Diese Arbeit rekonstruiert und analysiert die liechtensteinische Einbürgerungspolitik von 1930 bis 1945 und stützt sich dabei auf Quellenmaterial aus dem Liechtensteinischen Landesarchiv in Vaduz (LLA) und aus dem Schweizerischen Bundesarchiv in Bern (BAR). Um die Dimension der Naturalisationen in den dreissiger und vierziger Jahren zu erfassen, wurden die Einbürgerungsakten im LLA quantitativ ausgewertet. Die politischen Rückwirkungen im Fürstentum liessen sich aus den verschiedenen Parteiorganen (Liechtensteiner Heimatdienst, Liechtensteiner Nachrichten, Liechtensteiner Vaterland, Liechtensteiner Volksblatt und Der Umbruch) und aus den Landtagsprotokollen erschliessen. Die aussenpolitische Komponente wurde durch das Studium der Regierungsakten im LLA und der relevanten Bestände des Eidgenössischen Politischen Departements, der Eidgenössischen Polizeiabteilung, der Eidgenössischen Fremdenpolizei sowie der Handakten von Dr. Heinrich Rothmund im BAR erhellt.
Liechtenstein betrieb seit den 1920er Jahren eine volkswirtschaftliche Nischenpolitik, die auf dem Betrieb einer Lotterie, dem Verkauf von Briefmarken sowie dem Gesellschafts- und Treuhandwesen fusste. Land und Gemeinden erschlossen auch das liechtensteinische Staatsund Gemeindebürgerrecht als Einnahmequelle, indem es an vermögende Ausländer gegen Taxen verliehen wurde. Von 1930 bis 1945 wurden so 394 Personen naturalisiert, bei einer Wohnbevölkerung von knapp 10’000 Menschen. Waren es zu Beginn der 1930er Jahre vornehlich vermögende Emigranten aus Osteuropa und Steuerflüchtlinge aus Deutschland, die um einen liechtensteinischen Pass ansuchten, kamen mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland auch jene hinzu, die vom Antisemitismus bedroht waren. Das Fürstentum sah sich in der Folge starkem Druck seitens Deutschland und der Schweiz ausgesetzt. Aufgrund der deutschen Pressekampagne und dem Entführungsversuch zweier jüdischer Brüder wurde 1934 ein neues Bürgerrechtsgesetz ausgearbeitet. Dieses Gesetz liess aber weiterhin Schlupflöcher offen, um Bürgerrechtswerber auch ohne vorherigen Wohnsitz aufzunehmen. Der schweizerische Druck führte 1941 zum so genannten Fremdenpolizeiabkommen, wodurch Einbürgerungen in Liechtenstein nur noch in Übereinstimmung mit dem Bundesrat vollzogen werden konnten. Vaduz akzeptierte zudem, dass die liechtensteinischen Neubürger von der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz, verbunden mit Erwerbstätigkeit, generell ausgeschlossen und dass unerwünschte Eingebürgerte aus dem Territorium der Eidgenossenschaft ausgewiesen werden konnten. Zudem konnte ihnen der diplomatische Schutz verweigert werden. Die beschriebenen Modifikationen im Einbürgerungsverfahren waren aber allein auf externe Kräfte (Deutschland sowie Schweiz) zurückzuführen, wohingegen die liechtensteinischen Kritiker (Liechtensteiner Heimatdienst, Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein) zumeist erfolglos operierten.
Abschliessend soll noch kurz ein Problemfeld der liechtensteinischen Einbürgerungspolitik gestreift werden. Ausländer, die schon seit Geburt im Fürstentum lebten, konnten sich die hohen Einbürgerungstaxen nicht leisten und unterstanden zum Teil der Kontrolle der NSDAP Ortsgruppe Liechtenstein. In einigen Fällen hatten Deutsche auch Wehrdienst zu leisten und mussten auf den Kriegsschauplätzen Europas ihr Leben lassen. Erst im September 1945 unternahm der neu gewählte Landtag in Vaduz einen ersten zaghaften Versuch, diese Problematik durch den Modus der „taxfreien Einbürgerung“ zu entschärfen. Dieser Problemkreis sollte jedoch die liechtensteinischen Politiker in den Nachkriegsjahren noch intensiver beschäftigen.