Niederländischer Rechtsnationalismus und Faschismus unter nationalsozialistischer Herrschaft: Die Nederlandse Unie und Nationaal Front in den Kriegsjahren 1940/1941 – zwischen Anpassung und Kampf für die nationale Souveränität

Cognome dell'autore
Erik
Mozsa
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Marina
Cattaruzza
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2005/2006
Abstract

Die Niederlande wurden in einem Blitzkrieg im Mai 1940 von deutschen Truppen besetzt, die legitime demokratische Regierung des Landes floh nach London.

 

Rasch installierte sich eine deutsche Zivilverwaltung unter dem Reichskommissar Arthur Seyss-Inquart. Dessen Politik zielte auf eine Einverleibung der Niederlande in ein noch zu schaffendes Großgermanisches Reich.

 

Diese unausgegorene Utopie mündete bis im Sommer 1941 in eine, was die Wahl der Mittel betraf, relativ „gemäßigte“ Realpolitik. Mittels stetig wachsenden psychischen Druckes sollten die niederländischen politischen Parteien und die Bevölkerung in einem „pluralistischen“ Scheinwettbewerb vom Nationalsozialismus überzeugt werden. Solange Gruppierungen dabei nicht aufbegehrten, durften sie, außer die linken, unter Kontrolle weiterexistieren. Ihre Zeitungen erschienen ohne Vorzensur.

 

Die niederländische Bevölkerung reagierte insgesamt geschockt auf die militärische Niederlage. Offener Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht bot 1940 kaum Perspektive: Deutschland war vermeintlich daran, den Krieg zu gewinnen. Aus der Resignation und dem Bedürfnis nach Ruhe heraus, wurde eine Politik der Anpassung an die Besatzungsmacht sogar von renommierten Antifaschisten vertreten. Resultat hiervon war die überaus erfolgreiche Etablierung der Einheitsbewegung, die Nederlandse Unie (im Folgenden mit NU abgekürzt) Ende Juli 1940. Bis in die heutige Zeit ist die NU eine Ausnahmeerscheinung in den Niederlanden geblieben: keine Organisation zählte jemals mehr Mitglieder als sie. Die NU bewegte sich von Anfang an auf einem schmalen Grat zwischen Kollaboration und dem Versuch der Behauptung der nationalen Souveränität.

 

Die Lizentiatsarbeit untersucht nun die ideologischen Wurzeln, die Entwicklungen und die Haltung der rechtsnationalen NU und der faschistischen Nationaal Front zur Besatzungsmacht. Einleitend wird die Historiographie behandelt, die differenziert vorliegt. Ein wissenschaftlicher Vergleich der beiden Gruppierungen ist bisher aber nicht erfolgt. Hierfür wurde Quellenmaterial wie Broschüren, Zeitungen und Programme der NU und der NF in der Zeitperiode 1940-1941 herangezogen. Wie verhielten sich Gruppen, die gewisse Werte mit der Besatzungsmacht teilten? Wie „tolerant“ und „kompromissbereit“ wiederum war diese?

 

Die Arbeit ortet die Genese der NU-Ideologie während der Zeit des Interbellums: Die niederländische Bevölkerung war in soziale und kulturelle Gruppen, so genannte Zuilen, gespalten, die sich stark voneinander abgrenzten. Beeinflusst von päpstlichen Enzykliken propagierten besonders katholische Kreise mehr „Volkseinheit“ und forderten ein korporatives Wirtschaftssystem ein. Aus diesem ideologischen Dunstkreis stammte das Führungs-Triumvirat der NU.

 

In den 20er Jahren fristeten diese „Volkseinheitsgedanken“ noch ein Schattendasein, doch nach dem Mai 1940 kam der Gedanke der nationalen „Bündelung“ en Vogue.

 

Daneben hatten sich nach dem Mussolinischen Marsch auf Rom 1922 auch in den Niederlanden rechtsextreme Parteien gebildet, die bei Wahlen aber kaum zu reüssieren vermochten. Neben der Nationaalsocialistischen Beweging (abgekürzt NSB) existierte noch die untersuchte Nationaal Front (abgekürzt NF). Diese orientierte sich am „lateinischen“ Faschismus eines Mussolinis und der Action française, stand aber dem Nationalsozialismus eher reserviert gegenüber. Sie vertrat einen autoritären und korporativen Führerstaat und verband diese politische Konzeption mit einem glühenden Antisemitismus.

 

Jedoch anerkannte sie das Konzept eines Großgermanischen Reiches nicht und strebte stattdessen mit Flandern und Südafrika vereinigte, autonome Großniederlande an.

 

Die Ideen der NU dagegen waren vage. In ihr konnten sich sowohl Protestler als auch Unterstützende der „neuen Ordnung“ finden. Diese Inkonsistenz schlug sich in vielen Zeitungsartikeln nieder.

 

Die NU verfocht zwar die niederländische Souveränität, überschritt jedoch mehrmals die Grenze zur offenen Kollaboration: Sie entzog auf Druck jüdischen Mitbürgern die Mitgliedschaft, äußerte sich abschätzig über die Demokratie und betonte das „neue korporative revolutionäre Zeitalter“ des „niederländischen Sozialismus“.

 

Die Arbeit zeigt, dass sich die Positionen der beiden Bewegungen, angesichts der sich wandelnden politischen Großwetterlage, modifizierten. Dazu trug die Besatzungsmacht, die in ihrem Vorgehen zunehmend härter und kompromissloser wurde, Wesentliches bei.

 

Gleichzeitig schlug die geplante deutsche Besetzung Großbritanniens fehl. Diese Faktoren hatten auch Einfluss auf die Haltung weiter Bevölkerungsschichten, die aus ihrem Schockzustand allmählich erwachten. Höhepunkt des Widerstandes gegen die Besatzungsmacht bildete der Februarstreik 1941 in Amsterdam, der Teile des öffentlichen Dienstes erfasste und die antisemitische Politik der Besatzungsmacht anprangerte. Sowohl die NU als auch die NF distanzierten sich vom Streik, sie riefen zur Ruhe auf. Indes genügte das der deutschen Besatzung, die die Arbeitsniederlegung blutig auflöste, als Treuebeweis nicht mehr.

 

Das Ende dieser Semikollaboration von NU und NF stellte sich dann mit dem Russlandfeldzug ein. Der Reichskommissar forderte die Niederländer manichäisch auf, in diesem Krieg definitiv für oder gegen den Nationalsozialismus Stellung zu beziehen und erwartete Nibelungentreue. Doch sowohl die NU als auch die NF verweigerten diesen Kniefall. Während die NU sich komplett von den Kriegshandlungen distanzierte, war die NF bereit, eine „Legion“ unter niederländischem Oberbefehl gegen den Bolschewismus zu entsenden. Dieser Plan konterkarierte die Vorstellungen Seyss-Inquarts, der an Lakaientum, nicht aber an Selbstständigkeit dachte. Beide Bewegungen wurden daraufhin im Sommer 1941 aufgehoben. Einzig die nationalsozialistische NSB blieb übrig, die die deutsche Politik vorbehaltlos bis zur Kapitulation am 5.5.1945 stützte.

 

Die Phase der eigenartigen „pluralistischen“ Besatzungszeit war endgültig vorüber, bis 1945 konnte die deutsche Besatzungsmacht ihr wahres Gesicht zeigen: Verfolgungen und antisemitischer Terror.

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