Trotz der weit verbreiteten Rede von „1968“ als „globaler Revolution“ beschränken sich viele historische Darstellung nur auf einen Ausschnitt der internationalen Ereignisse von „1968“. Zahlreiche Autoren gehen von einer „globalen Qualität“ der „68er“ aus, ohne jedoch den Ereignissen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, also der „Dritten Welt“, besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Insbesondere die Einflüsse und Verbindungen zwischen den Protestund Befreiungsbewegungen der „Dritten Welt“ sind noch wenig untersucht. Und obschon es umfassende Untersuchungen zur Beeinflussung der Studentenbewegungen in den USA und Europa durch die Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“ gibt, ist die umgekehrte Einflussrichtung noch kaum erforscht.
In dieser Masterarbeit werden die internationalen Verbindungen und Einflüsse an ausgewählten Beispielen von Protestund Befreiungsbewegungen in Ländern des subsaharischen Afrika, Nordafrikas, des „Nahen Ostens“ sowie Asiens untersucht. Dabei steht die Frage nach der „globalen Qualität“ von „1968“ im Zentrum. Die Arbeit will einen möglichst breiten Überblick über die Einflussarten und -kanäle geben. Ausserdem werden aus den untersuchten Einflüssen und Verbindungen einige — aufgrund der Breite der Untersuchung eher suggestive denn definitive — Schlussfolgerungen gezogen. Dabei soll eher ein Einund Überblick zu einem wenig erforschten Themenkreis von „1968“ gegeben werden, der als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen dienen könnte.
Die Masterarbeit untersucht den Zeitraum von 1966 bis 1969 und ist in drei Teile gegliedert. Den ersten Teil bildet eine umfassende, wenn auch kaum abschliessende internationale Chronologie der Ereignisse der Protestund Befreiungsbewegungen sowie wichtiger politischer Ereignisse zwischen 1966 und 1969, die im Rahmen dieser Masterarbeit zusammengestellt wurde. Dazu vereint die Arbeit bereits in der historischen Sekundärliteratur vorhandene Chronologien zu „1968“ und erweitert diese mit Ereignissen aus den untersuchten Quellen. Im zweiten Teil der Arbeit werden dann vor dem Hintergrund dieser internationalen Chronologie Verbindungen, Kontakte und Einflüsse zwischen Protestund Befreiungsbewegungen im Senegal, in Guinea-Bissau, Mosambik, Südafrika, Ägypten, Israel, Marokko, Libanon, Pakistan und Indien anhand verschiedener Quellen herausgearbeitet und untersucht. Bei den verwendeten Quellen handelt es sich um Berichte und Erinnerungen von Zeitzeugen, Aufzeichnungen von Reden und Kongressen der verschiedenen Akteure und Gruppierungen, eigene Publikationen von Gruppierungen der Befreiungsund Protestbewegungen sowie zeitgenössische Zeitungsund Zeitschriftenartikel. Die festgestellten Einflüsse und Verbindungen werden im dritten Teil der Arbeit strukturiert und in einer „Diffusionstheorie“ verortet. Dabei werden die Einflüsse in direkt-relationale und indirekte Verbindungen unterteilt.
Die Untersuchung zeigt, dass die interund transnationalen direkt-relationalen Verbindungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Befreiungsund Protestbewegungen wichtige Ausgangspunkte für eine erste „Zuschreibung von Ähnlichkeiten“ waren, die eine weitere Diffusion über indirekte Kanäle, allen voran den „Medien“, befördert haben.
Die Arbeit kommt zum Schluss, dass sich eines der wichtigsten Elemente hinter dem Anspruch einer „globalen Revolution“ der „68er“ in „kognitiven Identitäten“ und „kollektiven Sinnkonstruktionen“ findet. Die Arbeit versucht hier zu zeigen, welchen Einfluss die Vorstellung eines „gemeinsamen Kampfes in der Weltrevolution“ auf die Protestund Befreiungsbewegungen gehabt hat und wie diese Vorstellung in der Folge auch das Bild von „68“ beeinflusst hat. In diesem Zusammenhang werden auch Differenzen deutlich gemacht, welche die „Sinnkonstruktionen“ in verschiedenen Ländern und „Regionen“ unterschiedlich beeinflusst haben. Vor diesem Hintergrund wird die „Chiffre 1968“ kritisch betrachtet. Die Arbeit kommt hier zum Fazit, dass der „historische Marker“ „1968“ zwar durchaus eine „globale Qualität“ aufweist, jedoch im Hinblick auf die Protestund Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“ vorsichtig verwendet werden sollte.
1968 - Eine „globale Revolution“? Eine Untersuchung zur „globalen Qualität“ von „1968“ anhand von internationalen Einflüssen und Verbindungen der Protest- und Befreiungsbewegungen von „68“
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Gerlach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2009/2010
Abstract