Die Amerikanischen Staatenmilizen 1783-1815. Unter besonderer Betrachtung ihres Einsatzes im Krieg von 1812

AutorIn Name
Florian
Zemp
Academic writing genre
Licenciate thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2006/2007
Abstract

Die Miliz war nicht nur die grösste militärische Teilstreitmacht der jungen Vereinigten Staaten, sondern auch ein Spiegelbild ihrer liberalen freiheitlich-individualistischen Gesellschaft. Im Zentrum der Lizarbeit steht die Suche nach der Realität des sogenannten Miliz-Mythos, was anhand zweier Themenschwerpunkte geschieht: Der Miliz in theoretischem Anspruch und gesellschaftlicher Praxis einerseits sowie einer Analyse der militärischen Leistungsfähigkeit der Milizen am konkreten Beispiel des Kriegs von 1812 andererseits. Englische Vorbilder prägten in den nordamerikanischen Kolonien bereits vor der Unabhängigkeit nicht nur die Strukturen der Milizorganisation, sondern auch die Einstellung zu ihr. In miliztheoretischer Hinsicht erwiesen sich die sogenannten Country-Whigs und Court-Whigs der englischen Standing Army Kontroverse von 1697 als einflussreichste Denkrichtungen. Die Country-Whigs sahen in einem stehenden Heer grundsätzlich ein Instrument der Bedrohung der Freiheiten des einzelnen Staatsbürgers durch die eigene Regierung und favorisierten deshalb ein wie auch immer geartetes Milizheer; ausserdem war die Miliz in ihren Augen nötig zur Erhaltung der moralischen Tugenden des Volks. Die Court- Whig-Partei sah dagegen im stehenden Heer kein Bedrohungspotential, solange dieses durch ein gewähltes Parlament kontrolliert wurde.

 

Die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1789 enthielt deswegen einen milizpolitischen Kompromiss: Der Kongress besass das Recht, die Milizen zu organisieren, zu bewaffnen und Disziplinvorschriften herauszugeben. Die Bundesstaaten waren verantwortlich für das Training ihrer Milizen und besassen das Recht auf Ernennung der Milizoffiziere. Der Präsident war Oberkommandierender aller Milizen, durfte sie aber nur in explizit genannten Fällen in Bundesdienste nehmen. Die unpräzise Formulierung vieler Verfassungs- und Zusatzartikel führt bis heute zu politischen und juristischen Auseinandersetzungen über die Verfassungsmässigkeit bestimmter Rechte, Massnahmen und Gesetze. Der Militia Act von 1792 aber hielt bis 1905 jedem Reformversuch stand.

 

Die friedliche Zeit nach der Erringung der Unabhängigkeit führte überdies in vielen Bundesstaaten zur bildlich ausgedrückten Verrottung der Milizen. Erbärmliche militärische Leistungen bei der Niederschlagung von Rebellionen und der Bekämpfung feindlicher Ureinwohner an der westlichen Frontier bestätigten die Notwendigkeit einer stehenden Armee, deren Grösse auf dem Papier je nach äusseren Umständen, Ideologie des Präsidenten und Grosszügigkeit des Kongresses zwischen 3’000 und 10’000 Mann schwankte.

 

Wie war nun die amerikanische Miliz aufgebaut? Der Grundbaustein der Miliz war die Kompanie, organisiert und gesellschaftlich verankert auf lokaler Ebene. Theoretisch waren alle Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren drei Monate pro Jahr innerhalb der eigenen Grenzen milizpflichtig und hatten sich dazu auf eigene Kosten auszurüsten. In der Praxis existierten dagegen zahlreiche Ausnahmeregelungen, ausserdem waren Vernachlässigungen aller Art gang und gäbe. Verantwortlich für Organisation und militärischen Drill der Miliz waren die von ihren Untergebenen demokratisch gewählten Offiziere. Der Status eines Milizoffiziers war aber ein prestigeträchtiges Amt, so dass Milizoffiziere oft ihres gesellschaftlichen Ansehens und nicht ihrer militärischen Kompetenz wegen im Amt waren. Im Kriegsfall erwiesen sich solche Offiziere häufig als ausserstande, eine militärische Disziplin aufrecht zu erhalten die über persönlichen Respekt hinausging. Trainingstage der Miliz waren zudem stets soziale Veranstaltungen, die mitunter Volksfestcharakter annehmen konnten. Entsprechend schwankte die Qualität von Milizeinheiten zwischen zwangsausgehobenen, bewaffneten Mobs und vereinsmässig organisierten, gut ausgerüsteten Freiwilligenkompanien. Wenig erstaunlich erwiesen sich Kriegsfreiwillige und privat organisierte Elitemilizen als wesentlich motivierter und kampfkräftiger als per Los zwangsweise Dienstverpflichtete.

 

Die Kämpfe im Krieg von 1812 erstreckten sich über fast das gesamte Territorium der Vereinigten Staaten östlich des Mississippi. Kompetenzgerangel, eine unfähige privatisierte Logistik und kaum vorhandene Kooperation zwischen militärischen und politischen Behörden auf Staats- und Bundesebene behinderten die in der Wildnis ohnehin schwierige Kriegsführung und deckten die Defizite der Milizen schonungslos auf. Es zeigte sich, dass militärisches Know-How nicht durch Patriotismus ersetzt werden konnte. Führungskompetenz, Disziplin, Ausbildung und Erfahrung erwiesen sich als entscheidende Kriterien für den erfolgreichen Einsatz von Milizen. Sogar erfolgreiche Milizgeneräle wie die späteren Präsidenten William Henry Harrison oder Andrew Jackson waren mitunter gezwungen, Milizeinheiten gegeneinander auszuspielen oder gar Reguläre einzusetzen, um unwillige Milizeinheiten im Feld zu halten.

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