Dribbling an der Grenze: Die Entwicklung des schweizerischen Fussballsports während des Ersten Weltkriegs

AutorIn Name
Michael
Minder
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
PD Dr. phil
Daniel Marc
Segesser
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2023/2024
Abstract

Die Einführung des Fussballsports in der Schweiz geht auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Präsenz britischer Expats zurück. Die körperliche Ertüchtigung mit dem Lederball stiess zunächst primär in akademischen und kaufmännischen Kreisen auf Resonanz und war in den Anfangsjahren ein städtisches Phänomen. Nach relativ kurzer Zeit erlangte der Schweizer Fussball besonders über die Landesgrenzen hinaus einen exzellenten Ruf, da er zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Art Pionierrolle einnahm. Dies war darauf zurückzuführen, dass Schweizer massgeblich an der Etablierung des Fussballs in anderen Ländern beteiligt waren. In der Eidgenossenschaft selber blieb der Sport zunächst eine marginale Erscheinung, da das Turnen eine weitaus wichtigere Rolle in der körperlichen Erziehung der Bevölkerung einnahm. In der Zwischenkriegszeit erfolgte dann die Etablierung des Fussballs als Volkssport. Die historische Forschung hat sich bislang intensiv mit der Genese des Fussballs in der Schweiz sowie mit der Hochphase des Elfpersonensports in der Zwischenkriegszeit auseinandergesetzt. Eine eingehende Untersuchung über den Zeitraum während des Ersten Weltkriegs stand bislang jedoch aus, sodass sich diese Masterarbeit eines Forschungsdesiderats annimmt. Die Schweizerische Fussballzeitung stellt dabei die Hauptquelle für die Untersuchung des Fussballsports während des Ersten Weltkriegs dar. Das periodisch erschienene Druckerzeugnis wurde während des Krieges wöchentlich publiziert und berichtete über das fussballerische Geschehen in der Eidgenossenschaft.

 

Den methodischen Schwerpunkt der Arbeit bildet eine Diskursanalyse, die das Ziel verfolgt, die mediale Repräsentation des Fussballs im Printmedium zu untersuchen. Um die Thematik möglichst breit abzudecken, wird die Methodik durch eine historisch-hermeneutische Vorgehensweise ergänzt. Auf diese Weise lässt sich erklären, welche Diskurse für den Fussballverband und dessen Verbandsorgan während des Ersten Weltkriegs von Bedeutung waren und was den Schweizer Fussballsport zu dieser Zeit thematisch prägte.

 

Die Untersuchung belegt, dass sich der Fussball zur Zeit des Ersten Weltkriegs in einer ambivalenten Phase befand. Ein beträchtlicher Anteil aktiver Fussballspieler absolvierte den Militärdienst an der Grenze und schrieb in der Zeitung über das dortige fussballerische Geschehen. Einige Offiziere erkannten das Potential des Sports und integrierten ihn in den Militäralltag. Berichte zeigen, dass zahlreiche Männer, die zuvor keine Berührungspunkte mit der Ertüchtigung am Lederball hatten, durch dessen Ausführung im Militär einen positiven Zugang zum Fussballsport fanden. Es lässt sich zudem konstatieren, dass die Fussballzeitung sowie der Fussballverband stets Wert auf eine sehr positive Berichterstattung über den Fussball legten und aktiv Propaganda für den Sport machten. Die Fussballbegeisterten erkannten die Möglichkeit einer zukünftig grösseren gesellschaftlichen Anerkennung der Ertüchtigung mit dem Ball und versuchten durch ihr Handeln den Fussballsport voranzubringen. Die positive Propaganda zielte zudem darauf ab, den in der Gesellschaft noch immer negativ behafteten Vorurteilen gegen den Fussballsport entgegenzuwirken.

 

Es lässt sich jedoch auch feststellen, dass der Sport durch den Krieg erheblichen Problemen ausgesetzt war. Die Generalmobilmachung hatte zur Konsequenz, dass den Clubs vor allem in den ersten Kriegsjahren zahlreiche aktive Fussballspieler fehlten, was regelmässig in Spielverschiebungen resultierte. Des Weiteren führten die durch den Krieg bedingten Importschwierigkeiten zu erheblichen Problemen in der Durchführung der jeweiligen Saison. Dies war darauf zurückzuführen, dass der Staat die Fussballfelder landwirtschaftlich umnutzte oder der Fahrplan der SBB erheblich eingeschränkt war. In Verbindung mit der zu Kriegsende grassierenden Spanischen Grippe führten diese Faktoren massgeblich dazu, dass der Fussballverband während des Kriegs nur mit Mühe und Not den Spielbetrieb aufrechterhalten konnte und einen Mitgliederschwund verzeichnete. Bereits in den ersten Jahren nach dem Krieg stiegen die Mitgliederzahlen signifikant an und übertrafen deutlich die Verhältnisse, die noch vor dem Krieg bestanden. Diese Entwicklung lässt darauf schliessen, dass der Fussballsport sich von den Kriegswirren rasch erholte. Es kann angenommen werden, dass der während des Militärdienstes ausgeübte Fussballsport einen bedeutenden Beitrag zur späteren Popularisierung der sportlichen Betätigung in der Zwischenkriegszeit leistete. Infolgedessen lässt sich der Schluss ziehen, dass der Krieg in gewisser Weise die Ausbreitung des Fussballsports förderte. Die Zeit während des Ersten Weltkriegs hatte einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung des schweizerischen Fussballsports, da in dieser Periode eine Vielzahl von grundlegenden und den Sport nachhaltig beeinflussenden Entscheidungen fielen.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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