„Das Landt Inzenemen“ Der Huldigungsumritt Christophs von Utenheim zwischen zeremonieller Harmonie und harter Realpolitik

AutorIn Name
Micha
Wohler
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Hesse
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2020/2021
Abstract
Anlässlich ihres Herrschaftsantritts unternahmen spätmittelalterliche Würdenträger zeremonielle Einzüge in die Hauptorte ihrer Ländereien. Diese unter dem Begriff „Adventus“ angesprochenen Vorgänge haben in der durch die New Cultural History geprägten Geschichtswissenschaft durchaus einige Aufmerksamkeit erhalten. In der deutschsprachigen Forschung gilt dies allerdings vorwiegend für Einritte des Reichsoberhaupts in Reichsstädte oder für diejenigen von Territorialherren in ihre Residenz- oder Kathedralstadt. Ein wesentlich geringeres Interesse wurde bisher dagegen den Adventus der zuletzt genannten Würdenträger in die übrigen regionalen Hauptorte ihrer Besitzungen eingeräumt. In genau diesen Sachverhalt taucht die hier vorgestellte Masterarbeit ein. Zu diesem Zweck befasst sie sich mit Akten zum 1503 stattgefundenen Adventus des Basler Fürstbischofs Christoph von Utenheim in seinen weltlichen Herrschaftsbereich, das Hochstift Basel. Dabei interessiert sich die Arbeit insbesondere für das Verhältnis zwischen den eigentlichen Adventus-Zeremoniellen und der oftmals darauffolgenden Huldigung. Durch das letztgenannte zum Adventus im weiteren Sinne zählende Prozedere erfuhr die Herrschaft überhaupt erst ihre juristische Inkraftsetzung. Im Zentrum der Huldigung stand ein Loyalitätseid der Untertanen gegenüber ihrem neuen Herrn, wobei jene den Schwur aber nur gegen die herrscherliche Zusicherung abgaben, ihre Rechte und Freiheiten zu achten. Damit nimmt sich die Arbeit innerhalb des wenig erforschten Sachverhalts der ländlichen Einritte der Territorialherren zugleich einer Thematik an, die in der Adventus-Forschung zu den bisher fast ausschliesslich untersuchten Reichsstädten eine noch nicht zufriedenstellende, ja widersprüchliche Beurteilung erfahren hat: Wurde doch bis anhin das Verhältnis zwischen Adventus-Zeremoniell und Huldigung entweder im Sinne einer ausgeprägten Deckungsgleichheit der transportierten Inhalte oder im Zeichen der These gedeutet, dass es sich hierbei um inhaltlich weitgehend voneinander entkoppelte Kommunikationsebenen handle. Bei der Untersuchung der Akten, namentlich eines Adventus-Berichtes innerhalb derselben, stellte sich wiederholt das Problem, dass das dort Geschilderte gleich im doppelten Sinne eine Inszenierung darstellte. Ist der Umritt als solches schon als eine durchaus interessengeleitete Zurschaustellung rechtlicher und politischer Verhältnisse aufzufassen, so wird dieses Adventus-Prozedere durch dessen Verarbeitung in einem Bericht erneut Gegenstand eines inszenatorischen Prozesses: Das bereits Inszenierte wird also durch die Prozeduren seiner Verschriftlichung nochmals inszeniert. Dies verzerrt nicht nur den Blick auf den zugrunde liegenden Kontext, sondern selbst denjenigen auf das vor Ort zur Darstellung Gebrachte. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, zum Verständnis des Berichts nicht nur das allgemeine quellenkritische Instrumentarium hinzuziehen. Es galt, insbesondere auch den bisherigen Forschungsstand zum vormodernen Ritual im Allgemeinen, zum Adventus bzw. zu der Quellengruppe der Adventus-Akten im Besonderen sowie zur Huldigung zu berücksichtigen. Die Herausforderung, dass der Umritt des besagten Bischofs nur durch den einseitigen Blick eines einzelnen Textes gegenwärtig ist, liess sich zudem durch den Einbezug der Berichte über die ähnlichen Einritte von Christophs Vorgänger und Nachfolger entschärfen. Der solchermassen in einen breiteren Zusammenhang gestellte Blick auf das im Basler Hochstift um 1500 bestehende Verhältnis zwischen dem Austausch von Untertaneneid und Privilegienbestätigung auf der einen und dem Adventus im engeren Sinne auf der anderen Seite offenbarte nun Folgendes: Weder verhielten sich die beiden Vorgänge praktisch spiegelbildlich zueinander noch kann man sie als weitgehend voneinander entkoppelt betrachten. Vielmehr ist zu konstatieren, dass sie zwar beide zu einem wesentlichen Grad die Funktion übernahmen, die gegenseitige Akzeptanz zwischen Herr und Untertanen auszudrücken bzw. herzustellen, dies aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise taten. Der eigentliche Adventus vollzog sich auf der idealen Ebene, war aus Sicht der Zeitgenossen naturrechtlich verankert und auf unvordenkliche Zeit zurückreichend. Daher verlief er geradezu harmonisch und war damit in der Lage, ein vertrauensbildendes Vorspiel zur Huldigung abzugeben, welches eine Einigung in diesem oftmals konfliktgeladenen Prozedere erleichtern sollte. Die eben angedeuteten Spannungen ergaben sich vor allem aus dem Umstand, dass der Huldigungsvorgang weniger die Sphäre (vermeintlich) überzeitlich gültiger Ideale verkörperte als vielmehr die harte Realität der gegenwärtigen Historie mit allen ihren Unzulänglichkeiten und strittigen Rechtsansprüchen. Daher gingen dem Schwur der Untertanen nicht selten erbittert geführte Diskussionen, ja manchmal sogar regelrechte Streitigkeiten, voraus. Mit diesem Befund bestätigt die Masterarbeit Erkenntnisse der historischen Ritualforschung bezüglich der konsensfördernden Wirkung von Zeremoniellen. Gleichzeitig weist die Abhandlung aber auch über die gegenwärtige Forschung zum Adventus hinaus: Einerseits tut die Arbeit das, indem sie im Hinblick auf die Basler Verhältnisse einen alternativen dritten Weg zur bisherigen Interpretation von Einzügen als Rituale, welche die Huldigung entweder komplett spiegeln oder weitgehend von ihr entkoppelt sind, aufzeigt. Damit einher geht eine Sichtweise der beiden Vorgänge im Allgemeinen, die das Verhältnis zwischen ihnen im Gegensatz zur gängigen Adventus Forschung nicht als eine fixe, sondern als eine flexible, je nach Anforderung der Situation neu auszutarierende Beziehung begreift. Andererseits weist die Untersuchung dadurch über bisherige Arbeiten zur entsprechenden Thematik hinaus, dass sie den Einzug nicht allein als Kommentar zu einer bereits vollzogenen Einigung liest.Vielmehr lotet die Abhandlung die Möglichkeiten eines Vorgehens aus, welches nach der Funktion der Einritte im Hinblick auf einen sich noch in Gang befindlichen Einigungsprozess fragt.

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