LSD – Ein Stoff in Bewegung. Stoffkonzepte in der klinischen Forschung 1947 – 1963

AutorIn Name
Benjamin
Kohli
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Kristina
Schulz
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2017/2018
Abstract
Ein Selbstversuch führte den Schweizer Chemiker Albert Hofmann am 19. April 1943 zur Entdeckung der psychoaktiven Potenz des LSD. Aufgrund des 75-jährigen Jubiläums dieses Ereignisses fand am 19. April 2018 in Basel der Kongress 75 Jahre LSD: Wohin führt die Reise? statt und mit der Ausstellung LSD. Ein Sorgenkind wird 75 erzählt die Schweizerische Nationalbibliothek über mehrere Monate von der Geschichte dieses Stoffs zwischen Wunderdroge und Teufelswerk. Beide Veranstaltungstitel deuten eine Bewegung an. Zum einen eine Bewegung der Substanz selbst, welche ausgehend von Basel zunächst durch verschiedene Forschungseinrichtungen insbesondere in Europa und den USA führt, und zum anderen eine Bewegung von Vorstellungen, Ideen und Visionen, die mit dem Stoff verbunden werden und offensichtlich sowohl himmlische als auch höllische Assoziationen hervorrufen. Anhand des methodischen Ansatzes der travelling concepts der Kultur- und Kunsthistorikerin Mieke Bal wird die Reise des LSD als Bewegung von Stoffkonzepten gefasst. Diese beginnt mit der ersten wissenschaftlichen Untersuchung der Stoffwirkung am Menschen an der psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli in Zürich und steht im Zeichen der Stabilisierung der Substanz im pharmakologischen Kontext. Fragen über die Dosierung und Verträglichkeit des LSD, die Art und Weise der hervorgerufenen psychischen Veränderungen und damit einhergehend die Klassifizierung innerhalb bekannter psychoaktiver Stoffe prägten die Anfangszeit der Forschung. Die Arbeit zeigt auf, wie die Objektivierung der Rauscherfahrung durch verschiedene Techniken der Vermittlung angestrebt wurde. Der Zugang zum berauschten Subjekt über Schreibproben, physiologische Untersuchungen, Rorschachtests und Eigenberichte von Probandinnen und Probanden führte zu Theorien und Hypothesen über eine mögliche Verwendung der Substanz im klinischen Setting. Der Eingang des LSD in verschiedene wissenschaftliche Disziplinen und geografisch voneinander geschiedene Forschungskulturen wird anhand zweier Achsen festgemacht, welche Brigitte Neumann und Ansgar Nünning für die Bewegung von Konzepten definieren. Diese werden als crossing disciplinary boundaries und crossing national borders bezeichnet und ermöglichen als Analyseinstrument, die Veränderung von Stoffkonzepten nachzuvollziehen. Insbesondere die Analogiesetzung von Rausch und Psychose erwies sich als produktives Verständnis der Stoffwirkung. Als Psychotomimetikum, als Psychosen imitierendes chemisches Agens, sollte LSD Therapeuten im Selbstversuch einen Einblick in die Ideenwelt psychotischer Patientinnen und Patienten ermöglichen. Insbesondere in den USA wurde der LSD-Rausch als temporäre Schizophrenie aufgefasst. Dadurch eröffneten sich Möglichkeiten der Reproduzierbarkeit der Krankheit im Labor. Experimentalanordnungen, welche eine Modellschizophrenie stofflich induzierten und mit dem 1953 synthetisierten Neuroleptikum Chlorpromazin wiederum stofflich unterbanden, werden als Verwissenschaftlichung der psychiatrischen Forschung beschrieben. Die Genese psychischer Krankheiten wurde durch die Wirksamkeit von kleinsten Mengen LSD als Selbstvergiftung durch ein körpereigenes Stoffwechselprodukt denkbar. Die Suche nach einem hypothetischen Autotoxin führte zu einem Heranrücken der Psychologie an die harten Wissenschaften. Ein körperliches Fundament in der Entstehung der Schizophrenie befähigte Fachpersonen aus den Bereichen Biochemie, Neurologie und Pharmakologie ebenso zu qualifizierten Aussagen über psychische Vorgänge wie Psychiaterinnen und Psychiater. Die Forschung mit LSD gestaltete sich somit zunehmend interdisziplinär. Das Quellenmaterial, das es erlaubt, entsprechende Entwicklungen nachzuvollziehen, bilden Studien aus dem Zeitraum 1947 – 1963. Ergänzend werden Dokumente aus dem Nachlass von Albert Hofmann herangezogen. Dieser lagert im Archiv des Instituts für Medizingeschichte in Bern und umfasst neben Korrespondenzen, Vorträgen und Pressematerial auch Dokumentationen von Selbstversuchen. Anhand der Quellen und Publikationen zum II. internationalen Kongress für Psychiatrie, welcher 1957 in Zürich stattfand, werden Differenzen zwischen der Forschung in den USA und Europa, respektive der Schweiz im Speziellen, festgemacht. Die Gleichsetzung des LSD-Rausches mit der Schizophrenie wurde in der Schweiz kritisch beurteilt, was in der Folge zu einer Aufweichung dieses Standpunktes führte. Dadurch erhielt der Einsatz der Substanz als medikamentöses Hilfsmittel in psychotherapeutischen Verfahren Aufschwung. Verstanden als Schlüssel zum Unbewussten sollte der Stoff in der Psyche verborgene traumatische Inhalte offenlegen. Die Arbeit zeigt somit, wie die Reisetätigkeit des LSD die damit einhergehende Wissensproduktion beeinflusste.

Access to the work

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