Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2015/2016
Abstract
Rund eine Million Lawinen donnern jedes Jahr weltweit zu Tale. Überall dort, wo schneebedeckte Gebirge anzutreffen sind, existieren diese faszinierenden Naturphänomene. Besonders in besiedelten und touristisch erschlossenen Berggebieten können diese wörtlich mitreissenden Naturereignisse rasch zur Todesfalle werden. Eines der letzten extremen Lawinenjahre im Alpenraum war 1951, als binnen kurzer Perioden enorme Neuschneemengen fielen und es zu etlichen katastrophalen Lawinenabgängen kam. In der Schweiz wurden 98 und in Österreich 135 Menschen Opfer der Lawinen. Der Winter 1950/51 führte in der Schweiz zu einem „Boom“ in der Erforschung von Schutzmassnahmen und in den nächsten Jahren wurden neue Verbauungstypen entwickelt. Durch eine Reihe von Massnahmen, insbesondere technische Verbauungen, Aufforstungen, Warnsysteme und Zonenpläne, wurde versucht das Risiko zu minimieren. 1953/54 kam es in den Alpen erneut zu einem Winter mit enormen Niederschlägen, wobei dieses Mal insbesondere Österreich vom „Weissen Tod“ heimgesucht wurde, während in der Schweiz im Vergleich wenig Todesopfer zu verzeichnen waren.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, die beiden „Lawinenwinter“ zu untersuchen und die Katastrophenlage in der Schweiz und Österreich miteinander zu vergleichen. Der Fokus des Interesses liegt dabei auf den Lehren, welche aus den Geschehnissen gezogen wurden, und den Massnahmen, die man in der Zeit zwischen 1951 und 1954 realisierte. Im Rahmen der Arbeit wird nachgeprüft, inwiefern die beiden Lawinenwinter als verheerende Naturkatastrophen für die erforschten Alpenländer charakterisiert werden können, warum es zu einer solchen Häufung von Lawinen innerhalb kurzer Zeit kam und ob sich die von der Schweizer Regierung seit dem Winter 1950/51 getroffenen Massnahmen drei Jahre später bereits bezahlt machten. Ein weiterer zentraler Teil dieser Arbeit widmet sich dem Wissenstransfer während und nach dem Jahr 1951. Da die Produktion, der Transfer und die Anwendung von „Wissen“ von entscheiden der Bedeutung für die Beantwortung der Fragestellung waren, wird auf das Konzept des Wissenstransfers als Methode zurückgegriffen.
Das Angebot an gedruckten Quellen betreffend die erforschten Lawinenwinter ist auffallend gross, insbesondere seitens des Schweizerischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF). Da diese publizierte Überlieferung auch äusserst ergiebig war und zudem der Autor nur wenige Archivquellen aus- findig machen konnte bzw. diese keinen wesentlichen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht hätten, stützt sich die Arbeit überwiegend auf eine gedruckte Quellenbasis.
Anhand der Quellen konnten die aus dem Winter 1950/51 gezogenen Lehren, die verschiedenen Formen des Wissenstransfers und die in den folgenden drei Jahren in der Schweiz umgesetzten Massnahmen herausgearbeitet werden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass zwischen den Lawinenwintern vor allem die temporären Massnahmen optimiert wurden und diese wohl eine gewisse Rolle in Bezug auf die geringen Schäden 1954 in der Schweiz spielten. Dazu zählen der seit dem Winter 1950/51 massiv erweiterte Lawinenwarndienst, die im Winter 1953/54 mehrfach durch die Behörden erfolgreich organisierten Evakuationen, die Anwendung der künstlichen Auslösung von Lawinen per Minenwerferbeschuss und der im Anschluss an den Lawinenwinter 1951 erfolgte Wissenstransfer zwischen dem Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung auf der einen und der Bevölkerung auf der anderen Seite. Es kann zumindest teilweise die These unterstützt werden, dass sich die Bemühungen bewährt haben.
Andererseits war damals die Lawinenforschung in Österreich bei weitem nicht so weit fortgeschritten wie in der Schweiz, der Lawinenwarndienst (LWD) war neu und dezentral organisiert; das Land besass weniger und schlechter gewartete Schutzanlagen und das Wissen über Lawinen war in der Bevölkerung nicht wie in der Schweiz verbreitet. Bei der Beurteilung des Nutzens der in der Schweiz seit 1951 erfolgten Massnahmen für Österreich muss zudem berücksichtigt werden, dass sich die zwei Winter in Bezug auf die Lawinenaktivität nur bedingt miteinander vergleichen lassen. Es braucht jedenfalls weitere Forschungsarbeit in diese Richtung, um die forschungsleitende Frage abschliessend beantworten zu können.