Die „severischen" Kaiser von 235 bis 260 n. Chr. Untersuchungen zur Soziologie der römischen Augusti von Maximinus Thrax bis Valerian

AutorIn Name
Thomas
Schär
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Heinz
Herzig
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
1997/1998
Abstract

Im Jahre 235 n. Chr. fiel im Legionslager von Mainz der römische Kaiser Severus Alexander der Usurpation seines Generals Maximinus Thrax zum Opfer. Damit endete die Zeit der severischen Dynastie, die 193 n. Chr. mit der Herrschaft des Septimius Severus begonnen hatte, und es folgten bis 284 n. Chr. die fünf Jahrzehnte turbulenter Kaisergeschichte, die in der modernen Geschichtsschreibung gemeinhin als das Zeitalter der "Soldatenkaiser'' bezeichnet werden. Als charakteristisch für die Soziologie dieser „Soldatenkaiser'' gelten ihre fast ausschliesslich militärischen Karrieren (sogenannte virimilitares, die teils aus den untersten Chargen der Armee aufstiegen), eine entsprechend einseitige (Aus-)Bildung und - damit verbunden - die zunehmend geringere politische und ideologische Bindung an das Zentrum Rom, an den Senat und an die historisch weit zurückreichenden Wertvorstellungen und Ideale Roms. Dazu kommt ihre Abstammung aus bis dahin unbekannten Familien sowie ihre Herkunft aus immer periphereren Gebieten des Reichs (insbesondere aus den Militärprovinzen im Donauraum). Karl Christ (1988) spricht daher von einer „neuen Species des römischen Herrschertums".

 

Diesem nach wie vor verbreiteten Bild der römischen Kaiser des 3. Jahrhunderts stellt die Lizentiatsarbeit die These entgegen, dass sich eine erste Generation der sogenannten „Soldatenkaiser" in soziologischer Hinsicht mit guten Gründen noch als „severische" Kaiser bezeichnen lässt, nämlich Maximinus Thrax (235-238 n. Chr.), Gordian 1. und II., Pupienus und Balbinus (alle 238), Gordian III. (238- 244), Philippus Arabs (244-249), Decius (249-251), Trebonianus Gallus (251-253), Aemilius Aemilianus (253) und Valerian (253-260). Oder anders formuliert: Es gab über das Jahr 235 n. Chr. hinaus eine Kontinuität an der Spitze des Imperiums, die bis 260 n. Chr. reichte und somit einer scharfen Epochengrenze, wie sie für das Jahr 235 n. Chr. oft behauptet wird, zuwiderläuft.

 

Ausgangspunkt der Untersuchung war die Tatsache, dass in besagtem Jahr 235 n. Chr. neun der elf genannten Kaiser mindestens 30-jährig, sieben 45 oder älter, Maximinus Thrax schon über 60, Gordian 1. und Pupienus sogar über 70-jährig waren. Diese Kaiser hatten demnach ihre Karrieren gänzlich oder grösstenteils unter der severischen Dynastie absolviert oder waren darin zumindest so weit fortgeschritten, dass sie politisch und militärisch einflussreiche Stellen in der Reichsverwaltung übernehmen konnten (einem Senator wurden ab 30 Provinzen und Legionen anvertraut). Anzunehmen war somit auch, dass diese künftigen Regenten bereits in severischer Zeit in Beziehungsnetze und Lobbies eingebunden wurden, die noch weit über 235 n. Chr. hinaus von Bedeutung sein konnten.

 

Zunächst jedoch galt es die blossen Fakten zur kaiserlichen Soziologie zu sichern, d. h. die einzelnen Laufbahnen zu rekonstruieren (bzw. bestehende Rekonstruktionen zu überprüfen) und die Angaben zu geographischer, familiärer und sozialer Herkunft zusammenzutragen. Dies geschah anhand überwiegend literarischer Quellen griechischer und lateinischer Autoren, deren Liste von Werken aus der Zeit selbst (Herodian) bis zu byzantinischen Chroniken des 12. Jahrhunderts (Zonaras) reichte. Wer die Quellenlage für das 3. Jahrhundert kennt, weiss, dass hier die Ergebnisse im einzelnen zwangsläufig lückenhaft ausfallen und vieles Vermutung und Hypothese bleiben muss. Trotzdem konnten in Bezug auf die zentrale These einige relevante Aussagen gewonnen werden:

(a) Neun der elf untersuchten Augusti gehörten zum Zeitpunkt ihrer Machtübernahme dem ordo senatorius an, acht von ihnen hatten sogar den Rang von consulares erreicht. Dies schliesst zwar nicht aus, dass einige von ihnen Emporkömmlinge aus dem Ritterstand (homines nov1) und somit ehemalige Offiziere waren (Pupienus, Decius), gewöhnliche Soldaten aber waren sie nie gewesen. Vielmehr stehen sie hinsichtlich ihrer Herkunft und Laufbahn noch ganz in der Tradition ihrer Vorgänger des 1. und 2. Jahrhunderts (so waren etwa schon Vespasian und Septimius Severus homines novi gewesen).

(b) Zwei Augusti, Maximinus Thrax und Philippus Arabs, gelangten direkt aus dem Ritterstand auf den Thron, wovon sich der erstere tatsächlich nachweislich aus den untersten Rängen der Armee hochgedient hatte, und zwar dank verschiedener Funktionen in unmittelbarer Nähe der Kaiser Septimius Severus, Caracalla und Severus Alexander.

 

(c) Wie für Maximinus Thrax liess sich auch für fast alle übrigen Kaiser belegen oder doch vermuten, dass sie ihre Karriere in irgendeiner Form der severischen Dynastie verdankten. Gerade hier zeigte sich besonders deutlich, dass eine „severische Kontinuität" über das Jahr 235 n. Chr. hinaus bestand. (d) Acht der elf bis 260 n. Chr. regierenden Kaiser liessen sich bereits in den Nachfolgekämpfen von 235 und 238 n. Chr. in politisch aktiver Rolle fassen. Daraus war zumindest zu erahnen, wie sehr die Periode bis 260 n. Chr. noch von den aus severischer Zeit stammenden Lobbies, Loyalitäten und Beziehungsnetzen geprägt war.

 

(e) Ein kurzer Ausblick auf die Soziologie der Kaiser nach 260 n. Chr. zeigte, dass die Kontinuität erst hier einen Bruch erlitt, indem nun fast ausschliesslich Prätendenten aus dem Ritterstand den Thron besetzten, die im Zuge von Galliens Heeresreformen zu professionellen Heereskommandeuren geworden waren. Erst nach 260 n. Chr. begann somit ein eigentliches ,,Zeitalter der Soldatenkaiser", aus dem schliesslich auch der Reformer Diokletian (284-305 n. Chr.) sowie die Dynastie Konstantins d. Gr. (306-363) hervorgingen.

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