Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stephan
Scheuzger
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Die Schweiz und Südafrika – die Beziehungsgeschichte zwischen den beiden Staaten während der Zeit der Apartheid ist eine politisch aufgeladene Thematik. Sie steht für das schweizerische Verständnis von Neutralität, für den Umgang der Schweiz mit ihrer Vergangenheit oder für ihre Archivpolitik, den (Un-) Willen der schweizerischen Wirtschaft und des Bundesstaates, Akten zur Aufarbeitung zugänglich zu machen. Die wissenschaftliche Forschung hat den Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika in den letzten 20 Jahren einige Studien gewidmet. Nach dem Schlussbericht des Nationalen Forschungs- programms 42+ rückte vor allem die Untersuchung von nichtstaatlichen Akteuren ins Zentrum. Doch während die südafrikakritische Seite, allen voran die Anti-Apartheid-Bewegung, viel Aufmerksamkeit erhielt, blieb es um deren «Gegen- bewegungen» vergleichsweise ruhig. Die Masterarbeit nimmt deshalb die Arbeitsgruppe südliches Afrika (asa) in den Fokus – eine Vereinigung, die sich während der 1980er Jahre einen Namen als Prosüdafrikalobbyistin gemacht hatte. Im Kontext der sich intensivierenden globalen und auch schweizweit geführten Debatte über die Verhältnisse in Südafrika gegründet, verschrieb sich die Arbeitsgruppe 1982 dem Ziel der «Aufklärung» der schweizerischen Öffentlichkeit durch den asa-eigenen Pressedienst, der Organisation von Referaten sowie Studienreisen ins südliche Afrika.
Die Masterarbeit fragt nach der personellen und strukturellen Organisation der Gruppierung und untersucht ihr politisches, soziales und ökonomisches Beziehungsnetz. Sie trägt die zur asa bestehenden Quellen systematisch zusammen, wertet sie hermeneutisch aus und zeichnet das vereinshistorische Portrait einer Gruppierung, die in der bisherigen geschichtswissenschaftlichen Forschung kaum Aufmerksamkeit erhalten hat. Ausgehend von Quellen unterschiedlichster Herkunft und Perspektiven – Publikationen der asa, persönlichen Ablagen von ihr nahestehenden Personen, staatlichen Akten aus Südafrika und ergänzenden Interviews – wird im ersten Teil der Arbeit nach der Entstehung der asa gefragt und eine ideologische Verortung vorgenommen. In einem zweiten Schritt folgt die Analyse ihrer historischen Praxis, also ihrer Aktivitäten und Beziehungsnetze, sowie die Einordnung in die Propagandabemühungen des südafrikanischen Apartheidstaates. In beiden Teilen ist der Anspruch der asa auf Objektivität und Eigenständigkeit omnipräsent. Die Arbeitsgruppe positionierte und verstand sich selbst als unabhängige und neutrale Organisation, die es insbesondere ablehnte, im Auftrag einer Regierung zu agieren. Diesen Aspekt greift die Masterarbeit anhand von zwei Perspektiven, einer ideengeschichtlichen und einer südafrikazentrierten, auf.
Die Analyse der asa-Publikationen zwischen 1982 und 1992 zeigt, dass die Gruppierung ihrem Anspruch auf Unabhängigkeit nicht gerecht geworden ist. Vielmehr war sie ideologisch voreingenommen und folgte Argumentationslinien, die sich kaum von jenen des südafrikanischen Regimes und dessen internationaler Propaganda unterschieden. Sowohl in der südafrikanischen Regierung als auch innerhalb der asa war ein radikaler Antikommunismus allgegenwärtig. Damit bewegte sich die Arbeitsgruppe ideologisch im gleichen Umfeld wie die Neue Rechte – eine Einordnung, die sich in der Analyse aus mehreren Gründen als angebracht erweist: Unter anderem positionierte sich die Arbeitsgruppe explizit als Gegengewicht zur vermeintlich von links beeinflussten schweizerischen Medienlandschaft. Wie die Neue Rechte versuchte sie, die angebliche öffentliche Hegemonialstellung der Linken zu brechen. Die Argumentation der Arbeitsgruppe erfolgte aus einer neoliberalen Grundhaltung, neorassistische Äusserungen fanden Eingang in ihre Publikationen und die Frage nach Identität zeigte sich gerade auf den asa-Studienreisen als bedeutungsvoll.
Aus der südafrikazentrierten Perspektive aufschlussreich zeigte sich die enge Zusammenarbeit mit demVerteidigungsdepartement des Apartheidregimes und dessen Vertreter in der Schweiz, dem Militärattaché in Bern. Auch das Aussendepartement Südafrikas ordnete das Engagement der Arbeitsgruppe als für den eigenen Machterhalt äusserst vielversprechend ein: weil die der asa nahestehenden Personen als in der Schweizer Politik und Gesellschaft einflussreich eingeschätzt wurden, weil die Gruppierung auch dann noch Studienreisen ins südliche Afrika ermöglichte, als dies in der Schweiz bereits Gegenstand der öffentlichen Kritik geworden war oder weil sich die asa als völlig unabhängig präsentierte. In Kombination mit der Tatsache, dass südafrikanische Verwaltungsstellen auf die Reisen der Arbeitsgruppe Einfluss genommen haben und die asa Propagandaparolen des Regimes offensichtlich reproduzierte, wird in dieser Arbeit argumentiert, dass sich die Arbeitsgruppe südliches Afrika trotz ihres Unabhängigkeitsanspruchs für die Zwecke des Apartheidregimes einspannen liess.