Tipo di ricerca
Dottorato
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Harald
Fischer-Tiné
Istituzione
ETH Zürich, Institut für Geschichte, Lehrstuhl Geschichte der modernen Welt
Luogo
Zürich
Anno
2016/2017
Abstract
Der Kolonialismus hatte eine tiefgreifende Wirkung auf die Lebenswelten verschiedener Gruppen von Kolonisierten, vor allem aber auf die indische Mittelschicht, deren enge Verbindung zu westlicher Bildung sie zu möglichen Rivalen in Bezug auf die Dienstleistungen der kolonialen Bürokratie machte. In historischen Diskurs wurde diese besondere Gruppe aufseiten von Kolonialisten und Kolonisierten als „Baboos“ bezeichnet; in der zeitgenössischen landessprachlichen Literatur war auch der nicht abwertenden Begriff „Bhadralok“ (wörtlich, edle Herrschaften) gebräuchlich. „Bhadraloks“ und „Baboos“ waren nicht vermischte, aber sich überschneidende Kategorien. Jenseits von verschiedenen konfligierenden Diskursen untersucht diese Arbeit die alltäglichen Erfahrungen und Praktiken der „Baboos" während der Kolonialzeit in Indien.
Die „Baboos“ repräsentierten die westlich gebildete „Elite“ und damit die negativen Implikationen der kolonialen Mimikry, wie sie in ihrem Lebensstil, ihren Kleidern und ihrem Konsumverhalten verkörpert ist. Die weitverbreitete, stereotype Repräsentation der „Baboos“ (vor allem in zeitgenössischen Volksgemälden und –texten) fungierte als Zielscheibe für Spott und Kritik sowohl vonseiten der Briten als auch seitens der indischen Nationalisten. Vor allem im späten neunzehnten Jahrhundert benutzen beide Gruppen das Stereotyp vermehrt für ihre jeweiligen Zwecke. Mit einer detaillierten, empirischen Analyse von noch unerschlossenen Quellen, Archivdaten der Regierung und einem theoretischen Rahmen bezweckt diese Studie, drei Hauptziele zu erfüllen:
· Rekonstruktion der Lebenswelten und alltäglichen Historien der Baboos durch sorgfältige Analsyse von Lokalitäten der direkten oder indirekten Interaktion mit Kolonialisten im „kolonialen Milieu“ (Jones 1989), um die sogennante „Zwischenräumlichkeit“ dieser sozialen Gruppen zu historisieren.
· Untersuchung der Entwicklung und Dynamik von moderner und/oder kosmopolitischer Identität bei Mitgliedern dieser Gruppen; Analyse von Prozessen der Selbstinszenierung (Greenblatt 1980; Bourdieu 1984) durch Bildung nach Wahl, Präferenzen bezüglich Wohnsitz sowie Konsum und „Domestizierung“ westlicher Konsumgüter (Bücher, Möbel in Schulen und Büros, das Tragen von europäischen Kleidern, Schuhen und Frisuren, Glücksspiel und Alkoholkonsum in der Freizeit sowie der Gebrauch von Kosmetik im Haushalt).
· Rekonstruktion der Gegendiskurse von Kolonisierten und Kolonialisten bezüglich der Vorstellung des authentischen Inders, der als politisches Gegenbild dem vermeintlich überangepassten Baboo gegenübergestellt wird.