Das Waldsterben: Karriere eines Politikums. Eine historische Fallstudie zur Wahrnehmung und Bewältigung von Umweltgefährdungen in der Schweiz

AutorIn Name
Curdin
Vincenz
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Pfister
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
1997/1998
Abstract

Das Phänomen Waldsterben hat die Schweiz in den frühen achziger Jahren wie kaum etwas anderes bewegt. Wissenschaft, Massenmedien und das politische System waren dabei die zentralen an der Karriere des Themas Waldsterben beteiligten Akteure. Die Arbeit geht von diesen drei Bereichen aus. Das Hauptaugenmerk gilt aber den Denkenden und Handelnden im politischen System. Die thematische Karriere des Waldsterbens in Wissenschaft und Medien wird dagegen aufgrund bereits geleisteter Forschung anderer Autoren zusammengefasst. Vor diesem Hintergrund geht es dem Verfasser insbesondere um zwei Fragestellungen: 1. Wie hat das politische System der Schweiz auf das Phänomen Waldsterben reagiert und wie hat sich dadurch in historischer Sicht die schweizerische Umweltpolitik verändert? 2. Welches waren die Wechselwirkungen bei der Lancierung und Diskussion des Waldsterbens in der Schweiz zwischen Wissenschaft, Medien/Oeffentlichkeit und dem politischen

System?

 

Die Analyse der Rolle des politischen Systems der Schweiz, der sich der Hauptteil der Arbeit widmet, stützt sich - was die Parteien im Parlament, die Verwaltung und den Bundesrat anbelangt - einerseits auf die allgemein zugänglichen Dokumente wie Ratsprotokolle, Botschaften und Gesetzestexte. Andererseits konnten trotz der noch wirksamen Sperrfristen einige ungedruckte Bestände aus dem damaligen Bundesamt für Umweltschutz un die Protokolle der vorberatenden Parlamentskommissionen eingesehen werden. Ein Interview mit einer Schlüsselfigur in der Verwaltung bei den damaligen Diskussionen um das Waldsterben schärfte das Profil der gewonnenen Erkenntnisse. Neben der institutionellen Politik wurden auch die Positionen und Aktivitäten der meist betroffenen Interessengruppen (Autogewerbe, Umweltverbände) anhand der Verbandspresse untersucht. Theoretischer Rahmen für die Analyse waren zum einen Modelle, nach welchen Themen in immer gleicher Weise plötzlich öffentlichkeitswirksam waren und dann nach einem bestimmten Muster wieder aus den Diskussionen verschwinden. Zum anderen wurde mit Theorien über den Umgang mit Umweltthemen von Politik und Gesellschaft gearbeitet.

 

Die Arbeit zeigt, wie das Thema Waldsterben - von einigen wenigen Wissenschaftlern lanciert - den Weg in das politische System der Schweiz fand. Bis Mitte 1983 nur latent vorhanden, wurde das The- ma im Spätsommer von Bundesrat und Verwaltung medienwirksam lanciert. Dabei wurden erste Schadenanalysen präsentiert und das Waldsterben wurde, aus heutiger naturwissenschaftlicher Sicht verkürzt, vor allem als Folge von in der Schweiz entstandenen Stickoxiden dargestellt - eines Stoffes also, der vor allem im Strassenverkehr entsteht. Erst durch diese öffentliche Alarmierung kam in grossem Stil Bewegung ins politische System, in beispielloser Weise journalistisch begleitet von den Medien. Unter dem Eindruck einer elementaren Bedrohungslage wurde insbesondere der technische Umweltschutz im Verkehrsbereich, der in den siebziger Jahren nur schleppend vorangekommen war, forciert. Auf Widerstände stiessen aber verhaltensändernde Massnahmen im Strassenverkehr wie Geschwindigkeitsbeschränkungen. Mit der Luftreinhalteverordnung und mit dem Luftreinhaltekonzept wurden im Zuge der Debatten um das Waldsterben daneben umweltpolitische Instrumente geschaffen, die auch nach den ab 1985 versiegenden Debatten um das Waldsterben noch nachwirkten und bis heute von Bedeutung sind. Insgesamt unterstreicht die Arbeit nicht nur, welch grosse Umwälzungen dank der durch die Wissenschaft ausgelösten Debatten um das Waldsterben in der schweizerischen Umweltpolitik möglich wurden. Erhärtet wird auch die These, wonach die Promotoren einer Luftrein­ haltepolitik nicht nur in der Wissenschaft sondern auch in der Bundesverwaltung die Verkürzungen von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen in Kauf nahmen, um aus ihrer Sicht notwendigen Verbesserungen der Luftreinhaltepolitik endlich zum Durchbruch zu verhelfen.

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