Aufgrund der zunehmenden machtpolitischen und konfessionellen Spannungen zwischen den europäischen Mächten stieg in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts das Interesse der Republik Venedig an den Orten der alten Eidgenossenschaft und den Drei Bünden. Die Markusrepublik versuchte, durch den Abschluss einer Allianz mit den Drei Bünden sowie mit den Orten Zürich und Bern, den Zugriff auf die strategisch wichtigen Bündner Pässe und den Söldnermarkt der alten Eidgenossenschaft zu sichern. Um die venezianischen Interessen effektiver wahrnehmen zu können, residierten ab den 1610er Jahren Gesandte Venedigs in Zürich.
Anknüpfend an die neuere Diplomatie- und Verflechtungsgeschichte stehen die Residenten der Markusrepublik und die zum Netzwerk der venezianischen Gesandten gehörenden Akteure aus dem Corpus helveticum im Zentrum der Arbeit. Anhand der Ansprechpartner und Klienten Venedigs in Zürich, den Drei Bünden, Glarus sowie Uri werden die Zusammensetzung und das Funktionieren dieses stark durch informelle Beziehungen geprägten Netzwerks betrachtet. Die Quellengrundlage für die Masterarbeit bildet die Korrespondenz der venezianischen Gesandten aus dem Zeitraum von 1616 bis 1624, die sich in der Abschriftensammlung des Schweizerischen Bundesarchivs in Bern
befindet. Die Residenten schrieben regelmässig Depeschen an die Zentrale in Venedig und informierten die Entscheidungsträger der Markusrepublik über ihre Tätigkeit sowie die Geschehnisse an ihrem Einsatzort. Zudem agierten die Gesandten äusserst rechenhaft mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und sandten der venezianischen Obrigkeit detaillierte Abrechnungen über die während der Gesandtschaft entstandenen Kosten.
Zum einen pflegten die Residenten zur Förderung der venezianischen Interessen formelle Formen der Diplomatie. Zum anderen etablierten sie informelle Beziehungen zu Akteuren der lokalen Elite, die an die kulturellen und politischen Rahmenbedingungen des Missionsorts angepasst wurden. So gehörten u.a. Ratsherren, Militärunternehmer, Kaufleute und Geistliche zum Netzwerk der Gesandten der Markusrepublik. Je nach Beschaffenheit der anstehenden politischen Geschäfte oder der militärischen Lage agierten die Angehörigen dieses Netzwerks z.B. als Politiker, Soldoffiziere, Informanten, Logistik- und Finanzspezialisten. Die Akteure aus dem Raum der alten Eidgenossenschaft verfolgten mit ihren Beziehungen zu den Repräsentanten Venedigs jedoch auch eigene politische, konfessionelle und partikulare Interessen. Im Zuge der Reformation hatten sich in Zürich eigene Formen der Beziehungspflege herausgebildet, die sich von denjenigen der europäischen Fürstenstaaten sowie von denjenigen der katholischen Orte unterschieden. Die Residenten der Markusrepublik versuchten, diese unterschiedlichen Formen der Beziehungspflege in ihrem Vorgehen zu berücksichtigen. So setzten sie auf die Zusammenarbeit mit Teilen der Zürcher Geistlichkeit, die als informelle Vermittler zwischen den Residenten und den Akteuren der politischen Führungsschicht agierten. Zugleich bildeten die reformierten Zürcher Geistlichen ein wichtiges Bindeglied zu den reformierten Bündner Prädikanten. Ein Teil der politischen Elite Zürichs versuchte aber auch, die ihnen in den Kontakten mit den fremden Gesandten auferlegten Einschränkungen möglichst weit zu ihren Gunsten auszureizen.
Einer der Schwerpunkte der Untersuchung liegt bei den Zürcher Refugiantenfamilien Pebia und Orelli. Diese bestens vernetzten, aus dem Tessin und Veltlin stammenden protestantischen Kaufmannsfamilien verfügten über grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen. Die Residenten griffen auf die Kontakte der Refugianten zurück, wenn sie Finanzgeschäfte tätigten oder Kriegsmaterial
in die umkämpften Drei Bünde schaffen mussten. Zugleich vertrauten die Repräsentanten Venedigs den Refugiantenfamilien das Verteilen der venezianischen Pensionen an. Die Pebia und Orelli agierten auch als Vertreter der Gesandten Venedigs und erledigten sensible diplomatische Aufträge.
Ein weiterer Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Zusammenarbeit zwischen den Residenten und den Bündner sowie Glarner Soldunternehmern. Besonders die Vergabe von Offiziersstellen, aber auch die Durchführung von Werbungen sorgten hier teilweise für erhebliche Spannungen.
Der letzte Teil der Arbeit setzt sich mit der Tätigkeit der Gesandten Venedigs als Nachrichtenbeschaffer auseinander. Mithilfe der engen Beziehungen zu Akteuren aus der politischen und geistlichen Führungsschicht in Zürich und den Drei Bünden sowie zu einzelnen Klienten aus den katholischen Orten, verschafften sich die Gesandten Venedigs Zugang zu wichtigen Informationen. Über diese Kanäle gelangten die Repräsentanten der Markusrepublik an sensible Nachrichten aus den Räten, der Tagsatzung sowie aus dem Umfeld der Gesandten Spanien-Mailands.