Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Kodirektion
PD Dr. Daniel Marc Segesser
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2017/2018
Abstract
Seit ihrem Bestehen ist die Post eine im Alltag präsente Institution, die mit den wirtschaftlichen, verkehrstechnischen, kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen in weitreichender Wechselwirkung steht. So bewegt und bewegte die Post nicht nur Dritte, sondern wird und wurde auch immer wieder selbst stark bewegt. Wie dem Titelzitat dieser Masterarbeit zu entnehmen ist, war dies zur Zeit des Ersten Weltkriegs in ganz besonderem Masse der Fall. Die schweizerische Post, welche sich bis dahin in all ihren Tätigkeitsbereichen (Brief-, Paket-, Geld-/Banken- und Reisepost) zu einem für die Schweiz sehr bedeutenden Betrieb entwickelt hatte, erlebte durch den Krieg in vielerlei Hinsicht eine einschneidende Zäsur. Ziel dieser Masterarbeit ist es, den Einfluss ebendieser turbulenten Zeit auf das Schweizer Postwesen abzubilden. Weder von Seiten der Postgeschichte noch von Seiten der Geschichte des Ersten Weltkriegs hat diese Frage bisher nennenswerte wissenschaftliche Beachtung gefunden. Im Fokus stehen die Herausarbeitung wichtiger Konstanten sowie Brüche und deren (kurzfristige) Konsequenzen. Im Rahmen einer nebengeordneten Fragestellung konzentriert sich die Arbeit auf die Verhältnisse in Basel. Zur Untersuchung der gesamtschweizerischen Entwicklungen sind hauptsächlich die Geschäftsführungsberichte 1913-1919 sowie die Postamtsblätter und Verfügungen von Bedeutung. In Bezug auf Basel stehen Aktendossiers aus dem Postkreis Basel im Mittelpunkt, wobei besonders die sogenannten Kriegsakten, ein in keinem anderen Postkreis auftauchendes Aktenzeichen, analysiert werden. In erster Linie werden diese Quellen qualitativ-hermeneutisch, ergänzend aber auch quantitativ ausgewertet.
Die Untersuchung zeigt auf, dass die schweizerische Post und insbesondere der Postplatz Basel im Zuge des Ersten Weltkrieges heftige Umwälzungen erlebten. In verschiedensten Belangen musste der normale Postalltag von heute auf morgen umgestellt und völlig veränderten Bedingungen angepasst werden. Im Wesentlichen können sieben Bereiche identifiziert werden, in denen markante durch den Krieg initiierte Entwicklungen vonstattengingen: Erstens betreffen sie den personellen Bereich, bedingt durch die Mobilisierung eines Grossteils des Personals. Auf den 3. August 1914 mussten 5500 Mann einrücken, was 32.8% des Gesamtpersonals entsprach. Den Postkreis Basel, wo 44% des Personals mobilisiert wurden, traf es verglichen mit der gesamtschweizerischen Situation sogar noch härter. Zweitens sind Einschnitte bei der Brief-, Paket- sowie Geld- und Bankenpost im Inlands- und drittens im Auslandsverkehr zu beobachten, wobei sich die verschiedenen Sendungsgattungen sehr unterschiedlich entwickelten. Veränderungen traten nicht nur beim zu bewältigenden Volumen ein, sondern auch in Bezug auf die durch den Krieg verschiedenartig negativ beeinflusste Zustellung. Viertens entstand im Ersten Weltkrieg ein äusserst umfangreicher Kriegsgefangenen- und Interniertenpostverkehr. Diesbezüglich leistete die schweizerische Post im Sinne eines humanitären Engagements eine grosse Vermittlertätigkeit, übernahm sich im Endeffekt zumindest finanziell aber fast damit. Insgesamt wurden 715 Mio. Sendungen im damaligen Taxwert von 61.8 Mio. CHF befördert, wobei die Postsendungen zwischen Deutschland und Frankreich den Löwenanteil ausmachten. Dem Postplatz Basel kam mit der Umleitung der Kriegsgefangenenpaketpost insbesondere für Deutschland und Frankreich dabei eine sehr grosse Bedeutung zu.
Fünftens veränderte sich der Postbetriebsdienst allgemein und sechstens modifizierte der Krieg auch die Arbeitsverhältnisse der Postmitarbeitenden. Einerseits traf die Post Massnahmen zu Lasten der Kundschaft (Filialschliessungen und weitere Diensteinschränkungen) und andererseits Massnahmen zu Lasten des Personals (z.B. eingestellte Ruhetagsbezüge, längere Arbeitstage, vermindertes Einkommen), welche zusammen die Aufrechterhaltung des Postbetriebs trotz Einbussen gewährleisteten. Siebtens wurde die finanzielle Entwicklung des Unternehmens stark in Mitleidenschaft gezogen, da das Unternehmen 1914 ohne finanzielle Reserven dastand, der Weltkrieg bedeutende portofreie Zusatzleistungen forderte, das taxpflichtige Geschäft stark einbrach und umfangreiche Teuerungszulagen für das Postpersonal nötig wurden, was zusammen zur ersten und sogleich millionenhohen Defizitperiode der Post seit ihrer Gründung 1848 führte.
Die schweizerische Post musste also im Ersten Weltkrieg einen ständigen Balanceakt zwischen humanitären Aufgaben und finanziellem Defizit, zwischen Eigeninteressen und Kundenwünschen sowie zwischen Spartendenzen und zu erfüllendem Leistungsauftrag ausführen und erlebte dabei einschneidende Strukturveränderungen auf Personal- sowie Warenebene, die mit Kriegsende noch lange nicht abgeschlossen waren.