„religion or whatever belief“. Die Ausarbeitung der UNO-Erklärung zur Beseitigung aller Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder Überzeugung

AutorIn Name
Daniel
Béguin
Academic writing genre
Licenciate thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Judit
Garamvölgyi
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
1999/2000
Abstract

Der lange Titel weist darauf hin: über 20 Jahre Ausarbeitungszeit waren nötig, bis sich die UN-Mitglieder 1981 auf den Inhalt und Umfang der festzuhaltenden Menschenrechte in dieser Erklärung einig waren. Nachdem eine gesonderte Studie die „Zwillingskonvention“ gegen die Rassendiskriminierung von 1965 zum Gegenstand hatte, steht bei der vorliegenden Arbeit das Untersuchungsinteresse im Zentrum, die UN-Arbeit gegen die religiöse Diskriminierung vor dem historischen Hintergrund zu analysieren. Konzentrierte sich die bestehende Literatur vorab auf völkerrechtliche und rechtshistorische Fragen, so richtet sich hier der Fokus auf die politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Einflussfaktoren auf internationaler Ebene, wobei der Dynamik des Ost-West- und des Nahost-Konflikts besondere Beachtung geschenkt wird. Wichtigster Quellenkorpus bilden die Berichte und Protokolle aller betroffenen UN-Organe. Angesichts der Komplexität von multilateralen Verhandlungsprozessen werden als bestimmende Akteure Staaten angenommen; die beteiligten Personen bleiben als Individuen grösstenteils ausgeblendet. Die Studie zieht innerstaatliche Entwicklungen dort mit ein, wo deren Einfluss auf den Ausarbeitungsprozess auf internationaler Ebene vermutet werden kann. Parallel zu den staatlichen Aktivitäten richtet sie ihren Blick auf die Rolle der Kirchen und religiösen NGOs und ergänzt die UN-Quellen punktuell mit Dokumenten dieser Organisationen.

 

Der Einführungsteil informiert über den Stand der völkerrechtlichen Normensetzung der UNO auf dem Gebiet des Schutzes der Religions- und Überzeugungsfreiheit zu Beginn der Diskussionen um eine spezielle Erklärung (zum Beispiel in der UN-Charta). Ausgangspunkt für die 1960 einsetzenden Debatten bildete die in diesem Jahr fertiggestellte Krishnaswami-Studie über den Schutz vor religiöser Diskriminierung, welche auf Anregung einer jüdischen NGO erarbeitet wurde. In den ersten Kommissionsarbeiten stand zwischen den Grossmächten der beiden ideologischen Lager die Frage im Zentrum, ob in der Erklärung – und später in einer Konvention – die Religionen und der Atheismus gleichgesetzt werden sollten. Das zunächst beidseitig gebilligte Projekt, welches sowohl den Antisemitismus als auch die Rassendiskriminierung speziell ächten sollte, erfuhr jedoch in der Frühphase der Beratungen eine entscheidende Änderung. Die Dekolonisation und die Spannungen zwischen Washington und Moskau während der Berlin- und Kuba-Krise erlaubten den afro-asiatischen Staaten eine neue Frontbildung. In den Plenarorganen setzten sie mit Unterstützung der Ostblockstaaten bis 1965 eine eigenständige, gegen Südafrika und die USA gerichtete Konvention gegen die Rassendiskriminierung durch. Gleichzeitig strich die Generalversammlung mit Zustimmung arabischer Staaten darin einen möglichen amerikanischen Kritikpunkt an der Sowjetunion: den Antisemitismus. Im Gegenzug intensivierten bis 1967 die USA zusammen mit westeuropäischen, lateinamerikanischen und einzelnen asiatischen Staaten die Bemühungen um einen Konventionsentwurf, welcher weitreichende Freiheitsrechte für religiöse Gläubige beinhaltete. Begleitet wurde diese 1963 einsetzende Phase von einem wachsenden internationalen Engagement religiöser NGOs, das wesentlich auf das II. Vatikanische Konzil zurückzuführen ist. Im Zeichen der beginnenden Entspannung rückten die Weststaaten von ihrer harten Haltung gegenüber dem Atheismus ab, doch gelang es ihnen nicht, den Konventionsentwurf 1967 durchzusetzen. Nach dem Sechs-Tage-Krieg verstand es die sowjetische Delegation in der Generalversammlung die arabischen und die afro-asiatischen Staaten gegen den Konventionsentwurf zu mobilisieren und diesen weitgehend zu verwässern. Die USA – zugleich wegen Vietnam heftiger Kritik ausgesetzt – verloren danach ihr Interesse; die Verhandlungen wurden fünf Jahre lang verschoben.

 

Hintergrund für diesen Unterbruch bildeten neben dem Vietnam-Krieg die Rassenunruhen in den USA, die Studentenbewegung und der Prager-Frühling. Der zentrale Grund aber, weshalb die Weststaaten bis 1972 das Projekt einer Erklärung nicht wieder initiierten und sich danach für Jahre sehr zurückhaltend zeigten, ist im beginnenden KSZE-Prozess zu sehen. Für die Nordatlantische Allianz besass die Fixierung der Menschenrechte in Korb III der KSZE-Akte klare Priorität und sollte nicht gefährdet werden. In einem äusserst mühsamen Verhandlungsprozess konnte somit auf niedriger Stufe zwischen 1974 und 1978 jeweils pro Jahr ein Satz der Präambel verabschiedet werden! Als bremsender Faktor trat die wachsende Komplexität weltpolitischer Konfliktlinien hinzu: neben den innerarabischen Spannungen nach dem ägyptisch-israelischen Friedensabkommen beeinflusste die Konzentration der afro-asiatischen Staaten auf eine Neue Weltwirtschaftsordnung und der sich Ende der 1970er Jahre wiederum verschärfende Ost-West-Konflikt den Fortschritt bei der Erklärung negativ. Begleitet wurde diese Phase der Beratungen zudem von einer Art Rekonfessionalisierung, welche durch die Aktivitäten des Papstes, zahlreichen religiösen NGOs und betont islamischen Staaten in die UNO eingebracht wurde. Letzteren eröffnete sich nicht zuletzt aufgrund der intensiveren Ost-West-Konfrontation vermehrt Handlungsspielraum, den sie im Schlussstadium umzusetzen vermochten: Denn erst als auf die explizite Erwähnung des Atheismus und der Freiheit auf Wechsel der Religion verzichtet wurde, konnte die Erklärung 1981 mit Konsens verabschiedet werden. Insgesamt blieben die Konfliktpunkte „staatliche Souveränität“, „Atheismus“ und „Religionswechsel“ während dem gesamten Ausarbeitungsprozess zentral und das Verhältnis zwischen Ost und West für diesen Verlauf bestimmend. Der Nahost-Konflikt verstärkte phasenweise den Ost-West-Konflikt, ergänzte diesen jedoch ab Mitte der 1970er Jahre mit einer überlagernden Konfliktlinie, so dass am Schluss aus der Wechselwirkung dieser zwei Konfliktlinien ein wenig griffiges Menschenrechtsinstrument resultierte.

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