Donnerstag, 6. Juni und Freitag, 7. Juni 2024, Universität Lausanne
Die Politik, die sich für eine Stärkung der Marktwirtschaft engagierte, erlebte nach der Wirtschafts- und Währungskrise Anfang der 1970er Jahre auf internationaler Ebene einen Aufschwung. Diese Reformen werden in der Forschung gewöhnlich als „neoliberal“ bezeichnet. Sie zeichnen sich insbesondere durch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen aus, durch die Deregulierung der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmärkte, sowie durch einen Abbau des Sozialstaats. Die Umsetzung dieser Reformen beschleunigte sich ab den 1970er und 1980er Jahren, doch die Geschichte neoliberaler Ideen ist viel älter und hat ihre Wurzeln unter anderem im Ordoliberalismus, der von Wirtschaftswissenschaftlern in der Zwischenkriegszeit entwickelt wurde.
Die Schweiz nimmt in der Geschichte des Neoliberalismus einen wichtigen Platz ein. Bedeutende Persönlichkeiten dieser politischen Strömung,—wie zum Beispiel die Ökonomen Wilhelm Röpke und Karl Brunner—waren hier tätig. Diese Theoretiker verfügten in der Schweiz über ein dichtes Netzwerk. Dieses wurde durch die Aktivitäten von international vernetzten Think Tanks wie die Mont-Pèlerin-Gesellschaft, durch akademische Forschungszentren wie das Institut universitaire de hautes études internationales (IUHEI) in Genf oder das Schweizerische Institut für Auslandforschung (SIAF) in Zürich sowie durch Presseorgane wie der Schweizer Monat oder die Neue Zürcher Zeitung gefördert. Schweizer Unternehmerkreise unterstützten zudem diese Netzwerke, insbesondere wenn es darum ging in der Schweiz neoliberal inspirierte Reformen in den Bereichen des Strommarkts, der Landwirtschaft, oder der öffentlichen Verwaltung umzusetzen. Die Schweiz spielte auch eine Rolle bei der transnationalen Verbreitung des Neoliberalismus, so zum Beispiel durch ihre Beteiligung an internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds oder der Welthandelsorganisation.
Diese Tagung wird im Rahmen des Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds "Die Apostel des Marktes: Schweizer Akteure und Netzwerke des internationalen Neoliberalismus (1969-1995)" unter der Leitung von Prof. Janick Schaufelbuehl organisiert. Sie zielt darauf ab, die Rolle der Schweiz in der Geschichte des Neoliberalismus durch einen interdisziplinären Ansatz und mit einem besonderen Schwerpunkt auf der internationalen oder transnationalen Dimension dieses Phänomens besser zu verstehen. Das Kolloquium ist interdisziplinär ausgerichtet (Wirtschafts-, Sozial- oder Kulturgeschichte, Politikwissenschaft, Soziologie, Linguistik, Rechtswissenschaft usw.).
Mögliche Themen sind beispielsweise die Verbindung zwischen neoliberal inspirierten Reformen und der Entwicklung demokratischer Rechte; die Auswirkungen des Aufstiegs des Neoliberalismus auf Printmedien, Radio oder Film; die Auswirkungen des Neoliberalismus auf die Gender-Beziehungen; der Einfluss neoliberaler Ideen in Lehrplänen oder Schulbüchern; die spezifischen Ausprägungen des neoliberalen Diskurses in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz; die Rolle der Hochschulen bei der Verbreitung neoliberaler Ideen; die transnationalen Netzwerke der Schweizer AnhängerInnen des Neoliberalismus; der Einfluss des Neoliberalismus in der hohen Bundesverwaltung oder im öffentlichen Dienst...
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- Die Referatsvorschläge können auf Deutsch, Französisch, Englisch oder Italienisch verfasst werden und sind bis zum 15. November 2023 per E-Mail an folgende Adresse zu senden: hadrien.buclin(at)unil.ch.
- Jeder Vorschlag sollte einen Titel und einen Abstract enthalten (max. 2000 Zeichen), sowie einen kurzen CV (max. 400 Zeichen).
Zusätzliche Informationen:
- Die Antwort bezüglich Teilnahme erfolgt bis zum 10. Dezember 2023.
- Die TeilnehmerInnen werden gebeten, bis zum 30. Mai 2024 eine lange schriftliche Zusammenfassung des Beitrags (ca. 12 000 Zeichen) an den Organisator der Tagung zu senden.
- Für Vortragende, die nachweisbar keine Möglichkeit haben, ihre Reisespesen über ihre Heiminstitution zu vergüten, werden die Reise- und Übernachtungskosten übernommen.
- Eine gemeinsame Veröffentlichung aus den Beiträgen des Kolloquiums ist für das folgende Jahr geplant.