Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stefan
Rebenich
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2016/2017
Abstract
Im letzten Jahrzehnt konnte die Forschung zur Rezeptionsgeschichte des Kaisers Julian (331–363 n.Chr.) dank zahlreichen epochenübergreifenden Studien beachtliche Fortschritte verbuchen.
Die vorgelegte Masterarbeit folgt diesem Trend und unternimmt einen ersten Versuch, die Julianrezeption im italienischen Faschismus komparatistisch zu erschliessen. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt dabei auf den politischen und wissenschaftlichen Diskursen. Besondere Beachtung wurde den wichtigsten politischen Akteuren dieser Zeit in Italien geschenkt: Mussolini und Pius XI. Zudem wird die Präsenz Julians bei faschistischen und kirchlichen, aber auch bei antifaschistischen Autoren untersucht und die Bedeutung des spätantiken Kaisers bei Selbstinszenierungen des faschistischen Regimes analysiert. Als Quellen dienen in erster Linie Zeitungsartikel und wissenschaftliche Aufsätze, politische Reden, Flugschriften, Monographien und Memoiren.
Die Arbeit ist chronologisch aufgebaut und nutzt das Konzept der politischen Religion von Emilio Gentile. Hierauf aufbauend werden die Merkmale des faschistischen Römerkults und die Julianrezeption zwischen Risorgimento und Faschismus rekonstruiert. An die liberal-laizistischen Formen der Wertschätzung Julians knüpfte Mussolini bereits in den frühen Jahren seines sozialistisch-antiklerikalen Aktivismus in der Schweiz und in Trient an. Stark beeinflusst durch Nietzsches Kritik des Christentums bewunderte der junge Sozialist die stoische Opferbereitschaft und moralische Überlegenheit des letzten heidnischen Kaisers, sodass Julian als letzter Vertreter einer römischen „Herrenmoral“ stilisiert wurde. Mussolini spielte selbst die Rolle des Kaisers, als er sich im Oktober 1914 auf der Suche nach einer politischen Alternative vom PSI abspaltete. Diese Imitation Julians fand ihren Höhenpunkt im Kontext der politischen Wahlen der Nachkriegszeit. Als pontifex haereticus versprach Mussolini die Überwindung der bestehenden konservativen und revolutionären Kräfte durch seine neue politische Religion. Doch abrupt verschwand die Figur des politischen Apostaten nach der politischen Machtergreifung und der opportunistischen provatikanischen Wende von Mussolini. Der neue Römerkult marginalisierte die julianische Figur. Historische Figuren wie Augustus und Konstantin fungierten nun als überzeugende Symbole imperialer Herrschaft. Julian wurde dann nicht nur in den Diskursen von katholischen und sozialistischen Antifaschisten rezipiert, sondern wurde auch von einigen antiklerikalen Faschisten bewundert. Die katholische Julianrezeption im Krisenjahr 1938, die ihren Höhenpunkt in der Rede von Papst Pius XI. im Oktober fand, instrumentalisierte den Apostaten als antifaschistische Symbol gur. Innerhalb des antiklerikalen Faschismus repräsentierten dagegen der Altertumswissenschaftler Goffredo Coppola und der esoterische Philosoph und Rassentheoretiker Julius Evola zwei verschiedene Ansätze einer politischen Julianrezeption im Kontext der Lateranverträge im Jahr 1929.
Coppola bekundete zunächst mit der offensichtlichen Faschisierung des Kaisers seine Sympathie für den Faschismus und befürwortete das Konkordat nur unter der Bedingung einer klaren Unterordnung der Kirche unter den faschistischen Staat. Dagegen weist die politische Rezeption von Evola einen radikaleren Charakter auf. Seine Bemühungen zielten darauf, den Faschismus in ghibellinische und neoheidnische Richtung zu lenken und so eine strikt hierarchische solare Theokratie zu restaurieren.