Die Wehrpflichtkrise von 1917. Mehr als ein Konflikt zwischen den Anglo- und Frankokanadiern

AutorIn Name
Michael
Saladin
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
PD Dr.
Daniel
Segesser
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2009/2010
Abstract
Mit dem Kriegseintritt von Grossbritannien am 4. August 1914 befand auch Kanada sich im Krieg mit den Mittelmächten, da die Erklärung im Namen des gesamten „British Empires“ erfolgte. Die Grösse des Engagements lag aber im Ermessen der kanadischen Regierung unter dem konservativen Premier Robert Borden. Insgesamt dienten 600‘000 Kanadier in militärischen Formationen. 60‘000 Männer kehrten nicht lebend zurück. Die hohen Verluste im Feld und der ständige Ausbau der Streitkräfte liessen Zweifel aufkommen, ob das System der freiwilligen Verpflichtung genügen würde. Ab dem Frühjahr 1916 fielen auch die Rekrutierungszahlen kontinuierlich. Die wichtigste Ursache dafür war die Tatsache, dass eine Mehrheit der bisherigen Freiwilligen britische Einwanderer waren und dieses Reservoir langsam ausgeschöpft war. Nach seinem Besuch von London und der Westfront im Frühjahr 1917 kündigte Premier Borden am 18. Mai seine Absicht zur Einführung der Wehrpflicht an. Um grössere Akzeptanz zu schaffen bildete Borden sein Kabinett in eine Union aus Konservativen und abtrünnigen Liberalen um. Da im Dezember Parlamentswahlen anstanden, wurden diese Wahlen zu einem indirekten Referendum über die Wehrpflicht hochstilisiert. Dabei verfolgte die Regierung die Strategie, die Anglokanadier gegen die Frankokanadier auszuspielen Die Wahl endete mit einem überwältigenden Sieg der Unionisten. Die Umsetzung der Wehrpflicht verlief 1918 nur schleppend, da 90% der aufgerufenen Männer einen Antrag auf Befreiung der Dienstpflicht stellten. Trotzdem konnte die geforderte Zahl von zusätzlichen 100‘000 Soldaten bis Kriegsende erreicht werden. Enorm wichtig für die britischen Kriegsanstrengungen waren aber auch die Lieferungen der kanadischen Industrie und Agrarwirtschaft. Die Forschung zur Wehrpflichtkrise von 1917 ist sehr stark auf die Auseinandersetzung zwischen dem englischsprachigen Landesteil und Québec fokussiert. Viele umfassende Werke und Aufsätze gehen auf die Verweigerungshaltung von Québec ein. Andere Oppositionsgruppen wie Gewerkschafter, Farmer und Pazifistinnen werden in den Standardwerken aber nur ungenügend erwähnt. Nur einige Aufsätze zu spezifischen Gesellschaftsgruppen thematisieren ihre Rolle in der Wehrpflichtfrage. In dieser Studie wurden die Argumente der kanadischen Regierung und des Establishments für den freiwilligen und den obligatorischen Wehrdienst untersucht. Diese Themen wurden von den angesprochenen Gruppen unterschiedlich aufgenommen und teils mit Gegenargumenten beantwortet. Daher waren die Argumentationslinien, ihre Aufnahme bei den Zielgruppen und ihre weitere Entwicklung die eigentlichen Gegenstände der Untersuchung. Es wurde auch beleuchtet, wie die Argumente und die sozioökonomischen Verhältnisse in Kanada miteinander agierten. Dadurch konnten einige Brüche in der damaligen Gesellschaft definiert werden, die sich in der Haltung zur Wehrpflicht manifestierten und auch die Nachkriegsjahre prägten. Quellen waren dabei die Propagandaposter der Kriegsjahre, insbesondere Rekrutierungsplakate, aber auch die Parlamentsdebatten, der Canadian Annual Review und regionale Zeitungen. Als Ergebnis konnten einige Argumentationslinien herausgearbeitet werden. Die erste hatte die Nationswerdung von Kanada durch die Taten der kanadischen Soldaten zum Thema. Jeder in der Bevölkerung war dazu aufgerufen, seinen Teil zum Sieg beizutragen, um die Truppen zu unterstützen. Im Wahlkampf wurde dies mit dem Motto „Wehrpflicht annehmen oder aus dem Krieg ausscheiden“ überspitzt. Als zweiter Strang tat sich das Thema der nationalen Einheit hervor, die mit einem Neuanfang in der Politik und der Gesellschaft einhergehen sollte. Staatliche Institutionen sollten eine Fürsorge für die Veteranen bereitstellen und die Teuerung bekämpfen. Finanziert werden sollte das Ganze mit staatlichen Abgaben. Drittes Thema war der selektive Aspekt der Wehrpflicht. Männer in kriegswichtigen Tätigkeiten sollten von der Dienstpflicht befreit werden. Damit sollten ganze Gesellschaftsgruppen wie die Farmer und Industriearbeiter angesprochen werden, da diese sich dadurch Hoffnungen auf eine Befreiung machen konnten. Der vierte und grösste Strang war die Verteidigung der britisch-protestantischen Institutionen gegen den Militarismus der Preussen und den katholischen Autoritarismus der Frankokanadier. Dabei wurden die beiden Feindgruppen häu- fig vermischt und gleichgesetzt. Cleavages manifestierten sich auf den folgenden Ebenen: Religion (Protestanten-Katholiken), Stadt-Land, soziale Schichten (Arbeiter/Farmer-Establishment), Regionen (junger Westen-alteingesessener Osten), Zivilbevölkerung-Soldaten, Ethnien (Anglokanadier-Frankokanadier/eingewanderte Kontinentaleuropäer) und Geschlechter (Frauenrechtsbewegung-Konservative).

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