Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Julia
Richers
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2017/2018
Abstract
Das „Hilfskomitee für die Opfer des Kommunismus“ war eine der zahlreichen antikommunistischen Organisationen, die in der Schweiz nach dem Ungarn-Aufstand von 1956 gegründet worden waren. So veranstaltete das Hilfskomitee während des Jahres 1958 die Unterschriftensammlung „zugunsten der in den ungarischen Konzentrationslagern inhaftierten Jugendlichen“, wodurch es internationale Aufmerksamkeit erregte. Daneben verkaufte es sogenannte Aufklärungsliteratur über das kommunistische Erziehungssystem in hohen Auflagen. Darin erinnerte das Hilfskomitee an die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes, prangerte die ungarische Führung öffentlich an und verlangte die Aufhebung der vermeintlichen „Kinder-Konzentrationslager“. Begleitet wurde diese Aktion von einer breit angelegten Werbekampagne. Die Schweizer Zeitungen berichteten insgesamt über 3’000 Mal von der Petition. Hunderttausende Werbebriefe wurden in die Haushalte der Schweiz gesendet. Sogar die Kinos warben für die Unterschriftensammlung. Zahlreiche prominente Schweizerinnen und Schweizer gehörten zu den Unterstützern des Hilfskomitees. Die politische Aktion der antikommunistischen Vereinigung war erfolgreich: Insgesamt konnten 150’000 Unterschriften verzeichnet werden. Der Präsident der Organisation reiste in die USA und präsentierte das Ergebnis persönlich dem damaligen Generalsekretär der UNO, Dag Hammerskjöld. Zahlreiche ausländische Vereine bekundeten dem Hilfskomitee brieflich ihre Sympathie. Die schweizerischen Bundesbehörden ernteten jedoch aufgrund ihrer passiven Haltung gegenüber dem Hilfskomitee harsche Kritik seitens der ungarischen Regierung.
Bereits wenige Jahre nach der Gründung verschwand die Vereinigung wieder von der Bildfläche. Heute ist das Hilfskomitee weitgehend unbekannt. In der Forschungsliteratur finden sich kaum Hinweise auf die Organisation, die seinerzeit noch zu zahlreichen hitzigen Debatten geführt hatte. Dies erscheint umso verwunderlicher angesichts der Tatsache, dass ihr Präsident der berühmte Schweizer Antikommunist und Gründer der Schweizerischen Osteuropabibliothek, Peter Sager, war. Neben Sager war Emil Wiederkehr, ehemaliger Pressechef der „Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe“, die zweite Schlüssel gur des Hilfskomitees. So verfasste er alle fünf von der Organisation publizierten Aufklärungsschriften.
In der Masterarbeit wird die Geschichte des Hilfskomitees erforscht. Die Fragestellung folgt den drei Stichworten „Intention – Organisation – Reaktion“. Im Feld der „Intention“ wird untersucht, mit welcher Motivation sich die Akteure dem Kampf gegen den Kommunismus verschrieben hatten und wie sie ihre Ziele mittels des Hilfskomitees verfolgten. Der Abschnitt zur„Organisation“ berücksichtigt alle strukturellen Fragen zum Hilfskomitee. Dabei wird einerseits untersucht, wie die Vereinigung aufgestellt und inwiefern sie mit anderen antikommunistischen Organisationen verbunden war. Auf der anderen Seite wird die Vorgehensweise des Hilfskomitees bei dessen politischen Aktionen beleuchtet.
In einem weiteren Teil der Arbeit liegt der Fokus auf der nationalen sowie internationalen „Reaktion“ auf die Tätigkeiten der Gruppierung.
Wie oben erwähnt, äusserten sich auch ungarische Stellen zum Hilfskomitee und dessen Unterschriftensammlung. Besonderes Gewicht wird in der Arbeit jedoch auf das Verhalten der schweizerischen Behörden gelegt. Sie gingen den Behauptungen des Vereins nach und stellten fest, dass in Ungarn keine Kinderkonzentrationslager bestanden und somit zentrale Aussagen des Hilfskomitees nicht den Tatsachen entsprachen. Der Bund befürchtete zudem eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Ungarn durch die politischen Aktionen des Komitees, weshalb er sich schliesslich klar von den Tätigkeiten der Organisation distanzierte. Anfang der 1960er Jahre legte die Organisation den Fokus vermehrt auf den Tibet und veröffentlichte eine erste Aufklärungsschrift über den chinesischen Kommunismus. Bald ging das „Hilfskomitee für die Opfer des Kommunismus“ immer mehr in der „Schweizer Tibethilfe“ auf, die später an zahlreichen Hilfsaktionen für tibetische Flüchtlinge beteiligt war und bis ins Jahr 2009 bestand. Zur Rekonstruktion der Geschichte des Hilfskomitees wurden erstmals zwei Dossiers aus Peter Sagers Privatnachlass untersucht. Um die Biographien der weiteren Akteure zu ermitteln, wurden u. a. das Staatsarchiv Luzern, das Archiv für Zeitgeschichte in Zürich sowie das Archiv der Nationalbibliothek und das Schweizerische Bundesarchiv in Bern konsultiert.