Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Damir
Skenderovic
Institution
Seminar für Zeitgeschichte
Place
Fribourg
Year
2020/2021
Abstract
Die Untersuchung behandelt die als «Völkerschauen» benannten Programmpunkte, die der Zirkus Knie zwischen 1927 und 1964 durchführte. Der Fokus liegt auf den sogenannten «Afrikaschauen» und «Indienschauen», deren Formate formale und inhaltliche Überschneidungen aufweisen. Konzepte zur Postkolonialität, zu kolonialen Differenzdiskursen, zum Commodity Racism und Warenfetisch sowie zu polyvalenten Kontaktzonen bilden die theoretische Grundlage und bieten einen multiperspektivischen Zugang.
Die Arbeit beginnt mit der Erfassung des Zirkus Knie als kommerzielles Unternehmen. Ausge- hend von der räumlichen Verortung der Völkerschauen werden in der Folge die Repräsentations- und Rezeptionsrahmen abgeleitet. Schliesslich richtet sich der Blick auf die Artist:innen und deren Auftrittsbedingungen, gefolgt von der Frage nach den dominierenden stereotypen Repräsentationen. Der Untersuchungsschwerpunkt auf den Schauen nach 1945 erfasst dabei die Frage nach der Kontinuität der Bilder. Abschliessend geht es um die Frage nach kritischen Stimmen, wobei ein von der Forschung bisher nicht gesichtetes Aide-Memoire eines Diplomaten der indischen Botschaft in Bern von 1956 im Zentrum der Analyse steht.
Die Untersuchung verdeutlicht, dass Knies Völkerschauen einer ökonomischen Logik folgten, hochgradig konstruiert waren und sich in einem spezifischen diskursiven Netzwerk bewegten, in dem Authentizitätsdiskurse und zirzensisches Spektakel zusammenkamen. Die Repräsentationen entstanden in einem ungleichen Machtverhältnis, waren von der Fremddarstellung ihrer Artist:innen geprägt und dienten der Versicherung des Publikums über ihre eigene Position. Die Warenförmigkeit der Vorstellungen fungierte als Antriebsmotor für wirksame und persistente kulturelle Bilder. Die Kontinuität des Repräsentationsregimes zeigt, dass der Zirkus Knie die Völkerschauen im Seitenzelt nach 1945 nicht zuletzt aufgrund der Selbstzuschreibung der Schweiz als Colonial Outsider relativ bruchlos weiterführen konnte, wenngleich die Kritik von Seiten der indischen Botschaft in Bern verdeutlicht, dass die Bilder nicht unhinterfragt blieben.