Gaius Marius: ein typischer popularer Politiker? Untersuchungen zum Verlauf seiner Karriere bis ins Jahr 100 v.Chr.

AutorIn Name
Lukas
Grossmann
Academic writing genre
Licenciate thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Bruno
Bleckmann
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2002/2003
Abstract

Gaius Marius tritt in der antiken Historiographie als Anführer der so genannten popularen Partei in den Jahren von seinem ersten Konsulat 107 v.Chr. bis zu seinem Tod 86 v.Chr. auf. In dieser Position sei Marius mitverantwortlich gewesen für die zusehends sich verschärfende politische Auseinandersetzung mit der Gegenpartei der Optimaten unter Führung Sullas, die schliesslich im ersten Bürgerkrieg gipfelte. Marius selbst erscheint dabei als eher grobschlächtiger militärischer Haudegen, der zwar erfolgreich die in Italien einfallenden Stämme der Kimbern und Teutonen zurückschlägt, jedoch als Politiker jegliche Begabung vermissen lässt und dementsprechend in der Innenpolitik Schiffbruch erleidet. Der spätere Geschichtsschreiber Velleius Paterculus (20 v.Chr.–30 n.Chr.) hat dieses Bild in der prägnanten Formel quantum bello optimus tantum pace pessimus, „so sehr er im Krieg der beste war, war er im Frieden der schlechteste“, zusammengefasst (Vell. II 11.1). In der modernen Forschung wurde diese Sicht weitgehend unkritisch übernommen.

 

Die Lizentiatsarbeit korrigiert dieses Bild in wesentlichen Punkten. Dazu wird zunächst die Quellenlage untersucht und gezeigt, dass die Primärquellen, die von den uns erhaltenen Sekundärquellen (Sallusts bellum Iugurthinum und Plutarchs Marius-Biographie sind die wichtigsten) benutzt wurden, eine stark antipopulare und antimarianische Tendenz hatten. So ist etwa bekannt, dass vier Zeitgenossen des Marius Werke über ihre Zeit verfasst haben, die späteren antiken Geschichtsschreibern als Grundlage dienten; die vier betreffenden Politiker sind uns aber alle als explizite Feinde des Marius bekannt.

 

Eine weitere Ursache für das negative Mariusbild in den Quellen sind die zwei letzten Jahre seines Lebens, in denen er zunächst durch den Versuch, sich das Kommando für den Feldzug gegen Mithridates zu sichern, Sullas Marsch auf Rom und damit den Beginn des Bürgerkriegs provozierte sowie nach seiner Rückkehr aus dem Exil bis zu seinem Tod eine kurze, aber blutige Schreckensherrschaft ausübte. Diese Ereignisse haben rückwirkend die Darstellung der gesamten, über 30 Jahre dauernden politischen Karriere des Marius beeinflusst und verfälscht. Um nicht ebenfalls der Gefahr einer solchen Verfälschung des Gesamtbilds zu erliegen, konzentriert sich die Studie auf Marius’ Karriere bis zum Jahr 100 v.Chr. und insbesondere auf die Zeit 107–100 v.Chr., in der er auf dem Höhepunkt seiner Macht war und sechsmal den Konsulat bekleidete.

 

In der Arbeit wird gezeigt, dass Marius keineswegs als typischer popularer Politiker gelten kann. Zwar erfüllt er ein wesentliches Kriterium popularer Politik, nämlich die Vorgehensweise, politische Anliegen mit Hilfe der Volksversammlung und gegen den Willen der Senatsmehrheit durchzusetzen; eine Methode, auf die die Popularen häufig zurückgriffen, weil sie im Senat gewöhnlich nur eine Minderheit für ihre Anliegen fanden. Auch Marius hat sich öfter dieses Mittels bedient. Ganz anders sieht es hingegen beim Kriterium popularer Inhalte aus. Marius hat sich der Hilfe der Volksversammlung immer nur für persönliche Ziele bedient, nämlich entweder zur Sicherung eines Heereskommandos oder zur Versorgung seiner Veteranen mit Land. Hingegen verfolgte Marius nie die klassischen popularen Ziele, wie sie etwa zuvor von den Gracchen vertreten wurden; auch die Landverteilung an die Veteranen ergab sich nicht aus einer popularen „Überzeugung” heraus, sondern aus dem Verantwortlichkeitsgefühl des Feldherrn für seine Soldaten.

 

Es ist seit längerem unbestritten, dass die Aufteilung der römischen Politlandschaft in zwei festgefügte Parteien im modernen Sinn, nämlich „Optimaten“ und „Populare“, unzulässig ist und allenfalls für die letzte Phase der Republik ansatzweise gelten kann; vielmehr bestand römische Politik in der Republik aus losen, je nach Sachfrage oft wechselnden Bündnissen. Dennoch wird auch in neueren Publikationen über die Zeit des Marius häufig mit diesem veralteten Bild operiert. Die Arbeit zeigt demgegenüber, dass Marius in seiner gesamten politischen Karriere mit Ausnahme der letzten zwei Jahre gute Beziehungen zur (optimatischen) Nobilität hatte, auch wenn er durch seine Herkunft sowie durch seine aussergewöhnliche Karriere immer eine gewisse eigenständige Sonderstellung in der politischen Landschaft einnahm. Wenn Marius zeitweise mit Volkstribunen gegen die Senatsmehrheit arbeitete, so zeigt dies eine Entschlossenheit, seine persönlichen Ziele mit allen Mitteln durchzusetzen, nicht aber eine grundsätzliche populare Gesinnung. Dabei muss beachtet werden, dass insbesondere Saturninus, mit dem Marius in den Jahren 103 und 100 v.Chr. zusammenarbeitete, keineswegs nur dessen Werkzeug war; vielmehr löste Saturninus sich zusehends von Marius und begann, eigene, radikal populare Ideen zu vertreten, die Marius fremd waren. In der sich daraus ergebenden, zum Schluss gewaltsamen Auseinandersetzung stand Marius überzeugt auf der Seite der Senatsmehrheit und damit gegen populare Inhalte.

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