Freie Wechselkurse als befreite Signifikanten? Diskursiven Ähnlichkeiten zwischen der Währungstheorie Milton Friedmans und der Zeichentheorie Roland Barthes' zwischen 1950 und 1974 im Kontext währungspolitischer Umbrüche

AutorIn Name
Dominik
Gross
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Jakob
Tanner
Institution
Neuzeit
Ort
Zürich
Jahr
2011/2012
Abstract
In meiner Arbeit möchte ich die Währungstheorie des amerikanischen Ökonomen Milton Friedman und die Zeichentheorie des französischen Literaturwissenschaftlers Roland Barthes aus einer theorie- und wissensgeschichtlichen Perspektive in Beziehung zueinander setzen. Als im Frühling 1973 das internationale Währungssystem der Nachkriegszeit (‚Bretton Woods’) zusammenbrach und an die Stelle eines Gold-Devisenstandards das „freie Floating“ der Wechselkurse zwischen den Währungen der kapitalistischen Welt trat , schrieb der französische Literaturwissenschaftler Roland Barthes in einem Zeitschriftenbeitrag: „Die Sprache gleicht dem wirtschaftlichen System, sobald dieses die Goldwährung aufgibt [...].“ Nach Barthes hätten wir es hier mit Systemen zu tun, die sich ihrer – diese Systeme selbst transzendierenden – Souveräne ent-ledigt hätten, und fortan die Werte ihrer Elemente im immanenten Spiel gleichberechtigter Relationalitäten bestimmten – also gewissermaßen „demokratisiert“ worden sind. Diente von 1944 bis 1973 das Gold, vermittelt über die Leitwährung des Dollars, als Richtgröße zur Festlegung fixer Wechselkurse in der kapitalistischen Welt, sollten nun flexible Wechselkurse, gebildet an welt-weiten Devisenmärkten, die „Fundamentaldaten“ der einzelnen Volkswirtschaften „unverfälscht“ repräsentieren. Damit wurde fortan auf einen Marktmechanismus als selbstregulative Kraft gesetzt, mit dem die Hoffnung auf „automatischen“ Ausgleich der nationalen Zahlungsbilanzen verbunden war. In diesen geldgeschichtlichen Entwicklungen sieht Barthes eine Analogie zur Strukturali-sierung der Linguistik, die um 1900 unter anderen Ferdinand de Saussure in Genf vorangetrieben hatte: Saussure, so Barthes, „befreite“ den Signifikanten (Ausdrucksanteil des Zeichens) aus dem Diktat des Signifikaten (Inhaltsanteil des Zeichens) und beschrieb die Bildung eines Wortwertes (der Gegenstandsbereich des Wortes) damit als systemimmanente Aushandlung zwischen gleich-berechtigten Zeichenanteilen (gewissermaßen die ‚Währungen der Sprache’). Für ein System der freien Wechselkurse hatte einer der führenden amerikanischen Ökonomen des Monetarismus, Milton Friedman, bereits ab 1950 plädiert. Flexible Wechselkurse, gebildet und vermittelt durch weltweite Devisenmärkte, waren in Friedmans Theorie wesentliche Funktionen in einem Währungssystem, das den Idealen der „freien Marktwirtschaft“ nahe kam. Sie boten für Friedman eine zuverlässige Absicherung gegen die „Verfälschung“ des Marktgeschehens durch währungspolitische „Eingriffe“ der Zentralbanken (als ‚Lenders of Last Resort’ die ‚Dei ex Ma-china’ des Finanzsystems) und Schatzmeister, die in gouvernemental regulierten Finanzsystemen nach monetaristischer Auffassung nicht zu vermeiden waren. In der Arbeit soll die These vertreten werden, dass in beiden Theoriediskursen mit den epistemologischen Prinzipien der Homöostase (Selbstregulierung) und der Emergenz (Selbsthervorbringung) operiert wird, womit diese in die Nähe zeitgenössischer Diskurse der Biologie oder der Kybernetik rücken. Gleichzeitig soll der Frage nachgegangen werden, ob diese Narrative der Homöostase und der Emergenz auch aus heutiger Sicht noch brauchbar sind, wenn es darum gehen soll, die historischen Umbrüche im globalen Finanzsystem der 1970er Jahre zu beschreiben. 1 vgl. Joseph Vogl: Das Gespenst des Kapitals, Zürich 2010, S. 83-115. 2 Roland Barthes: Saussure, das Zeichen, die Demokratie, in: Ders., Das semiologische Abenteuer, Frankfurt/M. 1988, S. 163. (franz. Orig. in: Le Discours Social, Nr. 3-4, Paris 1973) 3 vgl. Milton Friedman: The Case for flexible Exchange Rates, in: Ders., Essays in Positive Economics, Chicago 1953.

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