Feindliche Brüder? Alfred Escher und der Winterthurer Stadtpräsident Johann Jakob Sulzer (1821–1897)

Referent: Peter Niederhäuser, lic. phil. I, Historiker Die Konkurrenz zwischen Zürich und Winterthur ist sprichwörtlich – und doch nur die halbe Wahrheit. Lange stand Winterthur im Schatten des grossen Nachbarn an der Limmat; erst im 19. Jahrhundert änderte sich die Situation. Die grosse Zeit des Wandels beginnt nach 1850 und ist in Zürich mit der Person von Alfred Escher, in Winterthur mit Johann Jakob Sulzer verknüpft. Gehört Escher zu den bekanntesten Schweizern dieser Periode, so geht Sulzer in der kollektiven Erinnerung vergessen. «Verlierer» haben bekanntlich keine Geschichte, passend zum Nationalbahndebakel, das wenig später Winterthur erschütterte. Es wäre allerdings falsch, die Geschichte vom Ende her zu betrachten. Escher wie Sulzer stehen beide für eine Epoche, welche in Zürich wie in Winterthur zahlreiche Neuerungen und Umwälzungen brachte. Sie waren beide Protagonisten eines Aufbruchs, der ausserhalb der Schweiz als «Gründerzeit» charakterisiert wird, innerhalb der Schweiz aber keine allzu grosse Aufmerksamkeit geniesst. Zu Unrecht, denn Bauten wie die ETH in Zürich oder das Stadthaus in Winterthur repräsentieren eine Zeit der Dynamik, der Öffnung und der grossen Pläne, die ihresgleichen sucht. Abgesehen von ihrem Tätigkeitsfeld waren sich die beiden Politiker näher, als ihnen vielleicht lieb war. Escher wie Sulzer machten fast die gleiche Karriere, mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass Escher lange Zeit einen Schritt vor Sulzer war. Diese Rivalität im Alltag ging nahtlos über in eine persönliche Abneigung und förderte letztlich wohl auch unterschiedliche politische Vorstellungen, welche dann die städtische Politik von Zürich wie Winterthur in den 1860er- Jahren prägten. Was im Nebelspalter neckisch als «Hahnenkampf» dargestellt wurde, bestimmte bis in die Gegenwart das Verhältnis der beiden benachbarten Städte.