„In einer freyen Republik ist die Oligarchie allemal ein Übel“. Die Luzerner Ratsherren im 18. Jahrhundert – eine Machtelite auf dem Weg zur vollständigen Abschliessung

AutorIn Name
Monika
Wüest
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
André
Holenstein
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Die Stadt Luzern mit ihrem Untertanenland wurde in der Frühen Neuzeit von einer immer kleiner werdenden Anzahl Familien regiert. Zwischen 18 und 22 Geschlechter sassen im 18. Jahrhundert im Kleinen Rat, der mächtigsten Behörde, und hielten damit die Geschicke von Stadt und Staat Luzern in ihren Händen. Ein Aufstieg in diesen Geschlechterkreis war fast unmöglich geworden. Lediglich drei neuen Familien gelang dies im letzten Jahrhundert des Ancien Régime noch. Auch der Grosse Rat war auf dem Weg der fast vollständigen Abschliessung. Hier waren es noch zehn Familien, die in den Rat nachrückten. Insgesamt sassen im 18. Jahrhundert zwischen 32 und 41 verschiedene Familien im Grossen Rat. Auch hier hatten jene Familien die Überhand,die bereits den Kleinen Rat beherrschten. Ermöglicht wurde diese Abschliessung durch die immer rigider werdenden Auflagen bei der Vergabe des Bürgerrechts, die Kooptation der Räte sowie die zwar nirgends festgeschriebene, in der Praxis aber fast unbestrittene Erblichkeit der Ratsstellen. Zum Luzerner Patriziat im 18. Jahrhundert gab es bislang keine ausführliche Untersuchung. Hier setzt diese Arbeit an. Anhand der prosopographischen Daten aller Luzerner Ratsherren des 18. Jahrhunderts schafft sie einen Überblick über diese Personengruppe. Untersucht werden alle Ratsherren des Ancien Régime, die ihre Ratskarriere im 18. Jahrhundert starteten, die also ab 1700 in den Grossen Rat gewählt wurden. Insgesamt waren das 324 Personen. 206 davon verblieben im Grossen Rat, 118 stiegen im Verlauf ihrer Karriere in den weit wichtigeren Kleinen Rat auf. Für diese 324 Ratsherren wurden systematisch die Lebensdaten, Angaben zu verwandtschaftlichen Beziehungen und Heiraten, die Nachfolge bei den Kleinratsstellen, die Ämter und Offiziersstellen sowie – für das Ende des Untersuchungszeitraums – die Zugehörigkeit zu aufklärerischen und radikalen Gesellschaften erfasst. Zusätzliche Angaben betreffen etwa die Bildung, weitere berufliche Tätigkeiten, die Teilnahme an Gesandtschaften oder die Zugehörigkeit zu Ritterorden. Nicht systematisch erfasst wurden Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ratsherren. Das hätte einen enormen Mehraufwand bedeutet, der im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten war. In einem zweiten Schritt wurden diese Daten statistisch ausgewertet. Auf dieser Grundlage wu de in einer quantitativen Analyse ein Gesamtbild der Luzerner Ratsherren im 18. Jahrhundert erarbeitet. Dieses Bild zeigt klar: Es waren ein paar wenige reiche, mächtige Familien, die das Sagen hatten. Sie lebten von der Verwaltungs- und Ratstätigkeit, die auch den Bezug von ausländischen Pensionen mit einschloss, von den fremden Diensten sowie von ihrem Vermögen und Landbesitz. Entscheidend beim Aufstieg an die Macht und bei dessen Erhalt war die Familie. Der Familienräson wurde alles untergeordnet. Die Karrieren der ältesten Söhne waren bereits bei der Geburt vorgezeichnet. Als zukünftige Familienoberhäupter erhielten sie eine standesgemässe Bildung. Sehr früh wurden sie in den Grossen Rat gewählt, nach dem Tod ihres Vaters folgten sie diesem in den Kleinen Rat. Die übrigen Söhne traten entweder in den geistlichen Stand ein oder gingen als Offiziere in fremde Dienste. Geheiratet wurde fast ausschliesslich innerhalb dieser Familien. Viele der nachgeborenen Söhne blieben unverheiratet. So wurde verhindert, dass zu viele Erben das Vermögen der Familien auseinanderrissen. Ferner geht die Arbeit der Frage nach, wie weit sich das Luzern des 18. Jahrhunderts einer Oligarchie angenähert hatte. Auch hier zeigt sich ein klares Bild: Das Luzerner Patriziat des 18. Jahrhunderts entsprach eindeutig einer Oligarchie. 1798 implodierte dieses Herrschaftsgebilde unter dem Druck der französischen Invasion. Versuche, das System von innen heraus zu erneuern, waren nur zaghaft ergriffen worden. Umso bemerkenswerter und erklärungsbedürftiger erscheint deswegen die Tatsache, dass die Helvetische Revolution 1798 das Werk eines kleinen Kreises meist junger Reformaufklärer aus dem engsten Machtkreis des Luzerner Patriziats gewesen ist.

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