Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof. Dr.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut, Universität Bern
Ort
Bern
Jahr
2011/2012
Abstract
Die Arbeit hat zum Ziel, eine mehrperspektivische Analyse mittels Akten, Stadtplänen, Zeitungsartikeln, Verordnungen, Reglementen und Interviews entstehen zu lassen und der Stadt Bern ihre eigene Geschichte des Abfalls, der Entsorgung und des Recyclings niederzuschreiben.
In dieser Arbeit sollen die Anfänge der organisierten Abfallentsorgung erforscht werden. Mit Hilfe einer hermeneutischen Quelleninterpretation und Analyse von Verordnungen und Reglementen werden die rechtlichen Grundlagen sowie die Verantwortlichen der darauffolgenden baulichen Umsetzungen beleuchtet. Zusätzlich zeigen zahlreiche Zeitungsartikel aus Berner Zeitungen die öffentliche Meinung zu den Neuerungen. Durch Interviews zur Thematik Abfall, „Entsorgung und Recycling in der Stadt Bern“ mit Experten und Mitarbeitenden der Abteilung ERB und der städtischen Direktion werden im Hauptteil wie auch im Fazit die neusten Entwicklungen dargestellt und mögliche Zukunftspläne vorgestellt. Zahlreiche Forschungsarbeiten legen das Grundgerüst für die technischen Innovationen und sollen zugleich die Thesen und Erkenntnisse der Autorin dieser Arbeit untermauern.
Bereits seit der Gründung der Stadt Bern spielte die Entsorgung von Abfällen und von Fäkalien eine essentielle Rolle. Wenn zu Beginn durch einfaches Wegspülen in die Aare das Problem erledigt schien, wurde der Berner Bevölkerung erst im 19. Jahrhundert bewusst, welche Spätfolgen diese Flussverschmutzung für sie haben könnte; die drohenden Typhusund Choleraepidemien, verbunden mit der aufkommenden Forschung über die Hygiene, bewog die Städter zum Handeln. Sträflinge als Strassenreiniger und Abfallentsorger waren Anfang des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts für den Stadtabfall und für die Strassenreinigung zuständig. Gleichzeitig entstand eine geregelte Abfallentsorgung und Kehrichtabfuhr in den 1850er Jahren, welche bis heute ausgebaut wurde und heute als alltäglich und unentbehrlich gilt. Mit der Sortierung und landwirtschaftlichen Weiterverwendung des Abfalls im verbesserten Kompostverfahren in der Anstalt Witzwil zwischen 1914 bis 1954 wurde die Abfallabfuhr und -entsorgung erstmals konkret von der Strassenreinigung getrennt. Erst mit der Einführung der ersten Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) in Bern 1954 endete die Zusammenarbeit betreffend der Kehrichtentsorgung zwischen Sträflingen und der Stadt Bern.
Mit dem Hinterfragen der neuzeitlichen Wegwerfgesellschaft nimmt die Schweiz seit den 1980er Jahren eine internationale Vorreiterrolle im Recycling ein. Der aktuelle Umdenkprozess, weg von einer Wegwerfgesellschaft hin zu einer Mehrwegund verstärkten Recyclingmentalität, in Bern wie auch gesamtchweizerisch gesehen findet bereits jetzt aktiv und in Zusammenarbeit zwischen mehreren Institutionen und Organisationen statt. Die neuste Entwicklung im Bereich der Kehrichtverminderung und Abfallentsorgung sind das ausgebesserte Abfallreglement, welches 2005 genehmigt und 2007 in der Hauptstadt eingeführt wurde sowie die Kampagne „Subers Bärn – zäme geit’s!“, welche 2008 lanciert wurde und vor allem das Problem des Litterings durch Verpackungen von Fast-food-Anbietern fokussiert. Zudem wird die 1954 in Betrieb genommene KVA voraussichtlich 2012 durch die KVA Forsthaus West abgelöst. Durch die Verknüpfung zwischen Holzheizkraftwerk und Gasund Dampf-Kombikraftwerk soll eine möglichst umweltfreundliche Energiegewinnung und Kehrichtverbrennung erreicht werden. Wie die Bevölkerungsbefragung von 2011 zeigt, erzielten die Massnahmen positive Resultate und werden auch in Zukunft weitergeführt und noch weiter ausgebaut werden.
Denn zu der Geschichte des Abfalls und der Entsorgung gehören nicht nur die Vergangenheit und die aktuelle Situation, sondern auch die Zukunft des Berner ‚Ghüders‘.
Publikation:
Franziska Griessen-Ryter: Abfallgeschichte der Stadt Bern. Bern 2015.