Die Kapuzinermission in Tunis im 17. und 18. Jahrhundert

AutorIn Name
Laura
Binz
Academic writing genre
Licenciate thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Windler
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2007/2008
Abstract


Ab 1668 standen italienische Kapuziner im Auftrag der Propagandakongregation der katholischen Missionsstation von Tunis vor. Da es seit dem Mittelalter keine autochthonen maghrebinischen Christen mehr gab und jegliche Missionsbemühungen bei Muslimen strengstens verboten waren, stand die spirituelle Betreuung der europäischen Kaufleute und der katholischen Sklaven im Zentrum der missionarischen Tätigkeit. Die Sklaven, in der Regel gekaperte Besatzungsmitglieder und Passagiere christlicher Handelsund Kriegsschiffe, bildeten die klare Mehrheit der katholischen Bevölkerung in Tunis. Sowohl den freien Christen als auch den Sklaven garantierten die Herrscher von Tunis, wie überall im Osmanischen Reich, die Freiheit der Religionsausübung und den obrigkeitlichen Schutz von Leben, Besitz und Kultstätten.

Im Zentrum der Lizentiatsarbeit stand die Frage, inwieweit es den Kapuzinern im muslimisch und plurikonfessionell geprägten Umfeld von Tunis gelang, der Regel ihres Ordens entsprechend zu leben und zugleich die Katholiken vor Ort auf die Normen der nachtridentinischen Kirche festzulegen. Als Quelle diente die Korrespondenz der Kapuziner mit der Propagandakongregation in Rom, welche im Archivio Storico de Propaganda Fide zugänglich ist.

Nach dem Überblick über die Herrschaftsverhältnisse in Tunis nach der osmanischen Eroberung 1574 und die Organisation der Kapuzinermission wurde in der Arbeit das Spannungsverhältnis zwischen der seelsorgerischen Arbeit der Kapuziner und dem Armutsgelübde sowie dem Verhältnis zwischen „actio“ und „contemplatio“ beleuchtet. Es zeigte sich, dass es äusserst schwierig war, die Armut und das weltferne, durch Gebete und spirituelle Exerzitien geprägte Ordensleben ausserhalb der Klosterklausur aufrechtzuerhalten. Die Finanzierung der Mission durch Almosen konnte in der Realität von Tunis nicht funktionieren und auch die kleinen Beiträge der Propagandakongregation und des französischen Konsuls für die Betreuung der Konsulatskapelle konnten den Lebensunterhalt der Missionare nicht sichern. Infolgedessen erreichten die Propagandakongregation immer wieder Klagen über Verstösse gegen das Armutsgebot. Insbesondere die Betätigung einzelner Kapuziner im Handel und der Einsatz von Geldern, welche den Missionaren von Sklaven zur sicheren Aufbewahrung anvertraut wurden, lösten Empörung innerhalb der katholischen Gemeinde aus. Durch die Pfarrseelsorge und infolge des Drucks, am sozialen Leben der Diaspora teilzunehmen, standen die Kapuziner zudem viel stärker in Kontakt mit der „Welt“ als es im Ordensideal festgeschrieben war. Zu enge Kontakte zu den Laien und der damit einhergehende Verlust der Weltabgewandtheit waren häufige Vorwürfe an die Kapuziner.

In einem anschliessenden Kapitel der Arbeit wurden die interreligiösen und interkonfessionellen Kontakte der Kapuziner und Christen in Tunis untersucht. Rhetorisch war die Trennung zwischen der Heiligen Katholischen Kirche und den Angehörigen anderer Religionen und Konfessionen sehr deutlich und den Katholiken war jegliche Interaktion mit Nichtkatholiken grundsätzlich verboten. Allerdings forderten weder die Propagandakongregation in Rom noch die Missionare vor Ort die strikte Durchsetzung dieses Verbots, welches im Alltag von Tunis auch kaum hätte umgesetzt werden können. Besonders eng war das Verhältnis der Katholiken zu Angehörigen der protestantischen und griechisch-orthodoxen Kirche.

Es wurde weiter die Frage gestellt, ob die Kapuziner die Pfarrei von Tunis nach den Vorgaben des Konzils von Trient leiteten. Dazu wurden das Verhältnis der Missionare zur bischöflichen Autorität, die Pfarreibücher, die Katechese und die Sakramentspraxis genauer untersucht, da es sich hierbei um wichtige Aspekte zur Herausbildung einer nachtridentinischen, katholischen Identität handelte. Was Taufen und Eheschliessungen anging, hielten sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts Praktiken, die mit dem Konzil in Widerspruch standen.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so konnte festgestellt werden, leisteten die Kapuziner den Dekreten des Konzils von Trient zunehmend Folge. In heiklen Situationen hatte aber nicht die tridentinisch-konfessionelle Regelhaftigkeit, sondern die Verhinderung von Konversionen oberste Priorität für die Kapuziner. Die gemischtreligiöse und gemischtkonfessionelle Realität der isolierten katholischen Gemeinde von Tunis hatte grossen Einfluss auf die Umsetzung des Tridentinums und verlieh ihr spezifische Züge.

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