Academic writing genre
PhD thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Philippe
Sarasin
Institution
Neuzeit
Place
Zürich
Year
2011/2012
Abstract
Im Mittelpunkt dieses Forschungsprojekts steht die Entstehung neuer Fürsorgefelder für „gefallene“ und „sittlich gefährdete“ Frauen durch bürgerliche Vereine am Ende des 19. Jahrhunderts sowie die teilweise Verstaatlichung dieser Fürsorge zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der deutschsprachigen Schweiz. Dieses Fürsorgenetzwerk, das weit umfassender war als bisher, war eine Pionierleistung evangelischer Frauen- und Männervereine zur Hebung der Sittlichkeit und der Freundinnen junger Mädchen, wie sie in der Deutschschweiz am Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der sich von England auf weite Teile Europas ausbreitenden Sittlichkeitsbewegung entstanden. Diese Vereine gründeten zahlreiche Erziehungsheime und Fürsorgestellen, um vorwiegend junge Frauen vor der Prostitution und „sittlichen Verwahrlosung“ zu „retten“ oder zu bewahren. Der Staat nahm die weibliche Fürsorge lange nicht als eigene Aufgabe wahr. Erst seit den 1910er-Jahren wurde die Fürsorge für (potentielle) Prostituierte Teil des entstehenden Sozialstaates und die private Fürsorge wurde teilweise verstaatlicht. Fortan existierten sowohl staatliche wie private Einrichtungen und die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Privaten wurde intensiviert. Exemplarisch werden in diesem Projekt die Vereine zur Hebung der Sittlichkeit von Zürich, Basel und Bern sowie – stellvertretend für die private Prostitutionsfürsorge – ihre Erziehungsheime untersucht. Das Forschungsinteresse gilt der Rolle dieser Vereine im Prozess der Etablierung und teilweisen Verstaatlichung ihrer Fürsorge. Im Mittelpunkt steht die Schnittstelle zwischen privater Initiative und staatlicher Institutionalisierung in den Anfängen des Sozialstaates.
Methodisch stützt sich diese Arbeit auf die gender studies, die historische Netzwerkforschung und die governmentality studies. Sie zieht Überlegungen zu Integration und Ausschluss und zum doppelten Mandat der sozialen Arbeit mit ein. Das Untersuchungsmaterial besteht primär aus den Quellenkorpora der Sittlichkeitsvereine sowie aus politischem Quellenmaterial und Behördenakten.
Diese Forschungsarbeit fokussiert auf Themen, die bislang in der Schweiz kaum erforscht sind: die Fürsorge für sexuell „deviante“ Frauen, die Heimerziehung sowie der Einfluss von Privaten auf die Anfänge des Sozialstaates. Das Ziel des Projekts ist zudem ganz grundsätzlich, einen Beitrag zur Geschichte der Prostitution, der (Un-)Moral und der Privatwohlfahrt zu leisten.
Publikation