Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2014/2015
Abstract
Vom 21. bis zum 23. Juni 1853 wurde in der Stadt Bern zum Gedenken an den 500jährigen Beitritt des alten Standes Bern zur damaligen Eidgenossenschaft ein grossangelegtes Fest gefeiert. Die Initiative zur Durchführung der Bundesfeier ging von der erst 1850 an die Macht gelangten konservativen Kantonsregierung aus, die sich zusammen mit den städtischen Behörden (Einwohnergemeinde und Burgergemeinde) an die Ausarbeitung der Feier machte. Das Fest fristete bis anhin ein Mauerblümchendasein in der historiographischen Forschung und fand bis auf einige kurze Abschnitte in Abhandlungen über die Geschichte Berns kaum je Erwähnung. Eine umfassende Aufarbeitung der Geschehnisse des Sommers 1853 unter Berücksichtigung der zeitgenössischen sozio-politischen Umstände fehlte bislang.
Die Berner Bundesfeier kann als Idealtyp eines bürgerlichen Festes mit eminent symbolpolitischem Gehalt bezeichnet werden. Durch den Zeitpunkt der Feier mitten in der politischen Entstehung des jungen schweizerischen Bundesstaates einerseits und dem sozialen Aufstieg der sich konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft andererseits ergeben sich spannende Fragen hinsichtlich der potentiellen Indienstnahme der Veranstaltung für die Zwecke der Machteliten. Die Hauptfrage der Arbeit war mithin, inwieweit die Berner Bundesfeier von 1853 von Bedeutung war für den sozialen und politischen Entwicklungsprozess des Bundesstaates in dessen Konsolidierungsphase. Folgende zwei Thesen stehen dabei im Zentrum: Zum einen war die Feier aus politischer Perspektive von fundamentaler Bedeutung für die Konstruktion eines explizit bernischen Identitätsbewusstseins innerhalb des neuen bundesstaatlichen Rahmens und zum anderen nahm sie in sozialer Hinsicht einen eminent hohen Stellenwert ein für die Konstituierung einer bürgerlichenGesellschaft.
Die mangelhafte Aufarbeitung der Berner Bundesfeier erstaunt umso mehr, als ein umfangreicher Quellenbestand vorliegt, der sich sowohl über eine Vielzahl an ungedruckten Archivalien als auch zahlreiche gedruckte Publikationen erstreckt. Selbstständig erschienene Festbeschreibungen, historische Erläuterungen, ikonographische Darstellungen, poetische Gedichte, Liederhefte mit patriotischen Gesängen und Festprogramme waren demnach genauso Quellengrundlage der Untersuchung wie Berichte in Tageszeitungen, handschriftliche Verhandlungsprotokolle der beteiligten Behörden sowie persönliche Aufzeichnungen der Festveranstalter.
Die kulturgeschichtliche Untersuchung vermag aufzuzeigen, dass das Fest in der Bundesstadt eine Schlüsselrolle innerhalb der Entwicklung einer nationalen und bürgerlichen Berner Identität einnahm. Anhand einer umfassenden historischen Analyse der symbolischen, rhetorischen und performativen Aussagen konnte der Blick auf die komplexe Funktionalität des Festes freigelegt und die politischen und sozialen Implikationen kondensiert werden. Die Untersuchung der symbolischen und rhetorischen Sprache der Feier hat ergeben, dass bei der Identitätskonstruktion zwei zentrale Topoi im Vordergrund standen: die Geschichte und die Alpen. Beide Motivkreise gehören beispielhaft zum Fundus der nati- onalen und bürgerlichen Schweizer Identitätskonstruktion, wie sie sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herauskristallisierte.
Die politische Funktion der Feier zielte auf die nationale Vergemeinschaftung innerhalb des durch die Bundesverfassung konstituierten Bundesstaats. Die Integration sollte dabei kraft der verbindenden Nationalmythen funktionieren, die eine umfassende Kohäsion garantierten. Innerhalb der Berner Identitätsfindung nahm die Bundesfeier eine Schlüsselrolle ein, indem ihr gleichsam eine Scharnierfunktion zukam zwischen dem einstigen ‚Kantonsnationalismus‘ und dem inskünftigen ‚Bundesstaatsnationalismus‘. In Form einer Bricolage wurden Elemente der genuin Berner Geschichte mit nationalen Topoi angereichert, sodass die partikularistische Haltung des stolzen ‚Bernertums‘ in einem bundesstaatlichen Rahmen aufgehen und der Nationalstaat als neues ‚Vaterland‘ anerkannt werden konnte.
In sozialer Hinsicht galt das vorrangige Interesse des Festes der Propagierung des bürgerlichen Ideals. Dem Entwurf einer harmonisch geeinten Bürgergesellschaft entsprach es, eine Nation von Staatsbürgern zu schaffen. Demzufolge kam der Feier sowohl eine sozialdidaktische als auch eine sozialintegrative Funktion zu: Dem Publikum wurde das Primat des Bürgertums performativ vor Augen geführt. Die bürgerliche Lebensführung mit ihren Bürgerrechten und -pflichten sollte als die einzig Richtige vorgelebt und dadurch den Zuschauenden schmackhaft gemacht werden.