Eine Familiengeschichte in Wachs und Lack. Die Geschichte der Familie von Graffenried aus der Perspektive ihrer Siegel mit Einbezug der Heraldik und Genealogie

AutorIn Name
Christoph
Rubli
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Regula
Schmid Keeling
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2022/2023
Abstract

Siegel erfüllten seit jeher verschiedene Funktionen, die vom Verschliessen eines Dokuments bis hin zum rechtsgültigen Beglaubigungsmittel reichten. Darüber hinaus repräsentierten und reflektierten sie den Siegelinhaber. Gleichzeitig boten sie auch Raum zur Selbstinszenierung und wurden so zu Statussymbolen. Die Siegel der Berner Burger- und Patrizierfamilien standen bisher nur am Rande und selten im Zentrum der bernischen Geschichtsforschung.

Ausgehend von den Siegeln der Familie von Graffenried betrachtet die vorliegende Arbeit diese Objektquellen im sozio-kulturellem und rechtshistorischen Kontext mit Einbezug der Genealogie und Heraldik. Sie eröffnet damit neue Perspektiven auf die Darstellungen der Siegelbildflächen, ihre Symbolik, zusammenhängende Gewohnheiten, den Umgang mit den diversen Arten von Stempeln, der Siegel- und der Sammelpraxis inklusive der symbolischen Entwicklung. Der zentrale Quellenkorpus dieses Forschungsbeitrags ist ein systematisch angelegter und zur Erweiterung ausgelegter Siegelkatalog, der Siegel aus dem Zeitraum zwischen 1381 und ca. 1990 umfasst.

 

Im vorliegenden Forschungsbeitrag wird in einem ersten Teil die Geschichte der Graffenrieds geschildert, die seit dem 14. Jahrhundert in Bern belegt sind. Dabei wird auch der etwas verzögerte Aufstieg ins Patriziat, der spätere Kampf um das „Obenbleiben‟ und schliesslich die Verbürgerlichung (im 19./20. Jh.) sowie die Entwicklung des Wappens nachgezeichnet. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf der Sammlungstätigkeit. Es ergab sich, dass es in Bern ab etwa 1800 für die Erziehung der Söhne ehemaliger Patrizierfamilien immer wichtiger wurde, Siegelabdrucksammlungen der Burger Berns anzulegen. Diese erzieherische Praxis mündete bei Victor von Graffenried (1877 – 1948) in den Plan, eine systematische Sammlung von Graffenried-Siegelabdrücken zu eigenen Forschungszwecken anzulegen. Diese fragmentarisch gebliebene Sammlung wurde zum Grundstock des der Arbeit beiliegenden Katalogs. In diesem Siegelverzeichnis finden nebst Beschreibung der Bildseite und einer Kurzbiografie der Inhaber ebenfalls alle urkundlichen und sonstigen Belege zum jeweiligen Siegel ihren Platz.

 

DerdritteTeilsetztbeidenfragmentarischen Beobachtungen des Victor von Graffenried zum Siegelbild an und im Besonderen der heraldischen Elemente, welche die obligaten Wappen umgeben. Hier ist beginnend mit den verschiedenen Helmtypen eindeutig eine gesellschaftliche Konvention zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert ersichtlich, welche den Notabeln einen anderen Helmtyp zugestand als dem Patriziat. Die anschliessende Betrachtung der Verwendung von Rangkronen (nebst Helmkronen) ab der Mitte des 17. Jahrhunderts parallel zur Aristokratisierung und Abschluss der burgerlichen Familien Berns ergab, dass die Berner, beeinflusst durch das französische und deutsche Rangkronensystem, gewisse Eigenheiten entwickelten. Sie hatten möglicherweise ein eigenes, ungeschriebenes Auszeichnungssystem. Dies wird besonders durch die Verwendung der ansonsten als Grafenkrone bekannten Neunperlenkrone sichtbar, die bei den Siegelbildern des 18. Jahrhunderts äussert präsent ist. Im letzten Teil der Masterarbeit stehen schliesslich die Siegelpraxis und der Umgang mit den Stempeln im Fokus. Gemäss dem durch die bernische Kanzlei von 1559 bis 1699 geführten Insiegelbuch konnte zum einen ermittelt werden, wie die Magistraten aus der Familie von Graffenried siegeltechnisch um 1600 ausgerüstet waren. Sie konnten bis zu zwei Stempel und einen Siegelring haben. Andererseits wird gleichermassen die Praxis der staatlichen Hinterlegungspflicht der Siegelstempel, meist von verstorbenen Amtsinhabern in jener Zeit, bis zu einer Bedeutungsänderung der Siegel Mitte des 17. Jahrhunderts sicht- bar. Herrschafts- (18. Jh.) und Amtssiegel (19. Jh.) gab es indes bei den Graffenrieds nur wenige. Ihr Verwendungszweck scheint vermehrt im Symbolischen gelegen zu haben. Danach wird anhand der dichten Urkundenüberlieferung eines beispielhaften Familienmitglieds diskutiert, welcher Stempeltyp im 18. Jahrhundert bevorzugt wurde. Für alltägliche Geschäfte, zum Verschliessen von Briefen und unterwegs, scheinen hierbei in dieser Zeit die kleinen Siegelstempel beliebter gewesen zu sein. Bei der weiblichen Siegelpraxis der Graffenrieds scheinen schliesslich die Frauen im 18. Jahrhundert eine etwas aktivere Rolle gespielt zu haben als zuvor, da ihre Siegel plötzlich auf den Eheverträgen ihrer Kinder und auf ihrem Eigentum betreffenden Dokumenten erscheinen, im Gegensatz zu den vorherigen Jahrhunderten, wo nur ein männlicher Beistand untersiegelte. Abschliessend ist festzuhalten, dass sicherlich durch das Heranziehen weiterer Siegel anderer bernischer Familien die vorhandenen Ergebnisse aus den letzten beiden Teilen der vorliegenden Arbeit vertieft oder gegebenfalls Annahmen korrigiert werden könnten. Weitere systematisch angelegte Siegelkataloge wären daher ein Desiderat, um diesen Aspekt der bernischen Geschichte besser auszuleuchten.

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