Spione, Linksextreme und (Anti-)Kommunisten. Die Monatsberichte der Bundespolizei 1948 bis 1962 – Arbeit und Gefahreneinschätzung der Staatsschutzbehörden in der Schweiz des Kalten Krieges

AutorIn Name
Matthias
Hemund
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Damir
Skenderovic
Institution
Departement für Zeitgeschichte
Place
Fribourg
Year
2019/2020
Abstract
Ist von Politik und Behörden während des Kalten Krieges die Rede, werden oft stereo- type Deutungsmuster bedient, „Antikommunismus“ als Kampfbegriff der westlichen Gesellschaft scheint selbsterklärend. Dem Begriff haftet auch in der Rezeption mithin eine Schicksalhaftigkeit an, die in einseitige Debatten mündet. Das gilt auch für die Schweiz. Als 1989 die sogenannte „Fichenaffäre“ die Schweiz erschütterte, wurde schnell klar, dass Organisationen und Personen, die der (extremen) Linken zugeordnet wurden, die grösste Zielgruppe für die Staatsschützer darstellten, das Feindbild „Kommunismus“ schien allgegenwärtig. Doch hielten die vorgefundenen Realitäten diesem Bedrohungsbild tatsächlich stand? Hier setzt die vorliegende Untersuchung ein: Anhand der Monatsprotokolle der Bundespolizei werden die Arbeit und die Risikoeinschätzungen der Schweizer Staatsschutzbehörden zwischen 1948 und 1962 nachgezeichnet. Konkret wird folgende Fragestellung verfolgt: Welche konkreten Bedrohungen treffen die Behörden an? Von welcher Bedrohungslage gehen die Behörden aus? Und welche Schlussfolgerungen werden von den Behörden gezogen? Übergeordnet wird gefragt, welche Rolle Macht in der Bedrohungseinschätzung der Behörden spielte? Dabei werden die angetroffenen Tagesaktualitäten der Staatsschutzorgane den Kategorien Delinquenz und Devianz zugeordnet. Die Arbeit zeigt auf, wie die Bundespolizei regelmässig mit bisweilen spektakulären Fällen von verbotenem Nachrichtendienst und illegalem Waffenhandel konfrontiert war und wie sie eine funktionierende Spionageabwehr etablieren konnte. Sie war früh zumindest in ein informatives, internationales Netzwerk mit anderen westlichen Geheimdiensten eingebunden. Weiter wird thematisiert, wie die Ausbreitung rechtsextremer Netzwerke zwar registriert, in ihrem Gefahrenpotential aber eklatant falsch eingeschätzt wurden. Den weitaus grössten Raum nahmen in den Monatsberichten indessen nicht Fälle von Delinquenz ein, sondern Aktivitäten der extremen Linken, allen voran der PdA. Dass sie und andere kommunistische Organisationen weder illegal noch von grosser politischer Bedeutung waren, hinderte die Behörden nicht daran, das Bild einer steten Bedrohung und Subversion zu evozieren. Mit dem Stigma „Kommunismus“ vermochte das bürgerlich-konservative Establishment politische und gesellschaftliche Devianz zuverlässig zu verunglimpfen und konnte den politischen Diskurs bestimmen und gestalten. Bewegungen deren Anliegen nicht in die bestehenden Machtstrukturen passten, beispielsweise die Frauenbewegung, konnten mit der Zuschreibung „Kommunismus“ wirksam gebremst werden. Die Arbeit zeigt auf, dass Antikommunismus mit seinen (macht)politischen, sozialen und religiösen Anleihen ausserordentlich divers und in seiner Funktionalität als politisches und gesellschaftliches Argument über weite Teile ein Konstrukt ist, das kaum Kausalität mit dem Kommunismus voraussetzt.

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