Frauen im italienischen Widerstand: Die Emilia Romagna, 1943-1945

AutorIn Name
Annika
Wanner
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2001/2002
Abstract

Allzu lange hat die Wissenschaft den Widerstand in Italien vornehmlich als Männersache dargestellt. Dabei hat aber vor allem die Arbeit von Claudio Pavone zu wichtigen Differenzierungen beigetragen: Die Auseinandersetzungen der Jahre 1943 bis 1945 werden nicht mehr nur als Befreiungskampf gegen die deutschen Besatzer betrachtet, sondern als regelrechter Bürgerkrieg aufgefasst. Unter dem Einfluss der angelsächsischen „gender history“ ist in den letzten Jahren der Rolle der Frauen im Widerstand stärkere Beachtung zuteil geworden.

 

An diesem Punkt setzt die Regionalstudie zur Emilia Romagna an. Sie geht dabei zwei zentralen Fragen nach:

 

1. Beruht der weibliche Widerstand in der Emilia Romagna auf längerfristigen Traditionen und Kontinuitäten oder stellte er doch etwas Neues dar?

 

2. Verleiht die prominente Rolle von Frauen dem Widerstand neben den Motiven des Befreiungskampfes und des vom Klassenkampf geprägten Bürgerkrieges noch eine weitere Dimension, nämlich die des feministischen Krieges?

 

Grundlage der Arbeit bildet neben der Auswertung der Literatur und gedruckter Quellen die Heranziehung von ungedrucktem Quellenmaterial und von Untergrundzeitungen. Hinzu kommen mündliche Berichte beteiligter Personen.

 

Nach einem einleitenden Teil und einer Begriffsbestimmung von Resistenza, Resistenza civile und Resistenza femminile folgt die Analyse historischer Zusammenhänge und Abläufe. In einer knappen Darstellung wird die Geschichte der Emilia vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Resistenza erzählt. Hier wird bereits angedeutet, dass es sich um eine ganz besondere Region handelt. Im folgenden Abschnitt über die Frauengeschichte der Emilia zeigen sich die spezifischen Wurzeln der späteren Widerstandsbewegung. Frauen, insbesondere die für die Region typischen Land- und Wanderarbeiterinnen (mezzadre, braccianti) übten sich nämlich schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in Formen des gewerkschaftlichen Kampfes und der politischen Arbeit. Bis nach dem Ersten Weltkrieg war die ArbeiterInnenbewegung sowohl auf dem Land wie in den Städten besonders ausgeprägt. Dies führte zur Herausbildung einer mächtigen faschistischen Gegenbewegung, die die Oberhand gewann. Dieser Teil der Untersuchung wird von einer Abhandlung über die Frauenpolitik der Faschisten abgerundet. Dabei wird die ambivalente Haltung der Faschisten zu den Frauen herausgearbeitet. Der sich seit 1940 immer stärker radikalisierende Krieg stellte das faschistische Frauenbild gänzlich infrage, denn Frauen wurden nun unbedingt für den Produktionsprozess benötigt, da viele Männer an der Front waren.

 

Schon vor 1943 gab es wiederholt Widerstand gegen die Herrschaft der Faschisten. Bei Streiks und öffentlichen Protesten traten gerade Frauen prominent in Erscheinung. Der Herrschaftsapparat antwortete zum Teil mit brutaler Gewalt, gab aber gelegentlich nach, wenn die Proteste als ausschliesslich wirtschaftlich motiviert interpretiert wurden und scheinbar keine Bedrohung für das System darstellten. So konnte sich trotz der staatlichen Unterdrückungspolitik der Kern eines militanten Potentials erhalten. Zudem gelang es den Behörden nie, die kommunistische Untergrundbewegung gänzlich auszuschalten.

 

In welcher Form und aufgrund welcher Motivation Frauen in der Emilia an diesem Widerstandskampf teilnahmen, wird im letzten Teil der Arbeit detailliert untersucht. Deutsche Verbrechen an Frauen, insbesondere sexuelle Gewalt, waren sicherlich ein motivierender Faktor. Hinzu kam auch nachweislich das Bedürfnis jüngerer Frauen, Widerstand als emanzipatorischen Akt zu leisten, also zur Verbesserung der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Dies wurde das Hauptmotiv für die Teilnahme der Frauen. Frauen waren in der Emilia in allen Organisationsformen des Kampfes beteiligt, am wenigsten noch auf parteipolitischer Ebene. Sie traten gerade auch bei den bewaffneten Verbänden hervor, was den emanzipatorischen Akt des Widerstandes unterstrich. In den rein weiblichen Organisationen wie den „Gruppi di difesa delle donne“ wurde ebenfalls von Emanzipation gesprochen. Vorsichtiger, aber doch eindeutig kam dieses Thema in den von Frauen verfassten Untergrundzeitschriften zur Sprache. Eher unausgesprochen, jedoch symbolhaft drückte sich der Wunsch nach einer neuen Frauenrolle im spontanen Widerstand und in der „maternage“ aus, als Frauen geradezu als Beschützerinnen für die verfolgten Männer auftraten. So können am Schluss die eingangs gestellten Fragen überzeugend beantwortet werden.

 

1. In der Emilia gab es eine lange Tradition weiblichen Widerstandes und Protestes. Allerdings traten während der Resistenza Spannungen zwischen den Generationen auf, denn die jüngeren Frauen tendierten dazu, den emanzipatorischen Aspekt des Kampfes stärker zu betonen.

2. Da der Krieg gegen den Faschismus eben auch die Frauen betraf und weil die Kriegführung eindeutig feministische Tendenzen aufwies, würde es zu kurz greifen, nur von einem Klassenkampf, einem Bürgerkrieg und einem Befreiungskrieg zu sprechen. Es war eben auch ein feministischer Krieg, nach dessen Beendigung allerdings zunächst eine patriarchalische Restaurationsphase einsetzte.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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