Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Ueli
Haefeli
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2017/2018
Abstract
Die Arbeit befasst sich mit der Abstimmung zu einer Vorlage über die Erstellung von Radwegen im Kanton Bern im Jahr 1946. Mit der Vorlage sollte die Möglichkeit geschaffen werden, zweckgebundene Steuern für den Radwegbau zu erheben und damit während 20 Jahren Fahrradwege zu erstellen. Die Vorlage wurde vom Stimmvolk mit einem Neinstimmenanteil von 53,88 Prozent abgelehnt. Beachtet man den Fahrradbestand im Kanton Bern von 328’934 Fahrrädern im Jahr 1946, bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 763’500 Personen im gleichen Jahr, so erstaunt es, dass die Stimmbevölkerung diese Vorlage ablehnte. Dies umso mehr, da in den Kriegsjahren das Fahrrad das zuverlässigste und pflegeleichteste Verkehrsmittel war und Motorfahrzeuge in der Regel nicht gefahren werden konnten, da das Benzin rationiert war. Der primäre Grund für die Ablehnung der Vorlage kann unschwer in der Absicht der Behörden gesehen werden, eine neue Steuer einzuführen. Diese monokausale Begründung greift aber zu kurz. Demzufolge muss weiter differenziert und gefragt werden, warum die Steuer abgelehnt wurde und ob eventuell auch andere Begründungen für das Nein des Stimmvolks eine Rolle spielten. Um diese Fragen zu beantworten, wurden die Quellen mit der historisch-hermeneutischen Methode befragt. Für eine genauere Ursachenanalyse wurde zusätzlich eine Studie aus dem politologischen Bereich herangezogen, welche generalisierte Hypothesen zu Abstimmungsergebnissen bei Verkehrsvorlagen vorlegt. Der Hauptquellenbestand für die vorliegende Untersuchung befindet sich im Staatsarchiv Bern. In einem 20 Zentimeter breiten Schuber sind verschiedenste Informationen zur Abstimmung enthalten. Dabei handelt es sich um Dokumente zur Gesetzgebungsphase, zur Abstimmungsphase und zu den Wahlergebnissen. Die Quellen zur Gesetzgebungsphase dokumentieren die Interaktion zwischen den Behörden ab 1938. Anhand dieser Quellen kann aufgezeigt werden, wie die Notwendigkeit zur Erstellung von Radwegen durch die Behörden anerkannt wurde. Die Korrespondenz der Behörden macht die Entwicklung von der Idee für eine Vorlage über deren Gestaltung bis hin zur Verabschiedung durch den Grossen Rat sichtbar. Neben der schriftlichen Kommunikation unter den Behörden finden sich ebenfalls Briefe von Verbänden an die Behörden. Ergänzend zur Korrespondenz sind auch Dokumente wie Presseartikel oder Abrechnungen für die kurz vor der Abstimmung erfolgte Kampagne vorhanden. Der Hauptquellenbestand wird durch die Protokolle des Grossen Rates zur Beratung der Gesetzesvorlage in zwei Lesungen ergänzt. Zusätzlich wurden Pressequellen in Form von Verbandszeitschriften beigezogen. Bei der Auswertung der Quellen ergaben sich verschiedene Erkenntnisse, die das Nein der Stimmbevölkerung an der Urne erklären. Regional betrachtet wurde die Vorlage vor allem in ländlichen Gebieten und in den französischsprachigen Teilen des Kantons mit hohen Neinstimmenanteilen abgelehnt. Die ländlichen Regionen standen der Vorlage kritisch gegenüber. Sie befürchteten, bei der Planung und einem allfälligen Bau von Radwegen nicht oder später berücksichtigt zu werden. Demzufolge waren sie nicht bereit, eine Steuer zu entrichten, die für sie keinen Nutzen haben würde. Zudem wurden sowohl die Radfahrer als auch die motorisierten Verkehrsteilnehmer bereits besteuert. Der Unterschied für beide Verkehrsteilnehmer lag darin, dass die motorisierten zweckgebunden besteuert wurden, die Radfahrer hingegen nicht. Die alte Forderung der Radverbände, die Fahrradsteuern zweckgebunden zu verwenden, wäre auch mit dem neuen Gesetz nicht erfüllt worden. Ebenfalls eine Rolle dürfte der zunehmende Motorisierungsgrad gespielt haben. Das Kraftfahrzeug war auf dem Vormarsch und es wurde angenommen, dass Fahrräder in der zukünftigen Verkehrsmittelzusammensetzung weniger bedeutend sein würden. Die Argumente der Befürworter vermochten nicht ausreichend zu verfangen. Die Betonung der Bedeutung des Rades als Verkehrsmittel der Arbeiter, die Notwendigkeit einer Regelung der Verkehrssicherheit und der Verkehrsdisziplin, die Zunahme der motorisierten Verkehrsmittel oder die Förderung des Tourismus überzeugten das Stimmvolk nicht.