Entwicklungsstrategien der Weltbank. Eine prozesshistorische Analyse

AutorIn Name
Gerhard
Koch
Academic writing genre
Licenciate thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
1998/1999
Abstract

Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (allgemein als „Weltbank" bezeichnet) wurde nach dem zweiten Weltkrieg als Teil der Bretton-Woods-Institutionen zum Zweck des kriegsbedingten Wiederaufbaus und der Entwicklungsfinanzierung gegründet. Nachdem der Schwerpunkt anfänglich auf die erstgenannte Tätigkeit gesetzt worden war, verschob die einsetzende Entkolonialisierung die Gewichte schon bald in Richtung des entwicklungspolitischen Teilgebietes. Die Regierungen der unabhängig gewordenen Staaten benötigten zur Durchsetzung ihrer ambitiösen Ziele enorme Finanz- und Investitionsmittel, die mangels eigenem Kapital von den Industriestaaten geliehen werden mussten. Unter dieser Prämisse übernahm die Weltbank seit den 60er Jahren auch in Afrika eine aktive Rolle. Die Kreditvergabekriterien der Weltbank waren indes den Möglichkeiten der am wenigsten entwickelten Länder nicht angepasst. Aus diesem Grund wurde ein Tochterinstitut, die International Development Association (IDA), gegründet, welche Darlehen zu günstigen Konditionen gewährte. Der Trend von der bilateralen hin zur multilateralen Entwicklungshilfe verstärkte den Einfluss der Weltbank und machte sie in den 70er Jahren zur führenden Institution in der Entwicklungspolitik.

 

Die Weltbank legte 1981 mit dem Grundsatzbericht ,Accelerated Development in Sub Saharan Africa" (Berg-Report) ihre Strategie für die weitere Entwicklungspolitik in Afrika dar. Der Bericht betonte die Notwendigkeit von Strukturanpassungsmassnahmen, sowohl im ökonomischen als auch im politischen Bereich. Diese Form der Konditionalität bei der Kreditvergabe und die damit verbundenen wirtschaftspolitischen Empfehlungen bildeten ein neues Paradigma der Weltbank-Entwicklungspolitik. Denn offensichtlich stand der Berg-Report in scharfem Kontrast zu den bisherigen Strategien der Weltbank, besonders im Vergleich zur armutsorientierten Politik der 70er Jahre.

 

In meiner Arbeit beschäftigte ich mich mit zwei Teilaspekten der Weltbank: einerseits mit der Entwicklungspolitik der Weltbank per se und andererseits mit den Rückkoppelungseffekten, welche diese Politik beeinflussten. Dementsprechend betrachtete ich die Weltbank als ein System, das in einem funktionalen Zusammenhang zu seiner Umwelt, den Mitgliedstaaten, aber auch zu entwicklungspolitischen Trend steht. Um das System Weltbank in den historischen Kontext zu stellen, untersuchte ich die wechselnden Paradigmen in der bisherigen Entwicklungspolitik der Weltbank.

 

Den Untersuchungsrahmen bildeten die Faktoren, welche den Wandel der WeltbankEntwicklungspolitik mitbeeinflussten: Bei der Auswahl der Mitgliedstaaten legte ich mich einerseits auf die USA fest, die als grösster Geldgeber am meisten Stimmrechte und Einfluss besitzen. Andererseits präsentierte ich Tansania als Entwicklungsland, das in hohem Mass von Darlehen der Weltbankgruppe abhängig ist. Von Interesse schien mir auch ein Blick auf die Entwicklungstheorien und die Stellung der Weltbank innerhalb der theoretischen Debatte.

 

Den Wandel in der Entwicklungspolitik untersuchte ich unter Verwendung von Dokumenten der Weltbank, welche sich mit entwicklungspolitischen Strategien auseinandersetzten. Darauf bauend verfolgte ich die eigentliche Geschäftstätigkeit der Weltbank, speziell im Rahmen der IDA. Der Zeitraum reichte von Ende der 60er bis Mitte der 80er Jahre. Die Beziehungen zwischen der Weltbank und den USA interessierten mich in bezug auf den Einfluss der Vereinigten Staaten wegen ihres Kapital- und Stimmrechtspotentials. Daher untersuchte ich anhand der Protokolle des US-Kongresses die Bewilligungsverfahren für IDA-Kapitalauffüllungen in Administration und Gesetzgebung. Das Verhältnis zu Tansania betrachtete ich mit Blick auf das gegenseitige Verhalten bei strategischen Änderungen in der Entwicklungspolitik der Gegenseite, den Paradigmenwechsel auf Seite der Weltbank und die wirtschaftspolitische Neuorientierung Tansanias nach der Arusha-Deklaration von 1967. Ich stützte mich dabei hauptsächlich auf Länderstudien der Weltbank und in geringem Mass auf tansanische Regierungsder kumente zur wirtschaftlichen Entwicklung.

 

Wie die Untersuchung zeigte, reagierte die Weltbank als System sehr sensibel auf Änderungen der betrachteten Einflussfaktoren. Die Weltbank orientierte sich stark an entwicklungstheoretischen Trends, bestimmte diese aber selbst auch mit. Bei der Beurteilung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten muss klärend vorausgeschickt werden, dass die Weltbank von den USA sowohl finanziell als auch personell in hohem Mass abhängig war und noch ist. Dennoch folgte sie beim Paradigmenwechsel zu Beginn der 80er Jahre den innenpolitischen Entwicklungen, welche die Administration von Präsident Reagan in ihrem neoklassischen Wirtschaftsprogramm umsetzte, ohne grossen Widerstand. Diese Veränderungen manifestierten sich in der Folge im geschäftlichen Kontakt mit Entwicklungsländern, namentlich mit Tansania. Wurden deren eigenständige Entwicklungsstrategien in den 60er und 70er Jahren geduldet oder gar gefördert, waren in den 80er Jahren die Kredite an strenge wirtschaftspolitische Auflagen gebunden.

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