Die Lage der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo. Unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1989–1999

AutorIn Name
Christoph
Curchod
Academic writing genre
Licenciate thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Marina
Cattaruzza
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2000/2001
Abstract

In dieser Arbeit wird anhand von Quellenmaterial, welches vom Bundesamt für Flüchtlinge im Zusammenhang mit der Erstellung von Lageanalysen gesammelt wurde, die Frage untersucht, wie sich der Kosovokonflikt zwischen 1988 und 1999 entwickelte. Es wird aufgezeigt, wie sich die Beziehung zwischen den Albanern und den Serben entwickelte und versucht, die Frage zu klären, mit welchen Mitteln die Serben ihre politischen Ziele verwirklichen wollten.

 

Bevor sich die Arbeit den Ereignissen der vergangenen 12 Jahre zuwendet, befasst sie sich ausführlich mit der Vergangenheit des Kosovo. Nebst der Entwicklung im 20. Jahrhundert fokussiert die Studie auf einige weiter zurückliegende, für das Verständnis des Konflikts jedoch zentrale Elemente der Geschichte des Kosovo.

 

Ausgangspunkt bildet die Frage nach den ursprünglichen Bewohnern des Kosovo. Obschon eindeutige Beweise fehlen, ist es kaum von der Hand zu weisen, dass die Albaner, respektive deren Vorväter, die umstrittene Region lange vor dem Erscheinen der ersten Serben bewohnten.

 

Ein weiteres zentrales Element ist die Schlacht vom Kosovo im Jahre 1389. Diese historisch gesehen relativ unwichtige Schlacht wurde von der serbischen Überlieferung mystifiziert und zum zentralen Element des Serbentums gemacht, was dem Kosovo im serbischen Geschichtsverständnis eine Position einräumt, die objektiv betrachtet nicht haltbar ist.

 

Ebenfalls mit berücksichtigt werden muss die Frage nach der Änderung der Bevölkerungszusammensetzung. Seit dem ausgehenden Mittelalter, spätestens aber seit dem Ende des 17. Jahrhunderts verliessen immer wieder Serben den Kosovo. Gleichzeitig wanderten albanische Clans aus dem Westen in den Kosovo ein, so dass dieser zunehmend zu einem von einer albanischen Mehrheit bewohnten Gebiet wurde.

 

Schliesslich wird aufgezeigt, dass der Kosovo im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert für die albanische Nationalbewegung von entscheidender Bedeutung war.

 

Im Anschluss wird gezeigt, wie sich das Verhältnis von Serben und Albanern im 20. Jahrhundert entwickelte. Die serbischen Bemühungen, den alten demographischen Zustand wieder herzustellen, wurden in den zwei Weltkriegen von dem Versuch der Albaner, den Kosovo mit Albanien zu vereinigen, unterbrochen. Während der kommunistischen Herrschaft unter Tito diente der Kosovo als Manövriermasse, um die Serben unter Kontrolle zu halten. In den 35 Jahren seiner Herrschaft wurden mal die Serben, mal die Albaner bevorzugt. Alles in allem lässt sich feststellen, dass die Politik, wie sie im 20. Jahrhundert betrieben wurde, dazu führte, dass sich die Gegensätze zwischen Serben und Albanern weiter verschärften.

 

Im dritten Teil wird die Entwicklung zwischen 1988 und 1999 ausführlich beschrieben. In der Folge der Machtübernahme Milosevics in Serbien wurden die Albaner im Kosovo zunehmend zu Bürgern zweiten Ranges. In den Jahre 1988–1990 gewannen die Serben die Kontrolle über die politischen und juristischen Organe des Kosovo. Als Reaktion auf diese Entwicklung bauten die Albaner unter der Führung der «NDemokratischen Liga des Kosovo» einen Schattenstaat auf. Dieser bestand, von den Serben zwar behindert, aber letzten Endes doch toleriert, bis zum Frühjahr 1999. Zentrale Ziele dieses «Staates» waren die Aufrechterhaltung der Schulbildung in albanischer Sprache sowie die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung der albanischen Bevölkerung. Finanziert wurde dieser «Staat» weitgehend aus Spenden von im Ausland lebenden Kosovaren.

 

Schliesslich wird die Entwicklung der Beziehungen zwischen Serben und Albanern und die zunehmende Gewaltspirale anhand ausgewählter Zeiträume und Regionen untersucht. Zwischen 1990 und 1998 veränderte sich die Situation im Kosovo nur unwesentlich. Die Serben beschränkten sich darauf, die Vertreter und Institutionen des albanischen Schattenstaats einerseits und die albanische Bevölkerung, insbesonder die Angehörigen der Intelligenz andererseits zu schikanieren. Dabei ging es den serbischen Machthabern nicht um eine Vertreibung der Albaner, sondern darum, die serbische Vormachtsstellung zu zementieren.

 

Die militärische Offensive der UCK im Frühling 1998 veränderte die Situation nachhaltig. Im ganzen Kosovo wurde nun die albanische Bevölkerung härter angefasst. Eine gezielte Vertreibung fand aber nur in den Kampfgebieten statt. Nach dem Ende der serbischen Offensive im Herbst 1998 schien sich die Lage zu beruhigen. Nach erneuten Kämpfen ab Mitte Dezember und dem Massaker von Raçak im Januar 1999 zwangen die USA, Russland und die EU die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch. Eine Übereinkunft scheiterte jedoch am Widerstand der Serben, weshalb die NATO am 24. März 1999 gegen Jugoslawien einen Luftkrieg begann.

 

Die Geschichte des Kosovo ist eng mit dem Schicksal der Serben und der Albaner verknüpft. Im Verlauf der letzten Jahrhunderte wurde das Los dieses Gebietes von diesen beiden Völkern entscheidend mitbestimmt. Der Kosovo wurde jedoch nie von beiden Volksgruppen gemeinsam beherrscht. Vielmehr dominierten mal die Serben, mal die Albaner, aber auch die türkische Oberherrschaft war ein wesentlicher Faktor. Eine friedliche Lösung des Konflikts scheiterte bis heute an der unversöhnlichen Haltung beider Konfliktparteien und an deren Bestrebunge ihre eigenen Ziele um jeden Preis durchzusetzen. So gesehen war die Entwicklung zwischen 1988 und 1999, in der das Mittel der ethnischen Säuberung erst recht spät (im Spätwinter 1999, in Ansätzen bereits im Sommer 1998) eingesetzt wurde, nur der Höhepunkt einer zunehmend aggressiveren Auseinandersetzung.

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