Wieviel Staatsschutz braucht die Schweiz?“ Der Fichenskandal von 1989/90 im Spiegel ausgewählter Schweizer Tageszeitungen

Cognome dell'autore
Philippe
Messerli
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Brigitte
Studer
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2000/2001
Abstract

Am 24. November 1989, nur wenige Tage nach dem Fall der Mauer und kurz vor der Abstimmung über die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik» explodierte in der Schweizer Politik eine Bombe, wie sie die Eidgenossenschaft im 20. Jahrhundert nur selten erlebt hat: Die zur Untersuchung der Hintergründe des erzwungenen Rücktritts von Bundesrätin Elisabeth Kopp eingesetzte Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) war in der Schweizer Bundesanwaltschaft auf eine Registratur mit 900’000 Karteikarten (Fichen) gestossen. Dabei hatte die politische Polizei unzählige, meist kritische und nonkonformistische Bürgerinnen und Bürger bespitzelt und registriert, die nichts anderes getan hatten, als ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen. Mit dieser Enthüllung begann die mehr als ein Jahr lang immer weitere Kreise ziehende Fichenaffäre, die Öffentlichkeit, Politik und Medien zum Teil intensiv beschäftigte. Obschon sie im Ergebnis nur wenige Köpfe rollen liess, führte sie zu nicht unwichtigen institutionellen Reformen in zwei Bereichen der Bundesverwaltung, die traditionellerweise wenig Einblick in ihre Geschäfte gewähren: In der im Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) angesiedelten Bundesanwaltschaft und im Nachrichtendienst des Eidgenössischen Militärdepartementes (EMD).

 

Die Untersuchung «Wieviel Staatsschutz braucht die Schweiz?» befasst sich mit der Verarbeitung des Fichenskandals durch die Presse. Wie verlief die Berichterstattung? Wie intensiv wurde das Geschehen verfolgt? Wo hat die Presse die Verantwortlichkeiten geortet? Welche Reformvorschläge hat sie unterstützt? Der Analyse liegen sechs, nach politisch-ideologischen wie auch regionalen Kriterien ausgewählte Tageszeitungen zugrunde.

 

Geprägt war die mediale Berichterstattung zum Fichenskandal von einer klaren Polarisierung zwischen den parteigerichteten bürgerlichen Zeitungen (NZZ, «Journal de Genève» und «Vaterlandi») einerseits sowie den Blättern aus dem unabhängigen und linken Spektrum («Berner Tagwacht», «Tages-Anzeiger» und «Blick») andererseits. Aufgrund ihrer engen Verbundenheit mit der für die Affäre verantwortlichen Elite verfolgten die bürgerlichen Printmedien eine insgesamt defensive und beschwichtigende Strategie. Den unbestrittenen Mängeln im Staatsschutz zum Trotz zeigten sie sich darum bemüht, die Affäre nicht überzubewerten und ja nicht zu einer Staatskrise hochzustilisieren. Ins Schussfeld der bürgerlichen Medien gerieten deshalb in starkem Masse die Kritikerinnen und Kritiker auf der linken Seite. Letzteren warfen die bürgerlichen Kommentatoren vor, den Skandal nur unnötig aufzubauschen und zu eigenen politischen Gunsten zu instrumentalisieren.

 

Auf der Gegenseite hielten sich die Zeitungen aus dem unabhängigen und linken Spektrum, die aufgrund ihrer Ausrichtung ohnehin regierungskritischer eingestellt waren, nicht mit Kritik an den aus ihrer Sicht skandalösen Zuständen im Staatsschutz zurück. Anders jedoch als der «Blick», der sich als Boulevardblatt in starkem Masse auf personelle Aspekte und Verfehlungen fixierte, betonten «Berner Tagwacht» und «Tages-Anzeiger» in ihren Analysen das einseitige linke Bedrohungsbild der politischen Polizei. Beide Zeitungen erblickten in den Exzessen der Staatsschützer mehr als nur blosse Mängel der Verwaltung sowie eine gewisse Verblendung im Kontext des Kalten Krieges. Vielmehr sprachen sie von einer «System- und Staatskrise». Ferner interpretierten sie die Fichenaffäre als Zeichen einer mangelhaften Demokratie, in der abweichende Meinungen kriminalisiert oder zumindest polizeilich observiert wurden.

 

Diese klare Polarisierung zwischen bürgerlichen Zeitungen einerseits und linken und unabhängigen andererseits gehört zu den vier zentralen Erkenntnissen der Arbeit. Weitere sind die Bestätigung des Zusammenfallens der medialen Höhepunkte mit der Veröffentlichung der drei PUK-Berichte sowie der Entdeckung neuer Karteien im EMD und EJPD, die von allen Zeitungen kolportierten Zerrbilder über die aufgedeckten Fakten sowie das Beharren der bürgerlichen Zeitungen auf einer ausgeprägt antikommunistischen Haltung.

Accesso al lavoro

Biblioteca

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