigte. Die Auseinandersetzung wurde in den beiden Zeitschriften allerdings mit abweichenden Schwerpunkten geführt. Im Berner Periodikum lief die Diskussion zur Holzkohle vorwiegend im Kontext der knappen Energieversorgung der Stadt Bern sowie des rhetorisch beklagten Holzmangels ab, wobei der Fokus auf alternativen Brennstoffen lag. Das Harz und die Pottasche beschrieben die Verfasser der Artikel häufig als den Holzertrag stark tangierende Waldnutzungsformen und betonten die Notwendigkeit einer strengen Regulierung, die eine Auslagerung an die peripheren Grenzen vorsah.

In der Zeitschrift der Churer Sozietät drang der Diskurs über eine knappe Energieversorgung kaum an die Oberfläche; eine im Berner Periodikum zu findende Substitutionsbestrebung der Holzkohle konnte nicht beobachtet werden. Umso ergiebiger reflektierten die Bündner Patrioten die drei Forstressourcen aus hauswirtschaftlicher Perspektive und zeigten unter Einbezug enzyklopädischer Literatur das Nutzungspotential dieser Produkte für Haus und Hof vermehrt auf. Zudem setzten sich einige Verfasser mit dem Problem auseinander, dass einzelne Holzbestände in entlegenen Wäldern energetisch nicht sinnvoll verrückbar seien, und betonten besonders die Gewinnung der Pottasche als vorteilhafte Waldnutzungsform, um stärker auf das stoffliche Zentrum Wald zugreifen zu können.

Auch von den Verfassern der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen wurde die Harznutzung höchst kritisch diskutiert. Entgegen den Berner Patrioten monierten die Forstexperten in erster Linie aber nicht den Verlust an Bau- und Brennholz, sondern äusserten Bedenken über ein unkalkulierbares Risiko eines Käferbefalls, das von den zur Harzgewinnung genutzten Stämmen ausgehen würde und bereits in mehreren Regionen zur Verwüstung ganzer Waldstriche geführt habe. Trotz der für schädlich gehaltenen Praktik werteten die Verfasser das Harz nicht ab, betonten jedoch dessen Nützlichkeit im Vergleich zu den ökonomischen Patrioten in dezenterer Ausdrucksweise. Hinsichtlich der Harznutzung konnte zudem eine Ausdifferenzierung bei der Untersuchung des Produktwertes festgestellt werden, die von einer stärkeren Reflexion der Waldprodukte unter monetären Kriterien zeugt. Mit Angaben aus der deutschen Forstliteratur berechnete der Forstexperte Franz Fankhauser jr. den Harzertrag und schlussfolgerte aus seinem Ergebnis, dass die Harznutzung kein rentabler Wirtschaftszweig mehr sei. Auch die Köhlerei reflektierten einige Forstexperten unter dem Aspekt der Rentabilität und fokussierten dabei auf den Wald als Produktionsraum.

Im ausgehenden 19. und Anfang des 20. Jahrhundert schien sich einigen Forstexperten ein neuer Blickwinkel auf die Harznutzung und die Köhlerei zu eröffnen. In der Retrospektive dokumentierten zwei Verfasser (Merz 1895, Schönenberger 1912) erstmalig das Kohlebrennen sowie die Harznutzung in einem würdigenden Lokalbericht und setzten sich mit vergleichsweise ungewohnten Aspekten wie der Bedeutung für die ansässige Bevölkerung auseinander.

Mehrheitlich unberücksichtigt bleibt in den Beiträgen der Forstzeitschrift die Pottasche, obwohl Mitte des 19. Jahrhunderts die herkömmliche Produktionsweise noch nicht der Vergangenheit angehörte.

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