Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Heinrich R.
Schmidt
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2011/2012
Abstract
Die Masterarbeit widmet sich den Jahren 1817 bis 1830 im Leben des Thurgauer Theologen und Pädagogen Rudolf Hanhart (1780-1856), der in Basel als Rektor des Gymnasiums und der Realschule tätig gewesen ist. Er hat seine Stelle kurz vor dem Erlass des neuen Schulgesetzes von 1817 angetreten, welches die im Zuge der Helvetischen Republik verloren gegangene humanistische Tradition des Gymnasiums wieder aufnimmt. Aber in einem sehr bewegten gesellschaftlichen Umfeld stellen neben den humanistischen auch pietistische und rationalistische Kreise Ansprüche an die Bildungsinstitutionen. Insbesondere an der Universität, wo Hanhart ab 1822 den ersten Lehrstuhl für Pädagogik der Schweiz inne hat, treffen die Gruppen aufeinander. Vor allem in der Folge der Karlsbader Beschlüsse von 1819, als Basel die Chance ergriffen hat, einige vielversprechende junge emigrierte Wissenschaftler zu verpflichten. Hanhart hat ebenfalls in Deutschland beim Altphilologen Friedrich August Wolf studiert und als Neuhumanist seinen Posten angetreten mit dem Ziel, die öffentliche Schule zu stärken. Er entwickelt eine rege schriftstellerische Tätigkeit, welche sich in pädagogischen Schriften und Jahresberichten niederschlägt. Diese Gedanken zur Bildung und zu methodischen Fragen machen den Kern dieser Arbeit aus. Seine Schriften werden auf ihre grundlegenden Tendenzen anhand der vier Dimensionen Natur, Geschichte, Gesellschaft und Bildung analysiert. Ein zweiter Teil widmet sich seinen wichtigsten pädagogischen Konzepten. Es zeigt sich, dass er im Gegensatz etwa zu Humboldt einen christlichen Humanismus mit Anleihen an Herder pflegt. Dadurch gelingt es ihm, durch einen umfassenden Gottesbegriff das Streben nach Humanität mit dem Ziel eines tugendhaften christlichen Lebens gleichzusetzen. Einig ist er sich mit den Neuhumanisten in der Zielsetzung einer allgemeinen und umfassenden Menschenbildung, frei von jeglichem wirtschaftlichen Nützlichkeitsdenken oder direkter Berufserziehung. Die dazu nötigen Mittel sind die Sprache, Mathematik, Ästhetik und Leibesübungen. Die damit verbundene propagierte Idealisierung der griechischen Kultur findet sich bei Hanhart zwar ebenfalls, aber er erweitert seine Betrachtung auf die Geschichte der Eidgenossen. Diese sind seiner Überzeugung nach im Modell von verschiedenen, parallel verlaufenden, zyklischen Kulturentwicklungen gerade in einem gesellschaftlichen Aufstieg begriffen. Er erkennt im Basler Humanismus eine mit den eidgenössischen Reformatoren seit dem 16. Jh. verknüpfte Tradition der Wissenschaftsfreundlichkeit der Stadt. Diese Wertschätzung, insbesondere auch der methodischen Forschung, ermöglicht es ihm, auch aus den Naturwissenschaften erwachsene moderne Technologien und den Fortschritt positiv zu bewerten. All dies wird zu einem integralen Bestandteil seiner Idee des Humanismus. Seine Vorstellung enthält aber auch religiöse Komponenten, welche die sittliche Gesellschaft in einer von „Luxus“ durchdrungenen Gesellschaft erhalten sollen. Die Führung zu einem Glauben und zur sittlichen Bildung leistet neben der Familie zu einem wichtigen Teil die Schule. Im Basler Alltag muss Hanhart jedoch viele Kompromisse eingehen. Er ist, wie sich an seinen Texten ablesen lässt, immer bemüht auch mit neuen Entwicklungen pragmatisch umzugehen, um ein Mindestmass seiner Ziele zu erreichen. Etwa an der Realschule so viel auf Deutsch zu vermitteln, dass die grundlegenden Erfordernisse einer Bürgerbildung erfüllt sind. Auch am Gymnasium akzeptiert er viele realistische Fächer aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Eklektizismus und der Versuch, aus Gegensätzlichem doch noch ein Ganzes zu konstruieren, führen zu einer Breite und einer definitorischen Unschärfe, welche seine Schriften kennzeichnen.