Die Schweiz fährt aus. Wahrnehmungsmuster bezüglich mobilitätsrelevanter Freizeit im Zeichen des schweizerischen Umweltdiskurses 1959-1988

AutorIn Name
Lukas
Oechslin
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Ueli
Haefeli
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte in der Schweiz eine Phase neuartigen Wirtschaftswachstums ein, welche die vergangenen Wachstumsperioden des 19. und 20. Jahrhunderts bei weitem übertraf und verantwortlich dafür war, dass die Schweiz ab den 1950er Jahren einen gesamtgesellschaftlichen Wandel von der „Industrie-“ in die „Konsum-“, resp. „Freizeitgesellschaft“ vollzog. Brachte das neue Wachstum viele positive Effekte mit sich, wie beispielsweise den Anstieg des allgemeinen Wohlstands, der arbeitsfreien Zeit, oder aber auch des Zugangs zu Mobilität, so führte es ebenso zu negativen Folgeerscheinungen, vor allem im Bereich der natürlichen Umwelt. Diese sah sich im Zuge der neuen Entwicklungen immer stärkerer Übernutzung, Verbauung und Verschmutzung ausgesetzt; ein Problemkomplex, welcher verlangte, dass die Schweizerinnen und Schweizer ihre Wahrnehmungsmuster bezüglich der Umwelt im Verlaufe der 1970er und 1980er Jahre der neuen Ausgangslage entsprechend anpassten und die daraus erwachsenen Umweltschutzbestreben bis ins Jahr 1988 auf politisch- rechtlicher Ebene institutionalisierten. Einen zentralen Beitrag zu den negativen Auswirkungen des neuartigen Wachstums auf die Umwelt leistete dabei die Zunahme des Mobilitätsaufkommens seit den 1950er Jahren, vor allem im Automobil und im Rahmen der neu verfügbaren freien Zeit. Es erstaunt jedoch, dass Freizeitmobilität – als freiwillige Mobilität – trotz des neuen Bewusstseins für ihre schädigende Umwelteinwirkung und den entsprechenden Schutzbestrebungen weiterhin anstieg. Es stellt sich also die Frage, ob die handlungsleitenden Wahrnehmungsmuster im Bereich „mobilitätsrelevanter Freizeit“ resistent waren gegenüber der sich verändernden gesellschaftlichen Umweltwahrnehmung. Diese Frage bildet das Erkenntnisinteresse der Masterarbeit ab, welche sich entsprechend mit der folgenden Fragestellung beschäftigt: Werden in der Schweiz der Jahre 1950 bis 1988 die gesellschaftlichen Wahrnehmungsmuster bezüglich mobilitätsrelevanter Freizeit durch den Umweltdiskurs beeinflusst? Anhand einer historisch-kritischen Diskursanalyse von insgesamt 114 Ausgaben der drei journalistischen Quellen Wir Brückenbauer, Touring und Schweiz untersucht die Arbeit entsprechend die in den Quellen dargestellten Wahrnehmungsmuster bezüglich der gesellschaftliche(n) Funktion(en) mobilitätsrelevante Freizeit (1) sowie bezüglich der Rollen der wichtigsten dafür verwendeten Mobilitätswerkzeuge (öffentlicher V erkehr und motorisierter Individualverkehr) (2). Des Weiteren wird erhoben, welches Natur-, bzw. Umweltverständnis den Diskurs bezüglich mobilitätsrelevanter Freizeit über die Zeit der Analyse hinweg in den Quellen prägte (3) und welchen Einfluss dies auf (1) und (2) hatte. Abschliessend werden die daraus gewonnen Resultate mit den Entwicklungen im Umweltdiskurs verglichen – unter Berücksichtigung der allgemeinen ereignisgeschichtlichen Prozesse der Zeit zwischen 1950- 1988 – und somit die Resultate der Quellenanalyse im Hinblick auf die Fragestellung synthetisiert. Dabei zeigt sich, dass die gesellschaftlichen Wahrnehmungsmuster bezüglich mobilitätsrelevanter Freizeit durch den Umweltdiskurs beeinflusst wurden. Blieben die Vorstellungen in Bezug auf die gesellschaftliche(n) Funktion(en) mobilitätsrelevanter Freizeit grossteils unberührt von den Entwicklungen im Umweltdiskurs, so hatten letztere definitiv einen Einfluss auf die Diskussion um die Rolle der einzelnen Mobilitätswerkzeuge in der mobilitätsrelevanten Freizeit. Einerseits schwappte ein Teil der aus dem Umweltdiskurs erwachsenen Kritik am Automobil auch auf die Diskussion um dessen Verwendung im Bereich mobilitätsrelevanter Freizeit über. Andererseits gewann der vom Automobil immer stärker verdrängte öffentliche Verkehr durch diese Kritik mitunter an neuer Popularität. Grundsätzlich steht also auch der Diskurs zu mobilitätsrelevanter Freizeit im Zeichen der sich verändernden Umweltwahrnehmung in der Schweiz. Die Resultate der Arbeit zeigen jedoch zusätzlich auf, dass mobilitätsrelevante Freizeit über den gesamten Zeitraum der Analyse hinweg als wichtiger Kontrast zu den als tendenziell immer umfassender empfundenen alltäglichen (Arbeits-) Zwängen wahrgenommen wurde. Im Diskurs, wie er in den analysierten Quellen abgebildet ist, symbolisiert sie die Möglichkeit zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung und Freiheit. Dementsprechend hatte die veränderte Umweltwahrnehmung schliesslich nur eine verhältnismässig geringe Wirkung auf die zentralen Wahrnehmungsmuster bezüglich mobilitätsrelevanter Freizeit. Dies, da die Handlungsanforderungen, welche sich aus dem Umweltdiskurs an individuelle Freizeitmobilität ergaben, mit dem den Diskurs bezüglich mobilitätsrelevanter Freizeit dominierenden Freiheitsanspruch zu grossen Teilen nicht vereinbar waren.

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