Zu den herausragenden Ereignissen der spanischen Geschichte zählt der Aufstand der „comuneros“ von 1520–1522. Bei dieser Erhebung der grossen Landesstädte handelt es sich um eine Revolte, an der sich die Bürgerschaft, der Niederadel, die Zünfte und die Bauern beteiligten. Die sozialgeschichtlich orientierte Forschung hat den Aufstand als „frühbürgerliche Bewegung“ klassifiziert. Kurz gesagt, handelt es sich bei den „comunidades“ um eine Bewegung, die vom jungen König Karl von Gent im Frühjahr 1520 ausgelöst worden war. Der Eindruck der Fremdherrschaft, den er hinterliess, löste eine politische Krise aus, die den Grossteil des Landes erfasste und schliesslich in einem Bürgerkrieg endete, den der königstreue Hochadel für sich entschied. Die Ziele der Aufständischen wurden im Oktober 1520 in der Form einer Wahlkapitulation formuliert. Dieses gesetzgeberische Werk postulierte die Verteidigung des Gemeinwohls, die Vermehrung des Krongutes sowie die Herstellung des Reichsfriedens, die Wahrung der städtischen Privilegien und der allgemeinen Reichsgesetze. Die Stossrichtung ihrer Forderungen zielte nicht allein auf eine stärkere Partizipation der Stände in den Cortes, sondern vielmehr noch auf die Institutionalisierung eines Städtetages mit triennaler Periodizität, den Ausbau der kommunalen Autonomierechte und die Zurückdrängung der königlichen Mediatisierung, die Sicherung der Unabhängigkeit der Hofgerichte, die Durchsetzung des Indigenats, die Einführung zahlreicher Kontrollinstanzen sowie die generelle Bindung der königlichen Gewalt an die Reichsgesetze.
Viele monographische Untersuchungen haben der gesellschaftlichen Vielschichtigkeit des Aufstandes Rechnung getragen. Die Arbeit wählt insofern einen anderen Ansatz, als sie sich dem Untersuchungsgegenstand primär auf zwei methodischen Pfaden nähert, nämlich über den begriffs- und den verfassungsgeschichtlichen Zugang.
Der methodische Ansatz der Begriffsgeschichte erzwingt hier deshalb eine multiperspektivische Herangehensweise, weil Quellen unterschiedlicher Provenienz herangezogen worden sind. Historische Ereignisse werden von verschiedenen Personengruppen unterschiedlich wahrgenommen, deswegen ist parallel zur Textanalyse auch die Komparatistik zum Zuge gekommen. Komplementär dazu ist auch der rechts- und verfassungshistorische Ansatz gewählt worden. Hierbei geht es um eine Klärung der aus dem Reconquista-Zeitalter stammenden Institutionen Alt- und Neukastiliens.
Die zweigliedrige Methodik dient der Annäherung an die allgemeine Problemstellung, nämlich der Frage, welche historische Relevanz dem Bürgertum, der gemeindlichen Autonomie und der politischen Repräsentation im Kastilien des frühen 16. Jahrhunderts zukommt. Da viele Einzelfragen im Zusammenhang mit der „Comuneros“-Revolte noch nicht in gebündelter Form aufgearbeitet worden sind, mussten sie eingehend erörtert werden, wobei einige lose Zipfel der Diskussion weitergesponnen werden konnten.
Untersucht wurden die unterschiedlichsten Quellentypen: Rechtsspiegel, Ordonnanzen, Gesetze, Suppliken, Akten sowie Korrespondenzen und politische Traktate.
Die Arbeit ist in sechs Hauptabschnitte (I-VI) gegliedert.
(I) Dieses Kapitel ist zwei zentralen Begriffen spätmittelalterlicher Gruppenverfassung gewidmet: „universitas“ und „communitas“. Letzterer wird während der Revolte inflationär verwendet, während Ersterer eher von den Rechtsgelehrten in Gebrauch genommen wird. Die Quellenanalyse schliesst mit der Feststellung, dass die „universidad“ synonym zu „Stadt“ und „Bürgergemeinde“ verwandt und meist gleichgesetzt wird mit dem Parallelbegriff „comunidad“, der allgemein für „Bürgerschaft“ bzw. schlicht für „Gemeinde“ steht. Das Kapitel greift schliesslich noch zwei konkrete Beispiele auf, die zeigen, wie eine „comunidad“ „gemacht“ wird. Dabei schält sich zweierlei heraus: die „comunidad“ wird zum einen sehr stark mit dem Umland in Relation gesetzt und zum anderen eindeutig als Körperschaft identifiziert, die durch Eid gestiftet wird.
(II) Der zweite Hauptabschnitt ist ganz den „Stimmen“ der kommunalen Auflehnung gewidmet, wobei eine Typologie des „Aufstandes“ für Kastilien erstellt wird. Im Zentrum der Betrachtungen steht die Konsolidierung der Stadtgemeinde als autonomes Gemeinwesen in der Form der coniuratio. Die „comunidad“ wird von ihren Kritikern als „unheilvolle Verschwörung“ oder gar als „neues Winkelkonzil“ bezeichnet. Das Kapitel endet mit einer Gesamtschau der angewandten Bezeichnungen für politische Umstürze und mit einer Nachbetrachtung zum Revolutionsbegriff.
(III) Im dritten Teil geht es darum, die zeitgenössischen spanischen Begriffe für den „Bürger“ in den Gesamtzusammenhang der europäischen Äquivalente zu setzen. Ferner wird festgehalten, dass die Gemeinden vom Typus „comunidad“ als relativ autonome Grossgemeinden mit einem städtischen Kern und einem weitläufigen, dörflich geprägten Umland aufgefasst werden müssen. Die genauere Betrachtung der innergemeindlichen sozialen Stratifikation zeigt, dass diese sehr mannigfaltige Ausprägungen annimmt: der „comunero“ ist als Angehöriger der „comunidad“ eigentlich der „Gemeindegenosse“, der „Gemeine Mann“, der teils in Bezug gesetzt wird zum, teils abgegrenzt wird vom „ehrbaren Mann“ bzw. „Ritterbürger“. Andere Begriffe wie „vecino“ (Nachbar), „morador“ (Beisasse) oder „natural“ (Eingeborener) sind hingegen eher Begriffe der Inklusion. Abgerundet wird dieses Kapitel mit einer Untersuchung der „naturaleza“, in dem Bürger- und Untertanenstatus zusammenfliessen. Ein Rechtsinstitut, das Hand bietet für eine Diskussion über das Selbstverständnis Kastiliens.
(IV) Dieser Abschnitt widmet sich ganz der programmatischen Rhetorik der „comuneros“. Im Spannungsfeld Paktismus vs. Absolutismus fällt die Revolte eindeutig in jene Kategorie, die sich als Erhebung „für den Fürsten und gegen den Fürsten“ klassifizieren lässt. Auf der normativen Ebene steht das kommunale Prinzip des „bien común“ im Vordergrund. Der „Gemeinnutz“ wird dabei auffallend oft in Contraposition zum „Sondernutz“ gesetzt. Der Konflikt zwischen den Kommunitäten und den Granden wird durch eine ganze Reihe von Gegensatzpaaren ausgedrückt. Die „comuneros“ freilich sehen sich als Verteidiger der „kommunalen Freiheit“ bzw. als „Gemeinwohlzeloten“ und ihre aristokratischen Gegner als „Tyrannen“ oder „Feinde des Gemeinwohls“. Der Kerngedanke des Gemeinwohls dient als Leitstern der Bewegung, die dank dem ständigen Rückbezug auf die Antike eine stark republikanische Färbung annimmt.
(V) Mehr der verfassungsgeschichtlichen Optik verpflichtet ist das zweitletzte Kapitel, in dem der Ewige Bund von Tordesillas als widerstandsrechtliches Fehdebündnis begriffen und in den Traditionszusammenhang der Landfriedensbünde eingeordnet wird. An eine Übersicht über das Einungswesen in Kastilien schliessen sich typologische Betrachtungen zur Institution der „hermandad“ an. Zum Schluss werden die Erkenntnisse mit der Gründungsurkunde des Städtebundes in Bezug gesetzt und die innere Organisationsstruktur der Einung anhand der Juntaakten beleuchtet.
(VI) Das letzte Kapitel gilt den politischen Repräsentationsformen. „Procurador“, „personero“ oder „diputado“ werden die Sachwalter, Sprecher bzw. Abgesandten der Räte und Ausschüsse genannt, die im Namen der Gemeinde oder kleinerer Teilverbände (Kollationen) handeln. Als Mandatsträger waren sie Inhaber von „eingeschränkten“ oder „freien“ Vollmachten, die an gewisse Instruktionen gebunden waren, deren Nichtbeachtung Sanktionen nach sich zog.
Im Rückblick lässt sich feststellen, dass die genossenschaftliche Tradition Kastiliens viel stärker ist, als in der Forschung allgemein angenommen wird, dass man Kastilien gewissermassen als eine Art „kommunale Monarchie“ konstituieren kann. Dass diese kommunalen Traditionsstränge in der „bürgerlichen Monarchie“ fortlebten, zeigt der partielle „postrevolutionäre“ Erfolg, den die „comuneros“ erringen konnten, indem grosse Teile ihres Manifests 1523 fester Bestandteil des kastilischen Reichsrechts wurden.