Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Hesse
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2017/2018
Abstract
In der bisherigen Forschung zur Universitätsgeschichte im Spätmittelalter standen vor allem soziostrukturelle Untersuchungen zu einzelnen Universitäten sowie der institutionalisierte Wissenstransfer im Fokus. In der vorliegenden Arbeit beschritt die Autorin einen anderen Weg.
In einer mikrohistorischen Untersuchung über die Vermögensverhältnisse der Herkunftsfamilien der Schaffhauser Universitätsbesucher wurde der Frage nach dem Stellenwert von ökonomischem Kapital als Voraussetzung für den Erwerb von kulturellem Kapital in Form von akademischer Bildung nachgegangen. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung ist einerseits durch die Gründung der nahegelegenen Universitäten Basel und Freiburg i. Br. im Jahr 1460, andererseits durch die Einführung der Reformation in Schaffhausen im Jahr 1529 definiert. Grundlage der Studie bilden sowohl die universitären Quellen, allen voran die Rektoratsmatrikel der jeweiligen Universitäten, als auch die Steuerund Behebbücher der spätmittelalterlichen Stadt Schaffhausen, in denen der zu entrichtende Steuerbetrag (Steuerbücher), beziehungsweise das deklarierte Vermögen (Behebbücher) aufgelistet wurde.
Für diesen Zeitraum von fast 70 Jahren konnten rund 103 Erstimmatrikulationen von Schaffhauser Studierenden an einer Universität im Alten Reich ermittelt werden. Mit 62 Studenten inskribierten sich mehr als die Hälfte der Schaffhauser an den beiden nahegelegenen Universitäten Freiburg i.Br. und Basel. Gut ein Drittel der Untersuchungsgruppe (34 Personen) schloss ihr Studium mit einem akademischen Grad, vorwiegend dem baccalaureus artium, ab. Für 13 Schaffhauser Universitätsbesucher konnte aufgrund ihrer Mittellosigkeit eine entweder vollständige oder teilweise Befreiung von der Immatrikulationsgebühr nachgewiesen werden.
Von den 103 Schaffhauser Universitätsbesuchern konnten 59 in den Schaffhauser Steuer- und Behebbüchern 41 Schaffhauser Geschlechtern zugeordnet werden. Um die deklarierten Vermögensbeträge dieser Herkunftsfamilien auswerten zu können, wurde zur Klassifizierung das im spätmittelalterlichen Schaffhausen angewandte Steuersystem mit drei Steuerklassen übernommen. Von den 41 Herkunftsfamilien der Schaffhauser Universitätsbesucher versteuerten mehr als zwei Drittel der Herkunftsfamilien ein Vermögen in der höchsten Steuerklasse (ab 252 Gulden). Diese Gruppe war sowohl bezüglich ihres sozialen Standes als auch des nanziellen Hintergrunds heterogen zusammengesetzt. 12 Herkunftsfamilien deklarierten etwa ein Durchschnittsvermögen von über 3’000 Gulden und zählten damit zu den reichsten Schaffhauser Familien. Von diesen 12 Geschlechtern waren vier in der Adelsgesellschaft der Herren, fünf in der Gesellschaft der Kaufleute und drei bei einer Zunft (Rebleute, Metzger, Schmiede) inkorporiert. Die Hälfte der Herkunftsfamilien deklarierten jedoch ein durchschnittliches Vermögen von 253 bis 3’000 Gulden. In der mittleren Steuerklasse (28bis252Gulden) lässt sich rund ein Drittel der Herkunftsfamilien verorten. Keine der Herkunftsfamilien der Schaffhauser Universitätsbesucher liess sich jedoch aufgrund des durchschnittlichen Vermögens in der niedrigsten Steuerklasse (bis zu 27 Gulden), von welcher ausschliesslich eine Kopfsteuer gefordert wurde, verorten.
Die Studie zeigt zum einen auf, dass innerhalb der städtischen Gesellschaft Familien mit unterschiedlichem sozialem und finanziellem Hintergrund in akademische Bildung für ihren männlichen Nachwuchs investierten. Rund die Hälfte der Herkunftsfamilien zählten aufgrund ihrer Vermögenswerte, aber auch ihrer sozialen und politischen Stellung innerhalb der städtischen Sozialstruktur zu der oberen Mittelschicht der Stadt. Diese Gruppe stammte mehrheitlich aus begüterten Zunftfamilien. Festhalten lässt sich, dass sich ein Viertel der Herkunftsfamilien der Schaffhauser Universitätsbesucher der unteren Mittelschicht zuordnen lässt und das übrige Viertel der städtischen Oberschicht. Zum anderen lässt sich durch die Analyse des wirtschaftlichen und sozialen Werdegangs einzelner „Akademikerfamilien“ neben dem sozialen Stand auch aufzeigen, zu welchem Zeitpunkt, bei welchem Vermögensstand und in welcher Generation in akademische Bildung investiert wurde.