Angst und Antrieb. Verwissenschaftlichung des Willens und Politik der Selbststeuerung in Deutschland und den USA, 1874–1974

AutorIn Name
Lukas
Held
Academic writing genre
PhD thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Sarasin
Philipp
Institution
Neuzeit
Place
Zürich
Year
2020/2021
Abstract
Der Begriff ‚Leistungsgesellschaft‘ ist heute, anders als in den 1960er und 1970er Jahren, kein Schimpfwort oder gar Kampfbegriff mehr, mit dem eine Opposition mit breiter Basis das herrschende System verwirft. Dass Leistung, wenn auch mit sehr uneinheitlichen Bewertungsmaßstäben, heute die unterschiedlichsten Lebensbereiche prägt, ja zur Mentalität geworden ist, scheint Konsens und kaum mehr auf grundsätzliche, das System als Ganzes infrage stellende Kritik zu stoßen. Zugleich werden die negativen Auswirkungen einer sich an ihrem Leistungsprinzip selbst zu überfordern drohenden Gesellschaft zunehmend lauter beklagt und differenzierter diskutiert. Immer mehr Menschen sind in Folge des wirtschaftlichen Strukturwandels und des Aufstiegs des Dienstleistungssektors seit den 1970er Jahren von steigenden Leistungsanforderungen betroffen. Immer mehr Menschen sammeln Überforderungserfahrungen. Und doch hat sich die ‚Leistungsgesellschaft‘ durchgesetzt und als vorgeblich alternativlos plausibel zu machen verstanden. Wenn sich trotz wachsender Klage, bei gleichzeitig ausbleibender Kritik, ein bestimmtes Leistungskonzept etabliert, stellt sich die Frage, mit welchen diskursiven Rechtfertigungsstrategien dies geschieht. Wie setzt sich ein bestimmtes Leistungskonzept durch? Wodurch erzeugt es Akzeptanz, welche Anreize, Versprechen und Vorteile stellt es in Aussicht? Auf die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelmenschen oder den Nachweis der Potenz des Marktes, die Hegemonie des politischen Systems oder die Überlegenheit einer Idee? Das Dissertationsprojekt möchte diesen Fragen am Beispiel des geteielten Deutschland nachgehen. Untersucht werden soll, ob sich in den beiden deutschen Teilstaaten unterschiedliche Leistungskonzepte herausbildeten, welche gesellschaftspolitische Funktion sie je erfüllten und welche Subjektformen sie produzierten. Vor dem Hintergrund des Systemwettstreits im Kalten Krieg gilt es zu fragen, in welchen Diskursen politische Systeme ihre eigene Leistungsfähigkeit begründeten, wie und wo sie sie zur Anschauung brachten und mit welchem Erfolg sie sie plausibel machten. Unterschieden sich die Bereiche und Testfelder, auf denen ausgehandelt und abgelesen wurde, was Leistung sei? Wer waren die Leistungsträger und wo verlief der Bezugs- und Bewertungsrahmen ihrer Leistung? Methodisch soll ‚Leistung‘ als ein spezifisches Wissens gefasst werden, das stets an Verfahren des Messens und Vergleichens gebunden ist und damit immer in einem konkreten Medium als Vergleichsprodukt erscheint. Zu fragen ist, inwiefern sowohl der Bewertungsrahmen als auch das anzeigende Medium prägen, was als Leistung gilt und in welcher Form es zur Norm erhoben wurde. Solchermaßen soll einerseits vermieden werden, die Herausbildung von Leistungskonzepten monokausal auf einzelne Interessen zurückzuführen und es andererseits möglich werden, nach der gesamtgesellschaftlichen Prägekraft und Reichweite von Leistungskonzepten zu fragen, die nicht nur die Figur des Leistungsträgers produzieren, sondern ebenso deren Gegenfigur: den Verlierer, den Versager oder den Aussteiger. Konzentrieren wird sich die Arbeit auf die Untersuchungsbereiche ‚Arbeitswelt‘, ‚Leistungssport‘ und ‚Schule‘. Inwiefern der Körper, genauer, die natürliche Erschöpfung und biologische Determiniertheit in all diesen Bereichen in je unterschiedlicher Weise den begrenzenden Faktor darstellt, wird zu fragen sein. Möglicherweise lässt sich gerade am Körper ablesen, in welcher Weise Leistungskonzepte internalisiert wurden und das Selbstverhältnis der Menschen prägten

Access to the work

Library

Academic works are deposited in the library of the university where they originated. Search for the work in the central catalogue of Swiss libraries