Die Dissertation zeigt anhand der organisierten Frauenbewegung die politischen, ökonomischen und militärischen Lernprozesse vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg. Sie beleuchtet die politische Stimmung der Schweiz während über dreissig Jahren, zeigt die Wellenbewegungen von Aufbruch und Reaktion und reflektiert die Konstruktion der Geschlechterordnung während Kriegs- und Krisenzeiten. Sie erlaubt Einblick in die Gestaltung und die Austragung feministischer und antifeministischer Politik der unterschiedlichsten politischen Akteure und Akteurinnen und lässt wichtige Frauen der damaligen Zeit zu Wort kommen, die in keinen Geschichtsbüchern mehr auftauchen. Weil sie eine Verbindung zwischen militärstrategischen Entscheiden, der Geschlechterordnung und den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zieht, erhellt die Lektüre des Einsatzes der „Schürze in der Landesverteidigung“ auch den gegenwärtigen Zustand der Geschlechter.
Die Arbeit gliedert sich in fünf Hauptteile und eine Schlussynthese, wobei der erste Teil sowohl den Forschungsstand als auch die bestimmenden Faktoren behandelt, die über den ganzen Untersuchungszeitraum für die Stellung der Frauen ausschlaggebend waren: das Verhältnis zum Staat, der Zugang zur Erwerbsarbeit und der Stellenwert der Wehrpflicht. In allen drei Bereichen war das Geschlecht von ausschlaggebender Bedeutung. Sowohl im politischen System als auch auf dem Arbeitsmarkt wurden die Frauen als Sondergruppe behandelt. Der männliche Bürger konstituierte sich politisch über die Wehrpflicht und wirtschaftlich über das Konzept des Alleinernährers einer Familie. Frauen wurden nur als subsistenzsichernde Hilfskräfte wahrgenommen und je nach Bedarf eingesetzt.
Die Qual der Wahl politischer Strategien
Die organisierte Frauenbewegung tat sich alles andere als leicht mit dem Entscheid, welche Strategie auch den grössten politischen Einfluss garantieren konnte. Es musste gleichzeitig um mehr (Kampf für das Frauenstimmrecht) als auch um die Erhaltung der bisherigen Rechte (auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt) gekämpft werden. Oft gab es dabei die Unmöglichkeit der Wahl, sich für Gleichheit zu entscheiden und trotzdem den Weg der Differenz zu gehen. Dies führte zu einer Wellenbewegung von Aufbruch und Reaktion – ein Phänomen, das auch der neueren Frauenbewegung bekannt ist.
Der Erste Weltkrieg bescherte der organisierten Frauenbewegung ein spezifisch schweizerisches „August-Erlebnis“. Die nationale Euphorie kannte unter den zahlreichen nationalen und lokalen Frauenverbänden kaum Grenzen. Der „Grenzdienst an der inneren Front“ trieb die Professionalisierung der weiblichen Erwerbsarbeit ein gutes Stück weiter. Dieser Prozess wird in der Studie mit dem Übergang von der „Verwirtschaftlichung der Grenzbesetzung“ zur „Verwirtschaftlichung der Frauenfrage“ gekennzeichnet. Ökonomische Gleichstellung und das Recht auf Arbeit für beide Geschlechter standen fortan auf der Traktandenliste der organisierten Frauenbewegung. Die Erkenntnis, dass nicht nur fehlende politische Rechte, sondern auch die Diskriminierung im Wirtschaftsleben die Gleichstellung der Frauen behinderten, führte zu – für schweizerische Verhältnisse – radikalen Positionen innerhalb der organisierten Frauenbewegung. Die 20er Jahre waren gekennzeichnet durch einen progressiven öffentlichen Diskurs über die wirtschaftliche und politische Emanzipation des weiblichen Geschlechtes: Erster Auftakt bot der Zweite Schweizerische Frauenkongress 1921, Abschluss der „Verwirtschaftlichung der Frauenfrage“ war dann die Saffa (Schweizerischen Ausstellung für Arbeit) 1928. Der Siegeszug von Faschismus und Nationalsozialismus in Europa setzte dieser Entwicklung ein vorläufiges Ende. Mit dem Aufkommen der Fronten im Frühjahr 1933 war auch innenpolitisch das Signal gegeben, auf Frauenseite gegen die reaktionären Erneuerungsbewegungen Stellung zu beziehen. Die Frauenorganisationen fanden sich in der „Arbeitsgemeinschaft Frau und Demokratie“ zusammen, um in einer frauenspezifischen Variante der Geistigen Landesverteidigung die schweizerische Demokratie zu stützen. Diese „Nationalisierung der Frauen“ stellte eine politische Option dar, die nicht ohne Rückschlag bleiben konnte: Gleichzeitig mit der Integration des „Frauengeistes“ in den „Schweizergeist“ erfolgte die Vereinnahmung frauenpolitischer Positionen durch den ideologischen Mainstream der Geistigen Landesverteidigung.
So wurde der anfänglich feministische Diskurs zugunsten der Verteidigung der bisherigen Schweiz preisgegeben. Im Dienste der Landesverteidigung opferten die Frauenrechtlerinnen wichtige politische Instrumente der Verweigerung, der eigenen Mobilisation und des Agenda settings. So verschwand die Frauenfrage für lange Jahre hinter dem schweizerischen Landigeist.
Die Geschlechterhierarchie im Erwerbsarbeitsmarkt
Der „doppelte Gebrauchswert der Frau“ (Beatrix Mesmer) führte zu gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen, die sich einerseits am Produktionswert (Erwerbsarbeit) und andererseits an der Reproduktionsleistung (Gebärfähigkeit) der Frau orientierten. Der Geschlechtervertrag setzte die ungleiche Hierarchie zwischen den Geschlechtern auf dem Erwerbsarbeitsmarkt voraus. Mit allen wohlfahrtsstaatlichen Mitteln und mit ungewöhnlich breitem gesellschaftlichem Konsens wurde darauf hingearbeitet, dass sich das „Mann-Ernährer und Frau/Hausfrau-Zuverdienerin-Modell“ (Karin Hausen) halten konnte. Frauen konnten durch geringere Erwerbsarbeit weniger an der gesamtgesellschaftlichen Lohnsumme teilhaben und alle Arbeiten, die von Frauen ausgeführt wurden, galten im Diskurs nicht als wirkliche Erwerbsarbeiten und lagen somit ausserhalb der rechtlichen und materiellen Arbeitsmarktregelungen. Nicht nur wurde das Grundrecht „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ konsequent mit Hinweis auf die Differenz verletzt, sondern die Legitimation für die Entlöhnung gewisser Arbeiten grundsätzlich in Frage gestellt. Damit unterlag der Arbeitsmarkt einer Ständeordnung nach Geschlecht, hierarchisch gegliedert. Der gesellschaftliche Diskurs über Frauenarbeit wies immer reaktionäre Komponenten auf, es ging grundsätzlich um das Zurückdrängen der Frauen aus der gewinnbringenden Erwerbsarbeit. Von 1914 bis 1945 dienten die statistischen Erhebungen, die politischen Regelungen über und die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen gegen die Frauenerwerbsarbeit vorwiegend dazu, die bestehende Geschlechterhierarchie im Erwerbsarbeitsmarkt aufrecht zu erhalten. Entgegen der populären Annahme, dass gerade Krisen- und Kriegszeiten den Frauen mehr Erwerbsarbeit gebracht hätten, hielt die Geschlechterordnung selbst den unter Druck geratenen Verhältnissen stand.
Die staatliche und politische Konstruktion von Geschlecht in der Referendumsdemokratie Das schweizerische politische System befand sich zwischen 1914 und 1945 in einem Ausnahmezustand. Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Dringlichkeits- und Vollmachtenregimes des Bundesrates verstärkten die schon bestehenden informellen politischen Entscheidungsprozesse. Dabei nahmen die organisierten Interessen einen wichtigen Stellenwert ein. Die organisierte Frauenbewegung wurde nur dann in den politischen Entscheidungsprozess integriert, wenn sie entweder über entsprechendes Innovationspotential und/oder über genügend ökonomische und politische Verweigerungskraft verfügte. Entgegen der wissenschaftlichen und populären Meinung waren die Schweizer Frauen, respektive die schweizerischen Frauenverbände, politisch nicht völlig recht- und stimmlos, sondern im vielfältigen Gewebe notrechtlicher Entscheidungen von der Exekutive eingebunden. Die hohe Integration der weiblichen Kompetenzen auf Vollzugsebene wurde mit der gelungen Desintegration der Frauenverbände auf der politischen Entscheidungsebene kompensiert – der „weiblichen Vollzugskompetenz“ stand die „männliche Entscheidungsmacht“ gegenüber. Es bestand damit ein „Risiko der Integration“, das die formelle politische Gleichstellung nicht unbedingt beschleunigte.
Die Verknüpfung von Wartime und Gender System
Militärstrategische Lösungen fanden nie im luftleeren Raum statt, sondern waren das Resultat der Kombination von militärischen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Alan Milward). Eine gut geplante Strategie erforderte eine Synthese all jener Faktoren, politischer, militärischer, sozialer und psychologischer Art, die eine Nation zum Krieg führen oder Krieg vermeiden brauchte. Viele dieser Faktoren hatten eine unmittelbare Bedeutung für das Funktionieren der Wirtschaft. So mussten die Anforderungen zwischen der inneren und äusseren Front sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Dies bedeutete im Fall Schweiz nicht zuletzt auch eine Stabilität der herrschenden Geschlechterordnung. Es war damals schier unvorstellbar, Frauen zu Tausenden in Uniformen und Fabrikarbeitskittel zu stecken. Konsequenz davon war, dass als verfügbare Soldaten und/oder Arbeitskräfte nur Männer in Frage kamen - eine erhebliche Ressourcenbeschränkung.
Ökonomische, politische und soziokulturelle Konflikte mussten – so die gängige Lehre aus dem Ersten Weltkrieg – unter allen Umständen vermieden werden. Ein Kernelement in dieser einfachen Gleichung machte der Arbeitsmarkt aus: es galt, die Arbeit und damit die Arbeitsplätze „coûte que coûte“ (Bundesrat Marcel Pilet-Golaz) zu erhalten. Damit geriet aber die strategische Synthese Schweiz in ein Dilemma: Die männliche Bevölkerung konnte nicht gleichzeitig an der Grenze und in den Fabriken stehen. Der militärstrategische Entscheid zum Réduit national mit der massiven Teilmobilisierung in den Alpen stellte eine bedeutende Entlastung für die von der Armee benötigten und für die für die Wirtschaft freigesetzten Ressourcen dar. Gleichzeitig verknüpfte sich im Réduit die strategisch sinnvolle Verbindung von Kooperation und Dissuasion. Schliesslich ergab sich eine gesellschaftliche Stabilisierung, die nicht zuletzt auf einer funktionierenden Geschlechtertrennung aufbaute. Die mit Befehlskompetenzen ausgestatteten Instanzen dachten keinen Moment daran, Frauen wie Männer als gleichberechtigte Bürger, Arbeitskräfte und Soldatinnen für die Verteidigung des Vaterlandes zu rekrutieren. Die heftige Auseinandersetzung um den Frauenhilfsdienst belegte deutlich, wie starr damals die Geschlechterordnung Politik, Wirtschaft und Armee definierte. Frauen wurden als Arbeitskräfte höchstens zur Subsistenzsicherung, als Aushilfskräfte, die Soldaten ersetzen konnten, oder als „moralische Ressource“ eingeplant. Sie waren deshalb vorwiegend an der „inneren Front“ erwünscht – wobei die Geschlechterordnung den Männern die gutbezahlte Erwerbsarbeit vorbehielt. So reproduzierte und stärkte der „Aktivdienst“ die herrschende Geschlechterordnung. Dabei stützten sich die politischen Entscheide, die Struktur des Erwerbsarbeitsmarktes sowie die militärstrategischen Optionen gegenseitig.
Neben diesen „Grenzziehungen“ spielte die traditionelle Verknüpfung zwischen Wehrpflicht und Bürgerrecht eine wichtige Rolle. Die männliche Wehrpflicht konstruierte bis in die Gegenwart ein besonderes Treueverhältnis zwischen Bürger und Staat – eine exklusiv männliche Beziehung. Die Geschichte der Verfassungsdiskussion um Artikel 18 BV belegt den engen Zusammenhang zwischen Wehrpflicht und Gleichstellung – eine Bindung, die besonders in der Schweiz schier untrennbar erscheint.
Soweit zu den Resultaten der Arbeit, noch ein Wort zu Quellen und Methoden. Die Dissertation stützt sich auf Archivmaterial aus den Beständen des Bundesarchivs, des Gosteli-Archivs und der Archive des SKF (Schweizerischer Katholischer Frauenbund), des SV-Service (Schweizer Verband Volksdienst-Soldatenwohl), des SLFV (Schweizerischen Landfrauen-Verband) und des Sozialarchivs Zürich. Angesichts des breiten Themas und der vorhandenen Materialfülle werden zwei Bereiche bewusst ausgeklammert, nämlich das Verhältnis der Frauen- zur Friedensbewegung und die Mitarbeit der Frauenverbände bei der Flüchtlings- und Interniertenbetreuung. Mit einem interdisziplinären Ansatz stehen historische Quellenforschung, geschlechtergeschichtliche Analysen und politologische Methoden aus der AkteurInnen- und Bewegungsforschung gleichberechtigt nebeneinander.