«Gute Police» - bonne police - war Beschreibung für den wünschbaren Zustand von guter Ordnung. Policey war gleichzeitig aber auch das Instrument, um diese Ordnung zu erhalten, und sie verfügte über entsprechendes Personal, geeignete Mechanismen und Instanzen. Unter dem Sammelbegriff police wurden darüber hinaus die Umsetzung von politischen Zielsetzungen sowie Verwaltungspraktiken eingeübt. Während für den deutschsprachigen Raum bereits verschiedenste Studien zur guten Policey vorliegen, gibt es für die bonne police im Frankreich der frühen Neuzeit noch kaum grössere Arbeiten. Der Zugang zum Thema erfolgt über einen zweifachen Zugriff: einerseits über theoretische Schriften aus dem 16. Jahrhundert bis zur Revolution und andererseits über Fallstudien, mit denen die Funktionsweise der police in der Praxis nachvollzogen wird. Die Provence, die als pays d’États eine relativ grosse Autonomie bewahren konnte, und das Lyonnais, das als pays d’élections direkt von einem Intendanten verwaltet wurde, dienen als regionale, Marseille und Lyon, beides wichtige Handelsmetropolen und nach Paris bevölkerungsreichste Agglomerationen des Königreichs, als städtische Beispiele. Die Vielschichtigkeit des Begriffs lässt sich zunächst in theoretischen Abhandlungen nachzeichnen. Insbesondere die Schriften des 16. Jahrhunderts zeugen von einem weiten Policeybegriff, der die Gesamtheit des Staates, die Regierungsform, Institutionen, Richter und Beamte, Verordnungen und Gesetze umfasst. Die Autoren, Claude de Seyssel, …tienne Pasquier, Bernard Girard du Haillan und Loys Le Roy setzen die gute Policey mit der althergebrachten politischen Ordnung des Königreichs gleich. Rechtsgelehrte des 17. Jahrhunderts, wie Guy Coquille, Charles Loyseau, Jean Bacquet und Cardin Le Bret, konkretisieren den Begriff police zunehmend auf der Ebene von Gesetzgebung und Verwaltung. Die Akzentuierung der guten Policey auf ihre Verwaltungsfunktion bringt Mayerne Turquets Schrift La monarchie aristodémocratique modellhaft zum Ausdruck.
Mit Schriften von Abbée Fleury, Prost de Royer und Le Maire, die konkrete Regierungsanleitungen enthalten, sowie mit Policeyhandbüchern von Nicolas Delamare, Du Chesne, Jacques-Antoine de SallÈ und Des Essarts wird im 18. Jahrhundert übergegangen zu einer Beschreibung und Auflistung der besten Mittel, um den guten Staat zu formen. Verordnungen und Policeygesetze stehen nun für sich alleine und bedürfen nicht mehr der Einordnung in allgemeine theoretische Reflexionen. Sie sind lediglich Instrumente, die von Beamten gezielt eingesetzt werden.
Mit der Verengung des Begriffs police auf konkrete Verordnungen und Vorgehensweisen geht auch ihre überhöhte Bedeutung als Ausdruck einer göttlichen Ordnung verloren, wie sie vom Juristen Jean Domat im ausgehenden 17. Jahrhundert ein letztes Mal beschrieben worden war. Police ist nunmehr ein rein weltliches Ordnungsinstrument der Herrschenden. Dennoch geht, wie grössere theoretische Abhandlungen beispielsweise von Gaspard Réal de Curban zeigen, die Verbindung von bonne police mit dem Gemeinwohl einerseits und der Gesamtheit der politischen Organisation des öffentlichen Zusammenlebens andererseits nicht völlig verloren. Und trotz der «Funktionalisierung» der guten Policey, die zunehmend zum Instrument des Königs wurde und ihm in Form einer wachsenden Verwaltung und Beamtenschaft sowie als Gesetzgebung zur Verfügung stand, haftete ihr bis Ende des 18. Jahrhunderts das Bild von «alter Ordnung» an. Erst mit dem neuen, unbelasteten Begriff der administration wurde schliesslich der Weg in den modernen Verwaltungsstaat frei.
In der Praxis enthielt die Policey einerseits eine reglementierende, verwaltende Aufgabe, andererseits aber auch eine richtende, indem sie Vollzug und Ahndung von Verstössen gegen ihre Reglemente ebenfalls übernahm. Policey war somit von der Justiz nicht zu trennen. Als oberster Gerichtsherr beanspruchte der König für sich die alleinige Zuständigkeit für die police, die er aber an die untersten Gerichtseinheiten, an die Schöffengerichte der Städte, delegierte. Die Appellationsmöglichkeiten auch in Policeysachen einerseits sowie das Registrierrecht der Parlamente andererseits hatten zur Folge, dass alle Gerichtseinheiten an der guten Policey mitbeteiligt waren. Ausserdem hatten die Intendanten als Sonderbeauftragte des Königs ebenfalls einen Policeyauftrag.
In den städtischen und regionalen «Verfassungen», das heisst den Privilegien und Statuten der ausgewählten Beispiele Marseille, Lyon sowie der Provence wurde im Zusammenhang mit Herkommen, tradierten politischen Ordnungen und den konstituierenden Privilegien der Städte oder der Provinz von police gesprochen. Darin war der Begriff seinem Ursprung, polis und politeia, sehr nahe. Diese Begriffsverwendung widerspiegelt sich sehr direkt in der Praxis: In Körperschaften mit Autonomierechten waren die für die Policey zuständigen Behörden und Autoritäten gleichzeitig auch oberste politische Instanz. War dem nicht so, wie beispielsweise in Paris oder der Provinz des Lyonnais, verfügte das Gemeinwesen über keinerlei Autonomie mehr. Für die Städte können zwei Ebenen der Policey festgestellt werden: Einerseits die police intérieure de la ville, auch grande police oder police générale genannt, die den wesentlichsten Teil der städtischen Policey darstellte und Lebensmittelversorgung, Städtebau, Gesundheits- und Armenpolicey umfasste. In diesen Feldern fand die städtische Politik ihren Ausdruck und wurde von den obersten Autoritäten (Stadtregierungen) bestimmt. Andererseits die petite police oder police particulière, die sich um die alltäglichen Details kümmerte, wie die Einhaltung der Qualitätsstandards für Lebensmittel oder auch die Respektierung der Sonntagsheiligung. Die Aufgaben der petite police wurden den «Vollzugsbeamten», vor allem den Policeykommissaren oder wie in Lyon dem Policeygeneralleutnant überlassen. Unter den von Nicolas Delamare, dem ersten Systematiker der Policeymaterien, genannten elf Policeybereichen sind Lebensmittelpolicey, Städtebau, Gesundheits- und Armenpolicey als die in der Praxis massgeblichen «Policeyen zu nennen, zu denen sich quantitativ und qualitativ die bedeutendsten Erlasse finden. In den grösseren Städten wurden zu diesen politisch wichtigen Aufgaben im Laufe des 16., spätestens zu Beginn des 17. Jahrhunderts, eigene Büros gegründet: das bureau de l’abondance war für eine ausreichende Getreideversorgung auch und gerade in Krisenzeiten verantwortlich. Dazu mussten entsprechende Getreidevorräte angelegt und bewirtschaftet werden. Das bureau de la santé musste Massnahmen zur Seuchenprävention treffen und war bei Bedarf auch für deren Umsetzung verantwortlich. Die städtischen Hospitäler kümmerten sich um einheimische Arme und hatten wie im Falle von Lyon weitreichende Kompetenzen für die Bestrafung von Bettlern. Die Büros verfügten über eigene Strukturen und Institutionen, unterstanden aber mindestens der politischen Aufsicht der Stadtregierungen. Meist hatten diese auch direkten Einsitz in den Leitungsgremien. Nur für die police de la voirie, die Policey für Strassen-, Gebäude-, Brücken- und Städtebau, die als ein Kernbereich der städtischen Kompetenzen betrachtet werden muss, wurde kein eigenes Büro eingerichtet. Diese Fragen wurden direkt von den Stadtregierungen entschieden und überwacht. In Städten aber auch Regionen mit relativer Autonomie können im 18. Jahrhundert erste Annäherungen an ein frühes Verwaltungsrecht beobachtet werden. Die unscharfe Trennung von Justiz und Policey sowie die theoretische «Verrechtlichung» der police im 17. Jahrhundert ermöglichten juristische Schritte von betroffenen Körperschaften gegen übergeordnete Verwaltungsmassnahmen. Daraus wuchs vor allem seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Bewusstsein, dass Verwaltungsakte nach anderen juristischen Verfahren verlangten, als sie durch zivil- und strafrechtliche Verfahrensweisen vorgegeben waren. Dieses Verständnis basierte auf der Legitimierung und Gleichsetzung der Verwaltungsakte mit dem öffentlichen Interesse, dem bien public. Im 18. Jahrhundert sind höchst bemerkenswerte und unerwartete Urteile anzutreffen, mit denen beispielsweise eine Behörde für das Fehlverhalten ihrer Beamten verantwortlich gemacht wurde.
Neben den modern anmutenden juristischen Entwicklungen im Verwaltungsbereich können weitere Professionalisierungen im 18. Jahrhundert beobachtet werden, insbesondere für den dominanten Policeybereich der voirie. Dazu wurde im 18. Jahrhundert eine nationale Ingenieurschule (école des ponts-et-chaussées) gegründet. Doch die fortschrittlichen Entwicklungen in Jurisprudenz und Verwaltungspraxis können über die Verhaftung der bonne police in den Grundfesten der ständischen Gesellschaft nicht hinwegtäuschen. Sie basierte auf Herkommen und Privilegien, was vor allem für die Getreidepolicey deutlichen Ausdruck fand. Hier hielt insbesondere die Bevölkerung an der guten alten Policey fest, die Brotpreise garantierte, Getreidehändler überwachte und für strenge Marktregeln sorgte.
Police entsprach dem Versuch, das Zusammenleben im öffentlichen Raum nach übergeordneten Kriterien zu organisieren. Sie regelte und überwachte Aktivitäten, Vorgänge und Verhalten im öffentlichen Bereich. Sie als Disziplinierungsinstrument eines absoluten Herrschers zu bezeichnen, greift hingegen zu kurz. Vielmehr lässt sich gerade für die bonne police ein Aushandeln zwischen Ständen, Korporationen, Städten und König feststellen, das in vielfältigen Möglichkeiten juristischer Verfahren Ausdruck und in vermeintlich mächtigen königlichen Gesandten ein Sprachrohr fand. Der hartnäckige Kampf von Städten und Provinzen um die Bestätigung von Privilegien und die Bewahrung ihrer Restautonomien wurde mit dem Argument des bien public geführt, und die Sicherung der insbesondere städtischen Verantwortung für die bonne police garantierte den Gemeinden auch ein gewisses Mass an politischer Bewegungsfreiheit. Trotzdem ist seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein zunehmendes Eingreifen des Königs auch in kommunale Belange festzustellen. Dieser Zugriff auf die Gemeinwesen, man könnte es auch Disziplinierung nennen, erfolgte allerdings nicht primär über Policeyvorschriften, sondern mit sehr viel effizienteren Mitteln der Finanzkontrolle und Ausgabenbewilligungsvorschriften.
Die Zusammenführung der verschiedenen Ebenen und Facetten zeigt, dass police für einen gesamtgesellschaftlichen Prozess steht, mit dem Regeln für den öffentlichen Raum, für das gemeinsame Wirtschaften und Leben von Individuen erarbeitet, mit dem Staat definiert und staatliche Strukturen geschaffen wurden. Vor allem aber steht police für den nicht nur theoretischen Versuch, das Zusammenleben im öffentlichen Raum nach übergeordneten Kriterien des bien public zu organisieren, insofern bezeichnete police den (wieder entdeckten) politischen Gestaltungsprozess eines den Korporationen und Ständen übergeordneten Gemeinwesens.