Die Nichtmehranerkennung einer Reichsregierung. Das schweizerische Durchschlängeln zur neuen Weltordnung

AutorIn Name
Jürg
Nobs
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Sacha
Zala
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2019/2020
Abstract
Als sich im Mai 1945 der Zweite Weltkrieg dem Ende zuneigte, mussten sich Regierungenauf der ganzen Welt Gedanken zur neuen Weltordnung ohne Deutschland als wichtigen Machtfaktor in Europa machen. Zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion, den Siegermächten des Krieges, zeichnete sich bereits der nächste Konflikt ab, der Kalte Krieg. Osteuropäische Staaten fielen unter den Einfluss der Sowjetunion, westeuropäische Staaten unter den der Amerikaner. Eine zerstörerische Ideologie war in einem mörderischen Krieg besiegt worden, doch zwei weitere Ideologien – Kapitalismus und Sozialismus – standen sich immer noch gegenüber. Dass die Grossmächte sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Kräftemessen lieferten, ist allgemein bekannt. Ebenfalls sind spätestens seit der Veröffentlichung des sogenannten Bergier-Berichts die Verstrickungen der Schweiz mit dem gefallenen nationalsozialistischen Deutschland bekannt. Die Verbündeten aus dem Zweiten Weltkrieg standen sich also bald danach feindselig gegenüber. Die Schweiz hatte sich, unter Berufung auf die Neutralität, standhaft geweigert, an der Seite der Siegermächte in den Krieg zu ziehen. Wie standen also diese Mächte der Schweiz diplomatisch gegenüber? Diese und verwandte Fragen versucht die Masterarbeit zu klären. Im Mai 1945 entschied sich die Schweiz, weder die Regierung Dönitz noch den Alliierten Kontrollrat als offizielle deutsche Regierung anzuerkennen. Dies bedeutete auch, dass sie den letzteren nur als De-facto-Regierung auf deutschem Boden ansah, ihm aber die Dejure-Legitimität absprach. Sie stellte sich also unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegen die Interessen der Siegermächte. Es stellen sich daher folgende Fragen: Wieso entschied sich die Schweiz, den Alliierten Kontrollrat nicht als legale Regierung Deutschlands anzuerkennen, und welche diplomatischen Konsequenzen hatte diese Entscheidung? Um diese Fragen zu klären, wird zunächst der entsprechende Bundesratsentscheid untersucht. Dabei wird aufgezeigt, wie sich die Schweiz offiziell positionierte und wie sie diese Positionierung begründete. Um diese Begründungen richtig einordnen zu können, müssen verschiedene Aspekte genauer beleuchtet werden. Zunächst werden die völkerrechtlichen Aspekte anhand dreier Rechtsgutachten von Georges Sauser-Hall, Eduard von Waldkirch und Dietrich Schindler Senior betrachtet, bei denen es sich um Auftragsarbeiten für das Eidgenössische Politische Department handelte. Um diese Gutachten richtig einzuordnen, werden wiederum die Biografien der drei Juristen kurz erläutert. Weil der Bundesrat in seiner Mitteilung jeder Nachfolgeregierung Hitlers die Legitimität absprach und gleichzeitig diejenige Hitlers herausstrich, muss im Rahmen dieser Arbeit auch diese Behauptung untersucht werden. Weil die Neutralität die massgebliche aussenpolitische Maxime der Schweiz ist, muss auch eine Auseinandersetzung mit diesem Thema durchgeführt werden, um die Vorgänge zu analysieren. Hierzu werden die historische Genese sowie die Bedeutung für die schweizerische Politik beleuchtet. Die Frage des Weiterbestehens des völkerrechtlichen Subjekts «Deutsches Reich» und seiner Souveränität spielte bei der Entscheidung des Bundesrates sowie den Rechtsgutachten ebenfalls eine zentrale Rolle. Deshalb muss auch diese betrachtet werden. Weil es sich dabei um eine durchaus komplexe Geschichte mit vielen Teilschritten handelt, wird dieser Frage ein umfangreiches Kapitel zugestanden. Zu guter Letzt stellt sich die Frage, ob und wie sehr die schweizerischen Beziehungen zu den Siegermächten unter dieser Entscheidung litten. Um die möglichen Einflüsse zu betrachten, muss dabei auch die Vorgeschichte der diplomatischen Beziehungen der Schweiz zu diesen Ländern betrachtet werden. Bei der Analyse dieser Teilaspekte stellte sich heraus, dass die Behauptung der Legitimität von Hitlers Regierung durchaus fragwürdig ist, die Anzweiflung der Legitimität der Machtübernahme durch Dönitz hingegen sinnvoll war. Ebenfalls stellte sich heraus, dass die Schweiz die Wandelbarkeit des Neutralitätsverständnisses immer wieder zu ihrem Vorteil einsetzte. So etwa auch bei der Nichtmehranerkennung einer deutschen Reichsregierung, denn eine Folge davon war, dass die Schweiz die Kontrolle über deutsche Botschaftsarchive übernahm und diese von unliebsamen Akten säubern konnte. Ebenfalls scheint es für die Beziehungen zum neuen Deutschland zuträglich gewesen zu sein, dass die Schweiz sich auch in Krisensituationen als treuer Partner präsentiert hatte. Die vorgebliche Prinzipientreue, während man daraus durchaus Kapital schlägt, scheint ein wichtiges Merkmal schweizerischen politischen Handelns zu sein.

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