Wie organisierte die Schweiz ihre Ernährungssicherung? Überlegungen, wie der kontinuierliche Zufluss von Nahrungsmitteln sichergestellt werden kann, begleiteten die menschliche Geschichte seit Urzeiten. Auch der Schweizer Bundesstaat legte sich Strategien zurecht, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Die Arbeit untersucht diese Massnahmen aus verschiedenen Perspektiven.
Wirtschaftstheorien nahmen einen grossen Stellenwert in der Gesamtausrichtung der Ernährungssicherung ein. Sie erklärten und rechtfertigen die Quellen, die Versorgungsleistung generierten. Der liberale Bundesstaat setzte auf Freihandel und brachte dem Versorgungssystem Weltmarkt grosses Vertrauen entgegen. In der Folge stiegen die Getreideimporte und Korn wurde kaum mehr selbst angebaut. Diese einseitige Ausrichtung der Landwirtschaft wurde problematisch, als sich Importrückgänge ankündeten und Unterversorgungen zu bewältigen waren. Die Reaktion bestand in einer staatlich aufgezogenen Ernährungssicherung, die dann übernahm, wenn Marktstörungen auftraten. Die entsprechenden Bestimmungen verankerten das duale System von möglichst weitgehender Wirtschaftsfreiheit in der Friedenswirtschaft und staatlicher Vorsorge für Kriegszeiten, das die Schweizer Ernährungssicherung seither prägte.
In der Nachkriegszeit wurde dieses System ausgebaut. Die Ernährungssicherung gedieh so weit, dass eine vorbereitete Planung jederzeit hätte aus der Schublade gezogen werden können. Die Berechnungen für diese Planungen wurden mit neuartigen Computern durchgeführt, welche die optimale Ausgestaltung der Selbstversorgung mittels linearer Programmierung aus vielen Gleichungssystemen ermittelten. Theoretisch hätte die Schweiz im Kalten Krieg innerhalb von vier Jahren auf eine komplette Autarkie umstellen können.
Voraussetzung für eine Notfallversorgung war jedoch, dass genügend Land vorhanden war, auf das sich eine autarke Ernährung in der Kriegswirtschaft hätte stützen können. Wachstumsprozesse im Rahmen der „grossen Beschleunigung“ strapazierten diese sicherheitspolitischen Reserven zunehmend. Ökologische Alternativen hatten politisch einen schweren Stand. Just als die Möglichkeit einer Nahrungsmittelversorgung durch Flächenversiegelung und Bevölkerungswachstum immer fraglicher wurde und von neoliberaler Seite die Kostenfrage der Pflichtlagerhaltung thematisiert wurde, fiel mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein unmittelbares Kriegsrisiko weg.
Die Ernährungssicherung wurde um die Jahrtausendgrenze in rascher Abfolge eingekürzt. Die überschrittene ökologische Tragfähigkeit machte eine Nahrungsmittelselbstversorgung illusorisch und die Vorratshaltung wurde auf wenige Monate reduziert. Seither sind Lebensmittelknappheiten aus dem Bedrohungsszenario der Schweiz verschwunden. Die kleinen Lagerbestände haben bloss noch eine Überbrückungsfunktion, falls die internationalen Stoffströme ins Stocken kommen sollten.
Die Arbeit stellt die These auf, dass das 20. Jahrhundert den Aufstieg und Niedergang der Ernährungssicherung als Konzept mit sich brachte. Die eingeschlagene Pfadabhängigkeit und die fragwürdigen Implikationen auf die Nachhaltigkeit könnten die zukünftige Relevanz der Thematik beeinflussen.