Die Spanische Grippe in der Schweiz. Zur Bewältigung der Krise im Kanton Aargau

AutorIn Name
Nicolas
Halter
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Dr.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2022/2023
Abstract

Im Aargauischen Tagblatt vom 30. Oktober 1918 konstatierte der Autor, dass von der Spanischen Grippe, und nicht vom Krieg und vom Frieden, derzeit die Rede sei. Einer Pandemie, die mit geschätzt 20 bis 30 Millionen Grippetoten weltweit als eine der schlimmsten demographischen Einzelkatastrophen des 20. Jahrhunderts gilt. Derweil forderte sie knapp 25000 Schweizer:innen das Leben, deren 1360 Tote fanden sich im Kanton Aargau.

Die Arbeit untersucht zweierlei Aspekte der Spanischen Grippe von 1918 bis 1920 auf dem Gebiet des Kantons Aargau. Einerseits den monatlichen Verlauf der Spanischen Grippe anhand der grippeinfizierten und grippeverstorbenen Personen der Gesamtbevölkerungszahl. Der Arbeit zu Grunde liegen die Zahlen des Schweizerischen Bulletins aus den Jahren 1918, 1919 und 1920. Ferner dienen die Statistischen Jahrbücher derselben Jahre des eidgenössischen statistischen Bureaus als Quelle zur Erarbeitung des Datenmaterials. In Abgleichung mit dem Aargauischen Tagblatt ergibt sich daraus eine monatliche Mortalitätsund Infektionsrate des Kantons. Andererseits liegt ein weiterer Fokus auf der Reaktion der kantonalen Sanitätsdirektion und des Regierungsrates des Kantons Aargau. Dieser Teil der Arbeit zielt auf die Untersuchung der behördlichen Massnahmen dieser Instanzen und dem Eingriff in das private und gesellschaftliche Leben der Bürger:innen des Kantons. Anhand der Regierungsratsprotokolle der Jahre 1918 bis 1920 konnten sämtliche Massnahmen zur Eindämmung der Epidemie, Korrespondenzen zwischen privaten und staatlichen Akteuren sowie Meldungen der polizeilichen Organe des Kantons untersucht werden. Mithilfe des Aargauischen Tagblattes war es zudem möglich, Erkenntnisse aus dem privaten Leben der zeitgenössischen Leserinnen und Leser zu gewinnen. Anhand diverser Leserbriefe und Kommentare konnte so die Resonanz auf die Verordnungen des Regierungsrates analysiert und in einen kulturhistorischen Kontext gestellt werden.

In drei Wellen, wobei die letzte einer anderen Krankheit zugeschrieben wird – der Encephalitis lethargica – rollte die Krankheit über das Gebiet der Eidgenossenschaft. Festzuhalten ist, dass jeder Kanton unterschiedlich hart getroffen wurde. Sie forderte auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft 24 449 Todesopfer und infizierte schätzungsweise 660 000 Personen, die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher ausfallen. Damit steckte sich beinahe jede sechste Person mit dem Virus an. Über die französische Landesgrenze kommend verbreitete sich das Virus via Westschweiz über die Gebiete der Schweiz und machte vor keiner Gemeinde halt.

Der Verlauf der Spanischen Grippe im Kanton Aargau entsprach jedoch weder dem seiner Nachbarkantone, noch dem schweizweiten Durchschnitt. Nach einem kurzen Anstieg der Grippezahlen im Juli und August 1918 und eher harmloseren Krankheitsverläufen, stieg die Kurve im Laufe des Septembers 1918 an und traf die Bevölkerung mit voller Härte. In den Wintermonaten Oktober und November desselben Jahres registrierte der Kanton Aargau daher die meisten Grippefälle und -toten. Die Grippezahlen stiegen anfangs Dezember erneut kurzzeitig an, wobei die Grippe im Jahr 1919 in sämtlichen Regionen des Kantons abflaute. Durch ein stetiges Auf und Ab erwies sie sich im Frühjahr als äusserst hartnäckig, bis sie schlussendlich im Mai 1919 zeitweise von der Bildfläche verschwand. Am Anfang des Jahres 1920 tauchte die Grippe erneut auf.

Anhand des untersuchten Zahlen- und Datenmaterials der vorgestellten Quellen kommt die Arbeit zum Fazit, dass der Regierungsrat des Kantons Aargau, nach anfänglich minimalen Leitlinien des Bundesrates zur Bekämpfung der Spanischen Grippe, die Anordnungen übernahm und in Zusammenarbeit mit den kantonalen Sanitätsbehörden rasch neue Vorgaben verabschieden liess. Versammlungsverbote, Schulschliessungen oder Hygienemassregelungen waren einige davon, die wirtschaftliche und soziale Einrichtungen gleichermassen betrafen.

Je nach Gesundheitslage der Bevölkerung des Kantons verschärfte der Regierungsrat folglich seine Erlasse und wog stets ab, was zugelassen werden konnte oder eben nicht. Letzten Endes schloss der Kanton Aargau in einem schweizweiten Vergleich deshalb im hinteren Drittel der Mortalitätsrate ab und kam gewissermassen mit einem blauen Auge davon.

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