Täglich ist der Mattelift an der Münsterplattform in Betrieb und bietet durch seinen Standort eine bequeme sowie direkte Verkehrsverbindung zwischen der Matte und den oberhalb gelegenen Stadtteilen. Die Fahrt – rund 30 Meter Höhendifferenz überwindend – dauert nur wenige Sekunden und erspart ein mühsames Treppensteigen. Der in Bern liebevoll als „Senkeltram‟ benannte Lift mit seiner mehr als 125-jährigen Betriebsgeschichte hat sich längst zu einem geschätzten Verkehrsmittel der Stadt entwickelt. Im Gegensatz zur heutigen Selbstverständlichkeit des Liftfahrens musste sich die Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts erst an die Neuartigkeit von Personenliften gewöhnen. Der Mattelift kann als Avantgarde-Projekt verstanden werden, da die Anlage den ersten vollständig elektrisch betriebenen öffentlichen Personenlift der Schweiz verkörperte. Zum Zweck einer direkten Verkehrsverbindung des Mattequartiers bildete sich 1894 ein Initiativkomitee, das an der Badgasse einen elektrischen Aufzug erstellen wollte. Bis der Lift im Jahr 1897 endlich in Betrieb genommen werden konnte, sahen sich die Initianten mit unterschiedlichen Schwierigkeiten konfrontiert. So musste das Komitee unter anderem dem Vorwurf der „Verschandelung‟ der Münsterplattform begegnen und Überzeugungsarbeit für sein Projekt leisten.
Bisher fehlte eine historische Aufarbeitung des Mattelifts. Die Motivation dieser Arbeit besteht darin, die Besonderheiten des Mattelifts in seiner Entstehungsgeschichte aufzuzeigen. Die Arbeit analysiert dabei primär die Argumente für und gegen die Errichtung des Mattelifts in der städtischen Entwicklung Berns am Ende des 19. Jahrhunderts. Ebenfalls untersucht die Studie die Missstände im Mattequartier, welches damals aufgrund der sozialen und hygienischen Zustände als regelrechtes „Elendsviertel‟ galt und von den städtischen Behörden lange vernachlässigt wurde. Somit steht die Errichtung des Personenlifts ebenso in engem Zusammenhang mit der sozialen Entwicklung des Mattequartiers.
Der Arbeit zugrunde liegt eine historisch-hermeneutische Herangehensweise. Sie unterzieht die Quellen einer deskriptiven Analyse, diskutiert sie in chronologischer Reihenfolge und ordnet sie nach sozial-, kultur- und unternehmenshistorischen Ansätzen in den zeitlichen Kontext ein. Dabei bilden die Aktenbestände der Mattelift AG aus dem Stadtarchiv Bern und verschiedene Berner Lokalzeitungen aus den 1890er Jahren die Hauptquellen der Untersuchung. Insbesondere die Protokolle des Initiativkomitees, die Verwaltungsratsprotokolle und die Jahresberichte verdeutlichen die Motive, Erfahrungen sowie die Erwartungshaltung der Initianten. Zum anderen geben die Lokalzeitungen aus dem untersuchten Zeitraum Aufschluss über die öffentliche Wahrnehmung und die zeitgenössischen Diskurse. Das Intelligenzblatt der Stadt Bern, das Berner Tagblatt sowie die Berner Tagwacht berichteten ausführlich über das Projekt Mattelift.
Die Untersuchung zeigt, dass der Mattelift im Kontext der europäischen Liftgeschichte fassbar ist. Wie andernorts in Europa brauchte es eine gewisse Erfahrung in der Gesellschaft, um den Lift als neues Verkehrsmittel zu akzeptieren und die anfängliche Skepsis der Bevölkerung gegenüber einer neuen Technologie zu überwinden. Die Initianten bemühten sich darum, den Aufzug als sichere und effiziente Verkehrsverbindung zu bewerben. Die 1885 erbaute Marzilibahn im Nachbarquartier diente dem Komitee als Vorbild. So wie die Drahtseilbahn im Nachbarquartier die Entwicklung des Quartiers gefördert hat, erhofften sich die Beteiligten, dass der Lift in der Matte ebenfalls die sozialen Zustände verbessern würde. Allerdings begleiteten zahlreiche Probleme die Erstellung des angestrebten Aufzugs. Die Finanzierung gestaltete sich schwieriger als zu Beginn angenommen, die Gemeinde der Stadt Bern und die Bundesbehörden waren wegen der Neuartigkeit des Lifts peinlich genau mit den rechtlichen Auflagen. Daneben warfen konservativ gesinnte Kreise dem Komitee vor, dass der Lift die Münsterplattform verschandle. Die von Polemik geprägte Auseinandersetzung zwischen der Gegnerschaft und dem Initiativkomitee verdeutlicht die sozialen Gegensätze zwischen der Matte und der oberen Stadt. Trotz dieser Widrigkeiten gelang es den Initianten schliesslich, den Mattelift im Jahr 1897 nach mehreren Jahren Planung und einer abenteuerlichen Montage in Betrieb zu nehmen.
In der Berner Zeitschrift für Geschichte (BEZG) ist für die Ausgabe 2025/Heft 1 ein Beitrag zur Geschichte des Mattelifts vorgesehen.